Der Tikkun Haklali

Ein Mensch, der an etwas erkrankt ist, begibt sich daraufhin umgehend zu einem Arzt ...

5 Min.

Rabbiner David Kraus

gepostet auf 04.04.21

Ein Mensch, der an etwas erkrankt ist, begibt sich daraufhin umgehend zu einem Arzt, damit er ihm das notwendige und Heilung bringende Medikament verschreibt. Art und  Schweregrad der jeweiligen Verletzung bzw. Erkrankung bestimmen in jedem Fall die Suche nach einem Spezialisten, dessen Fachgebiet sich darauf bezieht. Und je akuter oder schwerwiegender eine Krankheit ist desto eher ist ein  spezialisierter Facharzt nötig. 
 

Weil das bei den physischen Aspekten eines Menschen so ist, gilt das gleiche Prinzip natürlich erst recht bei den mentalen und spirituellen Aspekten eines Menschen. 

Rabbi Nachman aus Breslev ist der große Arzt und Spezialist auf diesem speziellen  Fachgebiet und offenbarte der gesamten Menschheit das faszinierende Heilmittel, den „Tikkun Haklali“ – die allumfassende Seelenkorrektur und allgemeine Verbesserung!

Rabbi Nachman aus Breslev hat mehrfach betont, dass seine Hauptbeschäftigung darin sieht, alle menschlichen Seelen zu verbessern. Die Verbesserung der Seelen ist eine ungeheuer schwierige Aufgabe, die unendliche geistige Ressourcen benötigt.

Als Gott wollte, dass Abraham sich beschneide, sprach Er zu ihm: „Aber auch du musst Meinen Bund bewahren, du sowie all deine Nachkommen …“  (1. Buch Moses 17,9)

Auf der Grundlage dieser Aussage wird die „Brit Mila“, also eine Beschneidung, ebenfalls als „Bund“ bezeichnet. In den fünf Büchern Moses wird das Wort „Bund“  in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet, allerdings bezieht es sich in den meisten Fällen auf die Beschneidung.
 
Infolgedessen stellt sich zum einen die Frage, was an einer Beschneidung so einzigartig ist, und zum anderen, weshalb eine Beschneidung als ein Bund zwischen Gott und den Juden bezeichnet wird?
 
Der Prophet Jesaja (Jeschajahu 60, 21) sagte einst: „…Dein Volk (Israel), sie alle sind Gerechte (Zaddikim)“ 
 
Rabbi Schimon bar Jochai versetzte  diese Aussage in großes Erstaunen, was er in seinem Buch Zohar (es ist die Wurzel der Kabbala) in Form einer Frage zum Ausdruck brachte: „Woher nimmt der Prophet die Gewissheit, dass es sich bei allen Juden um gerechte Menschen handelt?! Vor allem wenn sich beobachten lässt, dass es sich scheinbar nicht wirklich bei allen Juden um gerechte Menschen handelt.“

Da die Aussage eines von Gott gesandten Propheten in jedem Fall der Wahrheit entspricht, kam er schließlich selbst zu der Antwort und sagte: „Man muss jeden Juden und jede Jüdin in die Kategorie eines gerechten und weisen Menschen einstufen, da ein Mann bereits beschnitten ist und eine Mutter gemeinsam mit ihren Gatten sich bereiterklärt, ihren Sohn nach acht Lebenstagen beschneiden zu lassen.“  

Rabbi Nachman schrieb in seinem Buch Likutey Moharan (Band 1, Kapitel 23), dass alle Juden aufgrund ihrer Beschneidung – also dem von Gott mit ihrem Stammesvater Abraham geschlossenen Bund – gerechte und weise Menschen (Zaddikim) sind. Allerdings bedeutet eine Beschneidung lediglich den Beginn und nicht etwa schon die ganze Erfüllung des Bundes zwischen einem Juden und Gott. Demnach bildet die Beschneidung den ersten Schritt im Leben eines jüdischen Mannes auf dem Weg in die Kategorie eines Zaddiks (also einem gerechten und weisen Menschen). Ohne die Ausführung dieser Mitzwa (dieses Gebotes) kann  ein Jude niemals als Zaddik bezeichnet werden. Darüber hinaus wird es ihm aufgrund dessen ebenso wenig gelingen, sich an den wahren und über allen stehenden Zaddik zu binden. 

Infolgedessen bildet den nächsten Schritt der Vertragserfüllung der Schutz des Bundesorgans (Penis). Das heißt, dass ein Mann das Organ seiner Beschneidung, das ihm in Heiligkeit und Reinheit von Gott übertragen wurde, nicht für perverse Betätigungen missbrauchen darf.

 
Einst ging ein Mann zu Rabbi Nachman und erzählte ihm allerlei  Lobpreisungen über einen Zaddik. Rabbi Nachman hörte die Aussagen dieses Mannes mit offenen Ohren und fragte ihn daraufhin, wie es bei diesem Zaddik mit der Selbstbeherrschung bezüglich seiner sexuellen Begierden bzw. dem Willen, sich von etwas Unsittlichem fernzuhalten, steht. Der Mann antwortete: „Meines Erachtens gibt es niemanden, der in das Innere eines Menschen blicken kann!“

Rabbi Nachman erwiderte ihm: „Welchen Stellenwert diese Begierden im Leben eines Menschen haben, lässt sich kinderleicht ermitteln. Darüber hinaus handelt es sich bei der Bezwingung dieser nicht unbedeutenden Begierden und Leidenschaften um den Hauptmaßstab eines Zaddiks! Zwar lässt sich jede andere Begierde und Leidenschaft ohne weiteres unter Kontrolle bringen, doch die Unterdrückung sexueller Begierden, Perversionen und Fantasien lässt sich dagegen nur äußerst schwer verwirklichen. Infolgedessen lässt sich der Wert und Stand eines wahren Zaddiks vor allem – wenn nicht sogar ausschließlich – an der Unterdrückung dieser Begierdenund Leidenschaften messen!“ (Chajey Moharan)  

Rabbi Nathan schreibt in seinem Buch Likutey Halachot (Hilchot Kiduschin Kapitel 3, Punkt 3 und Hilchot Nachalot Kapitel 3, Punkt 2), dass es Tausende Stufen an Heiligkeitsniveaus eines Menschen im Bezug auf die Bewahrung des Bundes mit Gott gibt. Das heißt, in wieweit es einem Menschen gelingt, die eben beschriebene Begierde bei sich auszumerzen. Und dies trotz der Tatsache, dass sich jeder Mensch in erster Linie darum bemühen muss, seine seelische Vollkommenheit, die durch eine Hochzeit erlangen kann, zu erreichen.

Rabbi Chaim Mosche Luzato führte in seinem Buch Mesilat Jescharim (Kapitel 18) auf, dass ein Chassid, d.h. ein Anhänger des Chassidismus, aufgrund seiner Liebe zu Gott stets danach trachtet, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um seinem Schöpfer außerordentliches Vergnügen zu bereiten.  

Rabbi Nachman führt im 11. Kapitel des 1. Bandes seines Buches Likutey Moharan zwei Wege auf, die es einem Menschen ermöglichen, den Bund mit Gott bzw. das Bundessorgan vor banalen Dingen zu schützen:
 

 

  1. Durch die Beachtung aller entsprechenden Verbote der Tora.
  2. Durch die Ausbreitung dieser Heiligkeit im Bereich des Erlaubten.

 

Die erste Kategorie (Beachtung aller entsprechenden Verbote der Tora) wird dabei allerdings als die niedrigere Stufe der beiden bezeichnet.

Gott setzt bei einem Menschen nicht voraus, dass er ein Zaddik wie Rabbi Nachman wird. Allerdings erwartet Er von einem Menschen eine gewisse Bereitschaft, die ihn dazu führen soll, sich weiterzuentwickeln, d.h. sich nicht nur damit zu begnügen, statisch auf ein und demselben Platz in seinem Leben stehenzubleiben. Daher bildet den Hauptschlüssel dieses Vorankommens der gute Wille eines Menschen, seine Gedanken, Aussagen und Taten zum Positiven zu verändern.  

Des Weiteren führte Rabbi Nachman in seinem Buch Likutey Moharan (Band 1, Kapitel 48) an, dass jeder Annäherungsversuch eines Menschen an Gott bereits etwas überaus Wertvolles für Ihn widerspiegelt. Daher gibt es auch keinen Platz für Trübsinn und ähnliches. Auch nicht für jene, die die eben besprochenen Sünden begangen haben!

Ein Mensch muss sich mit aller Kraft gegen die Verzweiflung stemmen und sich – egal, was auch geschieht – zu Herzen nehmen, was Rabbi Nachman einst sagte: „Wenn du glaubst, dass man etwas zerstören kann, dann musst du ebenso daran glauben, dass sich alles wieder reparieren lässt.“

Daher muss sich ein Mensch in erster Linie auf die Fahne schreiben, dass die Verzweiflung kein Allheilmittel sein kann. Im Gegenteil, sie macht alles nur noch schlimmer.  

Zur endgültigen Bewältigung der Verzweiflung entdeckte Rabbi Nachman ein Allheilmittel, das jedes Vergehen wieder aus der Welt schafft und das jeden Menschen einen weiteren Schritt in seinem Leben weiterbringt – vorausgesetzt er besitzt den Willen, sich zum Positiven zu verändern. Dieses allheilbringende Mittel ist der Tikkun Haklali – die allumfassende Seelenkorrektur und allgemeine Verbesserung, die auf 10 der 150 Psalmen Davids basieren: Psalm 16, 32, 41, 42, 59, 77, 90, 105, 137, 150. Der Tikkun Haklali muss in der numerischen Reihenfolge gelesen werden, da sich dadurch seine geballte Kraft entfaltet.

Welch immense Kraft sich in dem Tikkun Haklali verbirgt, offenbarte uns Rabbi Nachman mit seinem äußerst ungewöhnlichen Versprechen. Bevor er verstarb, bat er zwei seiner Schüler zu sich, Rabbi Aron aus Breslev und Rabbi Naftali aus Nemirov. Er forderte die beiden dazu auf, als Zeugen zu fungieren, die sein Versprechen bezeugen werden:  
 
„Derjenige, der sich am Rosch Ha´schana an mein Grab begibt und dort die zehn Kapitel der Psalme Davids (Den „Tikkun Haklali“ – die allumfassende Seelenkorrektur und allgemeine Verbesserung durch die Psalmen 16, 32, 41, 42, 59, 77, 90, 105, 137, 150) liest sowie einige Münzen zu meiner Ehre spendet, für den werde ich mich – auch wenn sein Sündenkonto enorm groß ist, Gott behüte – längs und quer legen (= vor Gott demütigen, in den Staub werfen) und dabei alles in meiner Macht Stehende unternehmen, damit ich ihn erlöse und rette!“

Des Weiteren fügte er hinzu: „Für denjenigen lege ich mich in die Länge und in die Breite, nur um ihn Gutes zuteilwerden zu lassen! Und wenn es sein muss, werde ich ihn an seinen Haaren packen und ihn auf diesem Weg aus der Hölle herausziehen! – In allem, was ich sage und tue, bin ich stark, doch darin bin ich am stärksten, da diese zehn Kapitel der Psalme Davids (in der numerischen Reihenfolge) außergewöhnlich hilfreich und nützlich sind!“

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