Drogen vs. Realität

Eine Klientin erzählte mir von der Drogenabhängigkeit ihres Partners: „Mein Freund raucht Rauschmittel und ich weiß es schon seit einiger Zeit!“

4 Min.

Rabbiner David Kraus

gepostet auf 17.03.21

Eine Klientin erzählte mir von der Drogenabhängigkeit ihres Partners: „Mein Freund raucht Rauschmittel und ich weiß es schon seit einiger Zeit! Er meinte, dass er oft das Verlangen hat, seinen Kopf von allem frei zu bekommen, und die einzige Möglichkeit darin bestünde, auf diese Weise von all seinen Problemen abschalten zu können. Er versprach mir, seinen Rauschmittelkonsum einzustellen, wenn wir gemeinsam Kinder haben. Mich stört das aber extrem. Ich bin sogar strickt gegen das Rauchen! Er ist der Meinung, dass das Rauchen von Rauschmitteln nicht abhängig macht und er demzufolge nicht davon ablässt. Nur auf diese Weise könne er er selbst sein. Was soll ich bloß tun?“

 

Zur Antwort gab ich ihr: „Drogen darf man nicht gut reden und den Konsum nicht einfach so hinnehmen. Da wäre ich an deiner Stelle vorsichtig.

 

Wenn du ihn so sehr liebst, bete für ihn! Täglich jeden Tag 10 Minuten, dass Gott ihm hilft, diese Sucht und Lust zum Drogenkonsum aufzugeben.

 

Stattdessen sollte er sich immer vor Augen halten, dass er  gerade, was seine Einstellung zum Rauschmittelkonsum anbelangt: „Drogen helfen mir, den Kopf von Kummer und Sorgen frei zu bekommen", einen neuen Status Quo für sich selbst setzt. Das ist falsch. Kummer und Sorgen muss man sich stellen. Und wenn es Dinge sind, die man leider nicht ändern kann, dann muss man eben lernen, traurige Phasen im Leben zu überwinden. Er muss lernen, was es heißt, positiv zu denken – was bedeutet, zu wissen, dass es weiter geht, dass das Positive ein Teil des Negativen ist und umgekehrt, sozusagen zwei Pole derselben Sache.

 

Das Leben ist keine Serie von glücklichen Momenten. Das Leben besteht aus Höhen und Tiefen, Erfolgen und Niederlagen, Freudensprüngen und Rückschlägen. Es ist voll von Problemen und Herausforderungen. Es besteht aus großen Siegen, gewaltigen Schiffbrüchen, Enttäuschungen UND glücklichen Momenten, die man umso mehr genießen kann, eben weil sie nicht alltäglich sind.

 

Welchen Wert hat ein Sieg für jemand, der noch nie verloren hat? Welchen Wert hat eine Familie für jemand, der nie von ihr getrennt war? Und wie wichtig ist Geld für jemand, der reich geboren wurde und ohne jedes finanzielle Problem aufgewachsen ist?

 

Negativen Ereignissen ehrlich zu begegnen, die eigenen Gefühle im Bewusstsein zuzulassen, dass eine Zeit kommen wird, in der man auch die positiven Aspekte der Ereignisse würdigen kann, wird uns eher weiterbringen als die rosarote Brille. Drogenkonsum ist auch eine Art rosarote Brille. Positiv zu denken ist kein Wunschdenken und keine Verdrängung, sondern der positive Umgang mit dem, was man hat, ist und werden kann.

 

Viele Menschen tappen in die Positiv-Denken-Falle und lassen sich dazu hinreißen, negative Gefühle wegzudrücken – eben auch durch Drogen. In einer Welt, in der alle immer gut drauf sind, passt Trauer und Wut und ein kritischer Verstand nicht hinein. Aber sind diese Gefühle dann tatsächlich weg? Natürlich nicht. Sie sind nur ausgeblendet und sammeln ihre Kräfte, um irgendwann verstärkt aufzutreten.

 

In den allermeisten Fällen fühlt man sich nach einer Niederlage oder bei Erhalt einer Hiobsbotschaft schlecht, traurig, frustriert, wütend. Und tatsächlich steht dies schon in der Tora geschrieben: Es gibt eine Zeit des Lachens und eine Zeit des Weinens, eine Zeit zu lieben und eine Zeit zu hassen usw.

 

Positiv denken heißt, sich dessen bewusst zu sein, dass niemand immer gut drauf ist. Positive und negative Gefühlszustände sind zwei Seiten derselben Medaille. Das eine bedingt das andere. Drogen stören hier nur diesen notwendigen natürlichen Prozess des eigenen Persönlichkeitswachstums. Ein Mensch mit einer positiven Grundeinstellung nimmt sich die Zeit, die er benötigt, um das Geschehene zu verarbeiten, zu trauern und wütend zu sein – in dem Bewusstsein, dass es danach weitergeht und die Zeit kommen wird, wieder nach vorne zu schauen und den Rest des Lebens anzugehen.

 

Sich selbst zu belügen, z.B. durch Drogenkonsum, ist sowieso komplett sinnlos. Stell dir mal irgendeine negativ Szene vor, die einen Menschen wie aus dem Nichts erreicht. Nun verbinde damit die positiven Aspekte der „neugewonnenen Freiheit“, die man durch Drogen erfährt. Nach außen hin freut man sich jetzt, dass der Kopf frei ist, während das Herz trauert! Aber was registriert unser Unterbewusstsein dabei tatsächlich? Unsere wahren Gefühle oder das Schauspiel der Drogen?

 

Das Negative ist Teil unseres Lebens. Deshalb besteht die Kunst der Entscheidung darin, es sich eigen zu machen, positiv zu denken – also zu wissen, dass es weitergeht!! Jeder Mensch wird diesen Lernprozess in seinem Leben machen müssen. Probleme sind ein Segen, denn Probleme initiieren eine Weiterentwicklung! Wer sich nicht entwickeln will, weil es zu anstrengend ist und deshalb vielleicht sogar Drogen konsumiert, wird in völlige Gleichgültigkeit verfallen und ein schreckliches Leben führen.

 

Als Therapeut weiß ich, wenn er es regelmäßig braucht, dich das aber stört, dann werden sich eure Wege irgendwann trennen, wenn ihr nicht versucht, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.

 

Als ich Psychologie studierte, hatte ich in einer psychiatrischen Sorgfalt einen Patienten, der seit kurzer Zeit begonnen hat, Koks zu konsumieren. Als ich Dr. Shaked (meinem Professor) damals davon berichtete, dass die Partnerin des Koks-Abhängigen damit ein gewaltiges Problem hat, meinte er sehr nüchtern, dass sie sich damit abfinden oder sich von ihm trennen muss. Überlege dir, ob du dir eine Zukunft (evtl. mit Kindern) mit ihm vorstellen und es akzeptieren kannst. Ich denke, nein. Ich sage nicht, trenne dich von ihm, aber ich versuche deutlich zu machen, dass man Drogenkonsum nicht schön reden darf.

 

Mit dem Rauchen von Rauschmitteln sollte man schon gestern aufgehört haben und nicht erst, wenn man Kinder hat.

 

Dass das Rauchen von Rauschmitteln nicht abhängig macht, ist völliger Unsinn! Die psychische Abhängigkeit kann sehr stark sein und ist nur schwer zu überwinden – vor allem solange man sich selbst vorlügt, wie harmlos das ja alles ist.

 

Die Tatsache, dass er sich schon lange wünscht, „er selbst zu sein“, indem er rauchen muss, weil das der einzige Weg sei, um einen freien Kopf zu bekommen und „abschalten“ zu können, spricht ganz eindeutig dafür, dass da mehr los ist als „ab und zu mal Rauschmittel zu rauchen“.

 

Die Wahrheit ist leider hart. Er raucht wohl sicher schon so lange, dass er für seine Partnerin nicht damit aufhören wird, nur weil es sie stört. Das wäre auch nicht realistisch, denn er sollte ja nicht für sie aufhören, sondern weil er es selbst will.

 

Weiter sagte ich ihr: „Er hat es wohl verschwiegen, weil er wusste, dass du strikt gegen das Rauchen bist. Daher solltest du ihm erklären, dass du dir eine Zukunft nicht mit einem drogenabhängigen Kiffer vorstellen kannst. Er ist ja auch wirklich kein Kiffer, sondern ein starken, sogar sehr starker Mann! Warum also „abschalten", wo doch dieser starke Mann sich jedem Hindernis stellen kann und sicher als Hero hervorgehen wird?

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