Tanken in Uman

„Zwinge dich fröhlich zu sein, auch wenn dir gerade nicht danach ist.“ „Erfülle die Mizwot mit Freude.“ „Wer heute kein perfektes Leben führt, dem gelingt es vielleicht morgen.“

5 Min.

Rabbiner David Kraus

gepostet auf 17.03.21

Jedes Jahr zu Rosch Haschana reisen Tausende zum Grab des Rabbi Nachman
 

  • „Zwinge dich fröhlich zu sein, auch wenn dir gerade nicht danach ist.“
  • „Erfülle die Mizwot mit Freude.“
  • „Wer heute kein perfektes Leben führt, dem gelingt es vielleicht morgen.“

 
Die Lehre des Rabbi Nachman aus Breslev (1772-1810) zieht bis heute Tausende Menschen an. Wir Breslever sind die am schnellsten wachsende chassidische Gruppe. Einer unserer Bräuche ist die Hitbodedut, das persönliche Gespräch mit Gott, – solo -, also nur ich und Gott. Viele gehen dazu hinaus in die Natur.

Kurz vor seinem Tod trug Rabbi Nachman, der ein Urenkel des Baal Schem Tov war, seinen Schülern auf, jedes Jahr an Rosch Haschana zu seinem Grab zu pilgern. Es liegt in Uman in der heutigen Ukraine. Seit es durch den Zerfall der Sowjetunion leichter geworden ist, dorthin zu reisen, machen sich alljährlich im Herbst Tausende jüdische Männer auf den Weg in die mittelgroße Stadt, etwa 200 Kilometer südlich von Kiew gelegen. Nicht alle sind Breslever Chassiden, es reisen auch Nichtreligiöse und sogar Nichtjuden an. Im vergangenen Jahr, an Rosch Haschana 5772, kamen rund 50.000. 
 
Das Neujahrsfest „Rosch Haschana“ in Uman
 
Wie bereits gesagt, versammeln sich Jahr für Jahr Menschen aller Nationalitäten in der ukrainischen Stadt Uman, um dort Rosch Haschana mit Rabbi Nachman zu feiern, der einst unmissverständlich sagte: „Jeder der etwas auf mich  hält, darf niemals außer Acht lassen, dass am Rosch Haschana kein Einziger fehlen darf! Am Rosch Haschana muss jeder bei mir sein!“ Und so lassen immer wieder viele tausend Menschen aus der ganzen Welt alles stehen und liegen und begeben sich geradewegs nach Uman – zum Rabbi!
 
Nun drängt sich allerdings die Frage auf: „Weshalb!?“ – Welche  ungewöhnliche Besonderheit verbirgt sich hinter  der Ruhestätte Rabbi Nachmans, zu der sich viele  Menschen rund um den Globus hingezogen fühlen!?
 
Die Antwort darauf bildet das ungewöhnliche Versprechen Rabbi Nachmans, dass er uns gab. Bevor er starb, bat er zwei seiner Schüler zu sich, Rabbi Aron aus Breslev und Rabbi Naftali aus Nemirov. Er forderte die beiden dazu auf, als Zeugen zu fungieren, um  sein Versprechen zu bestätigen: 
 
„Derjenige, der sich am Rosch Haschana an mein Grab begibt, und dort die 10 Kapitel der Psalmen Davids (den „Tikkun Ha´klali“ – Die allumfassende Seelenreparatur und allgemeine Verbesserung – Psalme 16, 32, 41, 42, 59, 77, 90, 105, 137, 150) liest, sowie einige Münzen zu meiner Ehre spendet, für den werde ich mich – auch wenn sein Sündenkonto enorm groß ist – Gott behüte, voller Elan krumm machen ( krumm machen = vor Gott demütigen, in den Staub werfen ) und dabei alles in meiner Macht Stehende unternehmen, damit ich ihn erlöse und rette!“ 

Des Weiteren fügte er hinzu: „Für denjenigen mache ich mich krumm , nur um ihm Gutes teil werden zu lassen! Und wenn es sein muss, werde ich ihn an seinen Haaren packen und ihn auf diesem Weg aus der Hölle herausziehen! – In allem was ich sage und tue bin ich stark, doch darin bin ich am stärksten . . . Doch das Einzige, worum ich ihn anschließend bitte ist, dass er von nun an versucht, sich ausschließlich auf dem rechten Weg zu halten.“
 
Ohne Zweifel war dieses Versprechen eine revolutionäre Ankündigung von Seiten Rabbi Nachmans. Vor allem wenn man bedenkt , dass es in der Geschichte noch nie einen Zaddik (einen gerechten und weisen Mann) gab, der so etwas sagte, geschweige den versprach! Nunmehr ist klar, weshalb sich die Anhänger Rabbi Nachmans das ganze  Jahr hindurch  nur nach  dieser einen Sache  sehnen: Nämlich zur Erfüllung der Bestimmung ihres und unseren Rabbis. Der Bestimmung Rabbi Nachmans: „…am Rosch Haschana darf kein Einziger fehlen! Am Rosch Haschana muss jeder bei mir sein!“
 
Eines der Spezialgebiete Rabbi Nachmans war die Geheimlehre der Kabbala. Mit ihrer Hilfe, erläuterte er, besitzt  ein Zaddik die Kraft  alle Menschen empor zu heben, d.h. jeder Menschenseele einen gesegneten und positiven Wohlfühleffekt zu vermitteln. Dies gilt auch für jene, die bereits im Sumpf des Bösen versunken waren  oder bisweilen noch nicht mit ihrer eigenen spirituellen Seite in Verbindung gekommen sind . Diese Kraft schöpft ein Zaddik vor allem durch die seine einzigartige Bindung zu Gott, die er sich durch intensive Eigenarbeit aneignet. Die hauptsächliche Arbeit verkörpert dabei der ständige Wille, Gott stets – und bei allem – kennen und schätzen lernen zu wollen. Dieser Wille kommt bereits durch ein einfach geführtes Gespräch mit Gott zum Ausdruck. Dadurch erlangt ein Zaddik einen äußerst hohen Status, da alle seine Gedanken, Reden und Handlungen bis ins Detail mit dem Willen Gottes übereinstimmen. Und eben dies ermöglicht dem Zaddik Rabbi Nachman, in das Gebet eines Menschen eine erlösende Kraft zu stecken. So wie es z.B. Moses tat, der als Gesandter Gottes das Volk Israel aus der Sklaverei in Ägypten befreite und sie anschließend ins Heilige Land führte – und dies ausschließlich mittels seiner und ihrer Gebete. Infolgedessen kann Rabbi Nachman jeden Menschen der ihn aufsucht, zu seinem körperlichen, geistigen und sogar materiellen Aufstieg führen. 
 
Der treueste Schüler und Nachfolger Rabbi Nachmans, Rabbi Nathan, äußerte sich in Bezug auf die Reise nach Uman wie folgt: „Auch wenn der Weg nach Uman voll gespickt wäre  mit Messern und Schwertern , würde ich trotzdem auf allen Vieren versuchen, das Grab des Rabbis zu erreichen!“ 
 
Mit anderen Worten würde Rabbi Nathan  überhaupt auf keinen Fall auf die Reise nach Uman – am Rosch Haschana (dem jüdischen Neujahrsfest) – verzichten, auch nicht wenn der Weg dorthin seinen Tod besiegeln könnte! Denn wenn er erst gar nicht hinreiste, wäre er schon spirituell gestorben.
 
Rabbi Nachman betonte zu seiner Lebenszeit mehrfach die Wichtigkeit und immense Bedeutung der Anwesenheit aller an Rosch Haschana. Er sagte z.B.: 
 

  • „Mein Rosch Haschana steht über allem!“
  • „Meine gesamte Sache bildet Rosch Haschana!“
  • „Man muss es überall verkünden: Jeder, der etwas auf mich  hält, darf niemals außer Acht lassen, dass am Rosch Haschana kein Einziger fehlen darf! Am Rosch Haschana muss jeder bei mir sein!“
  • „Mein Rosch Haschana ist eine neu entdeckte Revolution! Gott gab mir den Rosch Haschana [den Sinn der sich darin verbirgt] als Geschenk!“
  • „Dieses Geschenk habe ich mir eigenhändig verschafft und bekam es nicht etwa als Erbe meiner Vorfahren von Gott überreicht. Daher hängt von meinem Rosch Haschana nicht nur euer Schicksal ab, sondern auch das Schicksal der gesamten Welt!“ 

 

Und noch weitere solcher Superlative.  
 
Doch der unbeschreiblich großen Bedeutung und dem ewig währenden  Gewinn , die diese Reise mit sich bringt, stehen unzählige Hindernisse, die einen Menschen gegen einen  Reiseantritt bewegen könnten, gegenüber. Das Haupthindernis bildet in dem Fall der menschliche Verstand, dem es durch Zweifel, Herzleid, Kopfzerbrechen  und so weiter immer wieder gelingt, etliche Menschen von  dieser Reise abzubringen. 
 
Rabbi Nachman wusste dies selbstverständlich auch , und deshalb kam er dem bösen Trieb (Satan) zuvor, indem er uns mit seinen Aussagen auf die unverzichtbare Wichtigkeit dieser Reise hinwies. Als z.B. einer seiner Schüler auf ihn zuging und meinte, dass er es bevorzuge, ihn erst nach Rosch Haschana zu besuchen, da es seines Erachtens während Rosch Haschana aufgrund der immensen Menschenzahl an normalen Schlaf- und Essmöglichkeiten mangelt, und er dadurch  nicht richtig in der Lage sei zu beten, entgegnete ihm Rabbi Nachman: „Es spielt überhaupt keine Rolle ob man isst, oder nicht isst. Ob man schläft, oder nicht schläft. Ob man betet, oder nicht betet (d.h. aus tiefsten Inneren mit Leib und Seele). Hauptsache, du bist am Rosch Haschana bei mir! Egal was auch geschieht.“
 
Sein treuer Schüler Rabbi Nathan fügte hinzu: „In Wahrheit handelt es sich bei diesen Gedankengängen ausschließlich um  Teufelswerk, das  einen Menschen damit um seinen Verstand bringen möchte. Dies wird vor allem durch die Tatsache unterstrichen, dass sich jeder Einzelne erst so richtig bei Rabbi Nachman entfalten kann.“
  
Zu denjenigen, die am Rosch Haschana bei ihm waren, sprach Rabbi Nachman: „Ihr könnt euch nun wahrlich das gesamte Jahr hinweg so richtig freuen und überglücklich sein. Daher speist Delikatessen und trinkt süße Getränke, da die Freude Gottes euer Verdienst ist.“ 
 
WOW – ich weiß wirklich nicht was mit euch ist, aber: Auftanken für die Seele in Uman, ohne das könnte ich wohl nicht mehr leben!
 
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