Die Rede

Soll er oder soll er nicht gehen? Israelfreunde, Juden in Israel und den USA streiten zur Zeit, ob der Premier Netanjahu vor dem amerikanischen Kongress reden soll oder nicht...

4 Min.

Rabbiner David Kraus

gepostet auf 05.04.21

Soll er oder soll er nicht gehen? Israelfreunde, Juden in Israel und den USA streiten zur Zeit, ob der Premier Netanjahu vor dem amerikanischen Kongress reden soll oder nicht…

 

 

 

 

 

Wenn König Salomon – einer der weisesten Männer – sagte, es gäbe nichts Neues unter der Sonne, dann wusste er, worüber er sprach und wir können es an den heutigen Ereignissen erkennen – gerade jetzt wieder in den Tagen vor Purim. Lauschen wir einem Gespräch, das neulich zwischen zwei Juden, Yemini und Smolansky während der Arbeit stattfand. Sie besprachen genau dieses Dilemma: Soll er oder soll er nicht gehen?

 

 

 

 

 

 

Yemini: Smolansky, mein Bruder, wie geht es Dir?

 

Smolansky: Warum bist Du so fröhlich Yemini? Siehst Du nicht, dass wir in großen Schwierigkeiten stecken?

 

Yemini: Was meinst Du mit Schwierigkeiten? Hat unser Chef ein Sparprogramm eingeführt? Soll es Kündigungen bei uns geben?

 

Smolansky: Nein, es geht nicht um den Chef. Im Gegenteil, die Geschäfte laufen gut, die Leute werden pünktlich bezahlt und der Chef spricht sogar von Erweiterung, also nichts mit Entlassungen.

 

Yemini: Was gibt es dann so Furchtbares? Warum so ein betrübtes Gesicht? Musst Du wieder alle Probleme dieser Welt auf Deine Schultern laden? Oder hast du Stress mit deiner Frau?

 

Smolansky: Das schwere Problem heißt: Bibi Netanjahu! Dieser Fanatiker verbreitet andauernd Panik, und ruiniert dadurch unsere Beziehungen zu unserem besten Freund und Verbündeten, den USA! Warum ist er so hartnäckig und wir Idioten geben ihm bei den Wahlen immer genügend Mandate, wofür? Damit er Reden schwingen kann?! Weiß Netanjahu denn nicht, dass wir alle in einem Boot sitzen und wenn dieses Boot zu schaukeln beginnt, es uns alle betrifft? Müssen wir denn alle erst ins Meer geworfen werden?

 

Yemini: Smolansky. Hat Dir heute morgen jemand etwas in Deinen türkischen Kaffee getan? Du siehst die Sache völlig falsch, schließlich ist genau das Gegenteil der Fall! Netanjahu sieht die Gefahren in dem leichten Lächeln, das uns die Wölfe aus Teheran entgegen bringen. Weißt Du nicht, dass sie sich eingeschworen haben uns, zu vernichten?! Kennst Du die Geschichte des Pharao nicht, der uns Juden versklavt hat? Aber jetzt ist es noch schlimmer: Nicht nur versklavt sollen wir werden, sondern vernichtet. Die USA und Europa behaupten, dass sie nur etwas gegen den Führungsstil Netanjahus haben. Das ist eine der üblichsten Ausreden von Antisemiten. Ihre Abneigung gegen Netanjahu formulieren sie politisch korrekt und sind so von der unkritischen Presse leichter zu übernehmen.

 

Smolansky: Auch du meine Güte! Wie kann man über unseren engsten Verbündeten nur so etwas behaupten?!

 

Yemeni: Sicher, USA und Europa sie sind unsere besten Verbündeten, aber nur solange wir nicht wie Juden handeln oder danach streben, wie ein wahrer Jude im Lande Zion zu sein. Die Geschichte hat es uns immer wieder gezeigt, dass die sogenannten Verbündeten nichts mehr als ein dünnes Schilf sind, an dem man sich nicht festhalten kann.

 

Smolansky: Aber warum muss Netanjahu derartige Hetzreden halten, die unsere eigenen Reihen untergraben. Was für eine Respektlosigkeit und Missachtung des Protokolls! In der Knesset kann er reden was er will, aber vor dem amerikanischen Kongress!?

 

Yemeni: Protokoll? Unsere Existenz ist bedroht und Du sprichst von Protokoll und vom amerikanischen Kongress?! Komm schon, Smolansky, dies ist die Realität und nicht ein Straßenkaffee.

 

Smolansky: Sorry, aber Netanjahu ist nicht mein Premier…

 

Yemeni: Ich stimme nicht mit einigen Aspekten seiner Politik überein, wie viele andere auch. Aber er ist mein Bruder und er hat eine beträchtliche Erfolgsbilanz vorzuweisen. Er riskiert sein Leben für unser Volk. Den „Verbündeten“ liegt unser Wohlergehen nicht am Herzen, um es gelinde auszudrücken. Sie werden keinen Finger rühren, um jüdisches Blutvergießen zu verhindern. Im Gegenteil, sie warten ab und helfen unseren Feinden. Ihr Appeasement ist nur der Anfang…

 

Bis hier der Interessante Dialog.

 

Was denken Sie über Smolensky und Yemini, die über „Bibi Netanjahus“ geplante Reise in die USA und seiner Rede vor dem Kongress sprachen? Was ist gefährlicher für uns Juden, unseren Verbündeten – die USA – durch eine Rede Netanjahus respektlos zu missachten, oder liegt die Gefahr in der nuklearen Aufrüstung des Iran und deswegen ist es wirklich sehr gut, dass Bibi Netanjahu die Reise macht und vor dem amerikanischen Kongress Rede hält?

 

Bevor wir uns mit der Antwort beschäftigen, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass das eben wiedergegebene Gespräch nicht neulich stattfand. Es ist ein Gespräch, dass vor 2500 Jahren in Persien von zwei Juden geführt wurde. Ich habe nur die Namen ausgewechselt. Im Original spricht der Dialog nicht über die Rede von Netanjahu, sondern über die Rede von Mordechai, der große Held aus der Purim Geschichte. Damals waren es die Verbündeten des Königs Ahasveros  und sein Wesir Haman, ein wahrer Nachfahre von Amalek, die beschlossen haben, das jüdische Volk zu vernichten.

 

So wie heute, wusste auch damals jeder schon, dass die Perser alle Juden vernichten wollen. Der damalige jüdische „Premier“, Mordechai wollte deshalb eine Rede in der Hauptsynagoge in Shushan halten, um alle Juden zu warnen, damit sie nicht zum königlichen Ball gehen, zu dem alle Juden eingeladen wurden. Die liberalen Juden griffen Mordechai an, hielten ihm vor, dass er Unfug rede, schließlich sind der Königs Ahasveros  und sein Wesir Haman die Verbündeten der Juden, ja der Haman habe sogar extra für den Ball Mehadrin-Koschere Speisen richten lassen. So stand Mordechai allein da, da die liberalen Juden der Meinung waren, dass Mordechai mit seiner Rede, die Beziehungen zwischen Juden und der Obrigkeit verschlechtern könne.

 

Die Geschichte zeigt uns, dass Mordechai Recht hatte. Die liberalen Juden nahmen an den Festlichkeiten teil und speisten voller Genuss von dem Mahl, das Haman vorbereitete hatte. Dies schwor den göttlichen Zorn herauf und es wurde ein Dekret zur Vernichtung der Juden erlassen, Gott bewahre.

 

Purim ist unser Fest, in dem wir dem Wunder der Aufhebung des Dekretes und somit die Errettung gedenken. Unsere Feinde fielen damals in das Loch, dass sie für uns gegraben hatten.

 

Am Purim-Fest sollten auch Nichtjuden eine festliche Mahlzeit zelebrieren, als Zeichen des Dankes, wobei man sich beim Schöpfer dafür bedankt, dass es der Grausamkeit nicht gelungen ist, das Volk, welches den Glauben an den Schöpfer in der Welt verbreitet, zu vernichten. Außerdem können sich Freunde gegenseitig essbare Geschenke machen (Mischloach Manot) und auch Werke der Nächstenliebe tun: Geschenke den Armen geben (Matanot Laewjonim).

 

Sie sehen also, es gibt wirklich nichts Neues unter der Sonne. Premierminister Netanjahu ist nicht Mordechai, aber als demokratisch gewählter Premier des Staates Israel ist es seine heilige Pflicht, alles in seiner Macht stehende zu tun, um sein Heimatland zu schützen. Wenn er nach Washington fliegt, wird er unseren Segen erhalten.

 

Herr Premierminister, möge Hashem, der Gott Israels mit Ihnen sein und Sie vor allem Übel bewahren! Amen!

 

Und Ihnen, liebe Leserinnen und Leser wünsche ich ein Happy Purim!

Ihr David Kraus

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