„Simchat Thora“ auf einen Blick

Zu den Psalmen, die Juden täglich im Morgengebet sprechen, gehört Psalm 147. Von der allgemeinen Fürsorge Gottes ist hier die Rede.

5 Min.

ORD Redaktion

gepostet auf 05.04.21

Der Psalm von König David, zu Simchat Thora: Psalm 147

 

 

Zu den Psalmen, die Juden täglich im Morgengebet sprechen, gehört Psalm 147. Von der allgemeinen Fürsorge Gottes ist hier die Rede. Rabbiner E. Munk bemerkt: „Auf die Gedanken der Schöpfermacht und der Allliebe  Gottes in immer neuen Wendungen zurückkommend, feiert der Sänger den besonderen Schutz und Beistand den Gott seinem Volk stets angedeihen lässt. Darum soll Israel unaufhörlich Gottes Ruhm singen.“
 
Sowohl im Siddur „Awodat Israel“ als auch im Siddur „Bet Jaakov“ wird Psalm 147 Simchat Thora zugeordnet. Was mag diese Wahl bestimmt haben? F. Melzer meint, es seien die letzten zwei Verse gewesen: „Er verkündet seine Worte Jakob, seine Satzungen und Rechte Israel. So hat er keinem Volke getan,  und Rechtsordnungen kennen sie nicht. Hallaluja!“ Für den Tag der Freude am Gesetz, an dem wir die jährliche Thora-Lesung beenden, wurde ein Psalm ausgewählt, der die Offenbarung des Gesetzes an das Volk Israel am Berg Sinai in Erinnerung bringt. Zum Ausdruck „Er verkündet“ (im Präsenz) merkt A. Chacham an: „In jeder Generation verkündet Gott seine Worte Jakob, und zwar durch  Propheten und  Thora-Lehrer.“
 
Rabbiner Hirsch schreibt in seinem Kommentar zu unserem Psalm, das ganze Weltall sei von Gottes Gesetz getragen:
 
„Nur das ist des Menschen Hoheit, dass das Gottesgesetz, das in allen übrigen Wesen mit zwingender Nötigung waltet, an den zu dessen Vernehmung mit Vernunft begabten Menschen zum Ausspruch kam, auf dass er es frei als das Gesetz seiner Bestimmung aufnehme, mit freiem Gehorsam es erfülle, und so mit gehobenem Haupt als der  freie Diener des Gesetzes  seines Schöpfers und Herrn sich bewähre, dem alle übrigen Wesen auf Erden in unbewusstem, unfreiem Zug folgen.“
 
Irgendwann nach dem 11. Jahrhundert wurde Schmini Atzeret auch als Simchat Thora bekannt, das Thorafreudenfest. In der Diaspora hat nur der zweite Tag von Schmini Atzeret diesen Namen.
 
Obwohl der Name in der talmudischen Zeit unbekannt war, wurde doch festgesetzt, an diesem Tag den letzten Abschnitt der Thora, Deuteronomium 33-34 zu lesen. Aus dieser Praxis erwuchs langsam eine neue Tradition eines Freudenfestes, das das Ende eines Thorazyklus charakterisiert.
 
Die Basis dieser Feierlichkeiten findet sich im Midrasch, der beschreibt, wie Salomon ein Fest feierte, nachdem ihm seine Weisheit verliehen wurde.
 
Rabbi Eleazar sagte:
 
„Daher leiten wir ab, eine Feier zu veranstalten, um den Abschluss der Thora zu kennzeichnen, denn Gott sagte zu Salomon: 'Ich gab dir ein weises und verständiges Herz wie niemandem vor oder nach dir.' Er gab sofort ein Fest für alle seine Diener, um dieses Ereignis zu feiern. So ist es nur passend, zu feiern, wenn die Thoralesungen abgeschlossen werden.“
 
 
ENTWICKLUNG
 
Die Tradition des Feierns zu Ehren des Abschlusses der Thoralesung entstand im neunten und zehnten Jahrhundert, zur Zeit der Geonim. Der Name Simchat Thora wurde erst später gebräuchlich.
 
Der Brauch des Lesens des letzten Kapitels der Thora wurde im Talmud festgesetzt, aber die folgende Lesung des ersten Kapitels aus Genesis wurde erst nach dem 12. Jahrhundert eingeführt. Die Gründe dieser zusätzlichen Lesung waren:
 
  • Um zu zeigen: "So wie wir ausgezeichnet wurden, Zeuge ihres Abschlusses zu sein, so seien wir auch Zeugen ihres Beginnes".
  • Um Satan davon abzuhalten, Israel zu beschuldigen, es freue sich, die Thora fertig gelesen zu haben, kümmere sich aber nicht, sie von neuem zu beginnen.

 

Ursprünglich war es Brauch, dass derselbe, der den Schluss von Deuteronomium las, Bereschit aus dem Gedächtnis rezitierte, um zu vermeiden, "zwei Thorarollen für einen Vorleser" herauszunehmen.
 
Danach entwickelte sich der Brauch, zwei verschiedene Personen aufzurufen, eine für den Schluss und eine für den Anfang. So konnten auch zwei Rollen benutzt werden.
 
 
DIE EHRE
 
Jede dieser Alijot (Aufrufe zur Thora) werden als große Ehre betrachtet.
 
Die auf diese Weise Ausgezeichneten werden "Chatanim" – "Bräutigame (des Gesetzes)" – genannt. Derjenige, der für den Schluss von Deuteronomium aufgerufen wird, heißt "Chatan Thora" – "Bräutigam der Thora". Der zweite wird "Chatan Bereschit" – Bräutigam der Genesis" – genannt.
 
Von beiden wird erwartet, daß sie ein festliches Mahl spenden.
 
 
HAKKAFOT
 
Das am meisten mit Simchat Thora verbundene Zeremoniell sind die Hakkafot, rituelle Prozessionen.
 
Zu Simchat Thora werden alle Thorarollen aus dem Schrein genommen und in sieben Umkreisungen um die Bima getragen. Dies findet während des Abendgottesdienstes statt, aber auch vor den Lesungen am Morgen.
 
Chassidische Tradition ist es, diese Prozession auch am Vorabend von Schmini Atzeret durchzuführen, wie es in Israel der Fall ist.
 
 
Ursprung
 
Obwohl der Brauch der Hakkafot zu Simchat Thora erst im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts in Safed entstand, geht die Praxis der Hakkafot viel weiter zurück.
 
Prozessionen werden bereits in der Bibel erwähnt, zum Beispiel bei der Eroberung von Jericho durch Josua. Jericho wurde sieben Mal umkreist, sechs Tage lang einmal, am siebenten Tag sieben Mal.
 
Der Lulaw wurde zu Sukkot um den Altar im Tempel getragen. Von daher stammt die Tradition der Umzüge mit Lulaw und Etrog in der Synagoge.
 
Auch bei traditionellen Hochzeitsfeiern ist der Brauch der Hakkafot vorhanden. Am Beginn der Zeremonie umkreist die Braut den Bräutigam sieben Mal.
 
 
Singen und Tanzen
 
Zusätzlich vereint sich die Gemeinde im Gesang, der vor allem aus Bibelversen und Gebeten besteht.
 
In vielen Synagogen ist es üblich, einen Kreis zu bilden und gemeinsam zu tanzen. Auch jene, die eine Thorarolle tragen, beteiligen sich.
 
Dieses Singen und Tanzen kann viele Stunden dauern und wird oft auch auf die Straße ausgeweitet. Wirbelnde Körper, stampfende Füße und akrobatische Darbietungen bieten eine freudige Szene.
 
Kleine Kinder tragen Fähnchen oder Miniaturrollen und folgen so der Prozession.
 
 
KINDERSEGEN
 
Da sich so viele Kinder an der Prozession beteiligen, wurde es auch Brauch, sie in die folgende Thoralesung einzubeziehen.
 
Obwohl ein Kind unter dreizehn Jahren nicht zur Thora aufgerufen wird, hat sich zu Simchat Thora die Tradition des "Kol HaNe'arim" – "alle Kinder" – entwickelt. Alle Kinder einer Gemeinde werden gemeinsam zur Thora aufgerufen, sie erhalten eine gemeinsame Alijah.
 
Über die Gruppe wird ein Tallit gebreitet, der Segen, geleitet von einem Erwachsenen, wird gesprochen.
 
Am Schluss der Lesung rezitiert die Gemeinde Jakobs Segen für Ephraim und Menasse, als speziellen Segen für die Kinder:
 
Der Engel, der mich erlöset hat aus allem Übel segne die Knaben, und genannt werde an ihnen mein Name und der Name meiner Väter Abraham und Jitzchak, und sie mögen sich mehren zur Menge im Lande.
(Genesis 48,16)
 
 
SIMCHAT THORA IN ISRAEL
 
In Jerusalem ist es am Morgen von Simchat Thora Brauch, gemeinsam in einer Prozession, singend und tanzend zur Westmauer zu ziehen.
 
Die Thorarollen werden unter einem Baldachin getragen. Der ursprüngliche Brauch der Hakkafot am Ende von Simchat Thora inspirierte Israel, die Simacht Thora feiern bis in die Nacht nach dem Fest auszudehnen.
 
Auch die Regierungsmitglieder und die beiden Oberrabbiner beteiligen sich. Die verschiedenen jüdischen Gemeinden zeigen ihre verschiedenen Bräuche: Chassidim, Jemeniten, Juden aus Buchara, Sabras sind für die Prozessionen verantwortlich, die oft in der Nationaltracht und mit den traditionellen Melodien ausgeführt werden.
 
Einst war Simchat Thora auch der Augenblick der Identifikation mit den Juden der Sowjetunion, die in Moskau, Leningrad oder anderen Städten ihre Feiern abhielten.
 
Auch an den israelischen Armeestützpunkten finden Hakkafot statt. Sogar Soldaten an den Frontlinien nahmen teil. Im Jom Kippur Krieg, der bis nach Sukkot dauerte, filmten Fernsehteams Szenen mit dem israelischen Oberrabbiner Schlomo Goren, der Stützpunkte besuchte. Er brachte eine kleine Thorarolle mit sich und die Männer schlossen sich singend und tanzend der Prozession an.
 
 
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