Gute Eigenschaften

Nach den Worten der Weisen geht die gute Sitte der Tora voraus und kommt die Menschlichkeit vor der Heiligkeit ...

4 Min.

Joel Schwarz

gepostet auf 17.03.21

Nach den Worten der Weisen geht die gute Sitte der Tora voraus und kommt die Menschlichkeit vor der Heiligkeit. So sehr das gute Verhalten die Grundlage ist für alles andere, braucht der Mensch doch gewisse geistige Werkzeuge, durch die er sich gute Eigenschaften erwerben kann.
 
Grundlegendes kommt im folgenden Spruch der Väter zum Ausdruck:
 
„Eifersucht, Begierde und Ehrsucht bringen den Menschen aus der Welt“ (4, 21)
 
Zunächst einmal werden die menschlichen Triebe durchaus positiv gesehen. Sie sind dazu da, den Menschen überhaupt zu einer Tätigkeit zu bewegen. Die rabbinischen Weisen knüpfen an 1. Mose 1, 31 folgende Auslegung: „Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut! – sehr gut: dies bezieht auch den bösen Trieb ein; denn ohne den bösen Trieb würde der Mensch nicht heiraten, Kinder zeugen, ein Haus bauen oder einen Weinberg pflanzen, wie der Prediger Salomo sagt (Pred. 4, 4): „Ich sah alles Mühen an und alles geschickte Tun: da ist nur Eifersucht des einen auf den anderen.“ (Bereschit Rabba 9). Es sind die Triebe, die zur Werktüchtigkeit führen. Allerdings hat dies alles nur seine Berechtigung, solange der Mensch sich zügelt und alles wahrhaftig abwägt, was er tut. Andernfalls zerstört er sich und die Gesellschaft.
 
Die Eifersucht bringe den Menschen aus der Welt, sagten die Weisen Israels. Es gibt zum einen den Eifer der Gelehrten, der zu tieferer Einsicht und Erkenntnis führt; jemand sieht Menschen, die nützliche Dinge vollbringen, und dies mag ihn dann dazu führen, ihnen nachzueifern. Eifersucht kann sich aber auch darin zeigen, dass jemand Menschen hasst, die erfolgreicher sind als er, und er darum versucht, ihnen zu schaden. Es muss daher neben die Kraft der Eifersucht auch die Eigenschaft der Genügsamkeit treten, die sich mit dem Vorfindlichen zufrieden gibt.
 
Die Begierde bringe den Menschen aus der Welt, sagten die Weisen Israels. Die Begierde muss beherrscht und gezügelt werden, sowohl das geschlechtliche Verlangen als auch die Lust am Besitzen. Über den Geschlechtstrieb heißt es im Talmud: „Ein kleines Glied gibt es am Menschen, das ihn sättigt durch Hunger und hungrig macht durch Sättigung.“ Dies wird im Kommentar des Nachmanides zur Tora ausführlich erklärt. Er bezieht die Worte aus Dtn. 29, 18 – „damit die Sättigung den Durst mehre“ (Zunz) auf die gesättigte Seele des Menschen, die nach nichts Lust verspüre, was ihr nicht bekommen würde: „Wenn in diesem Zustand auch nur ein wenig Lust aufkommt und der Mensch dieser Lust folgt, so vermehrt er nur die Lust seiner Seele. Sie wird ein starkes Bedürfnis nach der Sache empfinden, derer nun der Mensch mehr bedarf als vorher oder die er in vermehrtem Maße tun muss. Der Mensch wird Lust auf weitere üble Dinge bekommen, die er vorher nicht begehrte. Denn wer sich schändlichem Umgang mit schönen Frauen hingibt, in dem wird dann auch die Lust auf homosexuellen Verkehr und Sodomie und alle weiteren Begierden aufkommen. Hierauf bezieht sich jener Ausspruch der Weisen, dass man sich sättige durch Hunger und hungrig werde durch Sättigung. Wer seiner Willkür folgt, füllt seine Seele mit Begierden, die über ihn Macht gewinnen; er vermehrt den Durst seiner gesättigten Seele, denn er wird begehren und Durst haben auf etwas, von dem seine Seele bereits satt war.“
 
Es ist der rechte Weg für den Menschen zu heiraten, Kinder zu zeugen und sein Leben im Rahmen der Familie zu führen. So nützt er sich selbst und dem gesellschaftlichen Leben. Die Ehe ist dazu da, Kinder hervorzubringen und die Partner miteinander zu verbinden; ihr erster Zweck ist nicht der bloße Lustgewinn. Wenn der Mensch in dieser Richtung denkt, wird die Einrichtung der Ehe ihre Kraft entfalten und sich als Hilfe zur geistigen Vervollkommnung erweisen. So wird der starke Trieb der Begehrlichkeit den Menschen nicht um diese und um die kommende Welt bringen können.
 
Die Ehrsucht bringe den Menschen aus der Welt, sagten die Weisen Israels. Wenn ein Mensch nach Macht und Berühmtheit strebt, so bringt ihn dies nur ins Unglück. Er entfernt sich von seiner geistigen Vollkommenheit durch den Stolz, von dem es heißt: „Ein stolzes Herz ist dem HERRN ein Greuel“ (Spr. 16, 5). Der Stolze hat sich von der Verbindung mit Gott getrennt, denn er will, dass ein ganzes Geschick in seinen eigenen Händen liege. Er will sich vor niemandem beugen, auch nicht vor dem Schöpfer der Welt. „Ich und sonst keiner!“, das scheint sein Wahlspruch zu sein. Er wird andere Menschen überfahren und so nicht mehr erträglich sein selbst für die eigenen Hausgenossen. Dagegen wird der Vorzug der gottzugehörigen Menschen in der völligen Verzichtsbereitschaft liegen; der Talmud sagt: „Wer beleidigt wird und nicht wieder beleidigt, wer Übles anhören muss und nicht solches erwidert, wer aus Liebe handelt und Bedrängte erfreut – denen gilt der Schriftvers: „Die den HERRN liebhaben, sollen sein, wie die Sonne aufgeht in ihrer Pracht!“ Ri. 5, 31. (Bab.Tal. Yoma 23 a)
 
Eine wichtige grundlegende Eigenschaft des Menschen ist die Dankbarkeit gegen jedermann. In der Tora wird Israel geboten, auch Ägypten gegenüber dankbar zu sein: „Den Ägypter sollst du nicht verabscheuen, denn du bist ein Fremdling in seinem Land gewesen“ (5. Mose 23, 8), d.h. du hast bei ihm Zuflucht gefunden in der Zeit der Not.
 
Entsprechend entschied einer der großen Toralehrer, der Gaon Rabbi Mosche Feinstein, dass es für jeden Menschen Pflicht sei, Vater und Mutter zu ehren. Auch wenn die Tora Israels dieses Gebot nicht ausdrücklich für die Völkerwelt verbindlich macht, so geht es hierbei doch um etwas, was aus dem Verbot der Undankbarkeit hervorgeht und als solches eine allgemein gültige Pflicht darstellt. Denn jeder Mensch hat sich vor ungehörigen Eigenschaften zu hüten.
 
Es ist geboten, sich soweit als möglich dem Schöpfer der Welt anzugleichen. „Das ist mein Gott, ich will ihn preisen“ (2. Mose 15, 2) deuteten die Weisen so: „Ich bemühe mich, ihm ähnlich zu sein; worin er barmherzig ist, will auch ich barmherzig sein; worin er gnädig ist, sollst auch du gnädig sein – und so für alle weiteren guten Eigenschaften.“
 
Die Gebote der Sittlichkeit und der Aneignung guter Eigenschaften sind zusammengefasst im Verbot der Unzucht und im Verbot des Essens vom Lebendigen, wobei letzteres die Eigenschaft der Grausamkeit betrifft.
 
Die sieben Grundgebote für die Nachkommen Noahs, also für das gesamte Menschengeschlecht, seien hier noch einmal im Überblick genannt:
 

  1. Das Verbot des Götzendienstes
  2. Das Verbot der Unzucht
  3. Das Verbot der Tötung von Menschenleben
  4. Das Verbot eines Gliedes vom lebenden Tier
  5. Das Verbot der Gotteslästerung
  6. Das Verbot des Diebstahls
  7. Das Gebot der Rechtspflege

 
Diesen Grundregeln wurden noch weitere Gebote hinzugefügt, die zum Teil unbedingt verbindlich sind, zum Teil von den Noachiten zusätzlich übernommen wurden.

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