Jiddisch

Wo immer sich Juden für längere Zeit in der Diaspora niederließen, entstanden ,,Judensprachen“...

3 Min.

Daniel Schmidt, Kristian Kunz, Jana Zerche

gepostet auf 05.04.21

Wo immer sich Juden für längere Zeit in der Diaspora niederließen, entstanden ,,Judensprachen“. Diese waren eine Mischung aus der Sprache der jeweiligen Umwelt und den traditionellen jüdischen Sprachen Hebräisch und Aramäisch. Die beiden wichtigsten Judensprachen waren das Judäospanische (Ladino) und das Jüdisch – Deutsche (Jiddisch).

Jiddisch entstand im mittelhochdeutschen Sprachraum, wo Juden seit dem 9.Jh. nachgewiesen sind, und fand vor allem in Osteuropa als Umgangssprache Verbreitung. Hier entwickelte es sich weiter; es wurde die Alltagssprache des Schtetl.

Seit Ende des 13.Jh. wurde Jiddisch auch zur Literatursprache. Im 19.Jh. haben vor allem zwei Bewegungen die Herausbildung einer modernen jiddischen Literatursprache gefördert: der Chassidismus und die Haskala (innerjüdische Aufklärung). Der Chassidismus verhalf der Volksliteratur zu einer neuen Blüte, während die Aufklärer Texte veröffentlichten, in denen sie Kritik an den bestehenden Verhältnissen im Schtetl übten. Viel lieber hätten sie in der ,,reinen“ jüdischen Sprache ,dem Hebräischem, geschrieben, doch hätten sie damit die breiten Volksmassen einschließlich der Frauen nicht erreicht. So griffen sie zunächst aus pragmatischen Gründen aufs Jiddische zurück.

Als Väter der modernen jüdischen Literatur gelten Mendele Mocher Sforim (1835 – 1917), Isaak Leib Perez (1851 – 1915) und Scholem Aleichem (Pseudonym für Schalom Rabbinowitsch, 1859 – 1916).

Überzeugt von den Ideen der Aufklärung schrieb Mocher Sforim ursprünglich in Hebräisch. In der Absicht, ein breites Publikum zu erreichen, wandte er sich aber bald dem Jiddischen zu. Der nachfolgenden Schriftstellergeneration galt er als der Schöpfer und Begründer der neueren jiddischen Literatur; sie bezeichneten ihn liebevoll als ihren Seide (Großvater).

Perez begann in den 80er Jahren unter dem Einfluss grausamer Pogrome nach der Ermordung des Zaren Alexander II. (1881) auf Jiddisch zu schreiben. Ab 1891 gab er die Jiddische Bibliothek heraus, in der neben der jiddischen Literatur auch populärwissenschaftliche Texte zum Zweck der Volksbildung erschienen. Er war Mitarbeiter vieler jiddischen Zeitungen und Journale und bemühte sich um das jiddische Theater. Zu seinen bedeutendsten Werken gehören die Erzählbände „Volkstümliche Geschichten“ und „Chassidische Erzählungen“. Auf der Konferenz der Jiddischisten in Czernowitz (1908), bei der es darum ging, die jiddische Literatur als zeitgemäßes, ernstzunehmendes Schrifttum bewusst zu machen, war Perez einer der Wortführer. Bei seinem Begräbnis sollen sich 100 000 Trauernde versammelt haben.

Auch Aleichem wandte sich in der Hoffnung , die Volksmassen mit Geschichten erziehen zu können, der jiddischen Sprache zu. Er beschrieb den Typ des ewig Scheiternden, der doch immer wieder Hoffnung schöpft und sich bemüht, mit Humor seinen oft traurigen Alltag zu bewältigen. Im Roman „Tewje, der Milchmann“ (1894) hat er diesen Typ verewigt. Tewjes Geschichten wurden zur Vorlage des Musicals „Fiddler on the Roof“ („Anatevka“), das 1964 mit großem Erfolg am Broadway vorgestellt wurde und seither auf den Bühnen der ganzen Welt gespielt wird.

Für die weniger gebildeten Männer, vor allem aber für die Frauen, die nur am Rande in das traditionelle Bildungssystem einbezogen waren und die Sprache der Gebildeten, das Hebräische, nicht beherrschten, entstand eine umfangreiche Literatur in ,,Weiberdeutsch“ – wie das Jiddische nicht selten abfällig genannt wurde. Ein Beispiel dafür ist die „Zenne Renne“, eine Sammlung von volkstümlichen, frei ausgeschmückten Bibelübertragungen, die mit Erläuterungen versehen sind. In den Jahrhunderten war die „Zenne Renne“ das grundlegende Erziehungs- und Bildungsbuch der jüdischen Frau. Etwa um die gleiche Zeit entstanden die Tchines (von techinna, ,,Flehen“), persönliche Bittgebete für die Frauen, die in einem gefühlsbetonten Stil verfasst waren und der Erbauung dienten. Einige wurden sogar von Frauen geschrieben, ein Phänomen, das in der religiösen Literatur nicht häufig war.

Ein jiddischer Text ganz besonderer Art sind die Memoiren der Glückel von Hameln (1646 – 1724), einer selbstbewussten Tochter aus reicher Hamburger Familie, Ehefrau, Mutter von 12 Kindern und Geschäftsfrau. In ihren Erinnerungen, die sie für ihre Kinder schrieb, spiegelt sich das Alltagsleben der begüterten jüdischen Kreise in Norddeutschland Ende des 17. und Anfang des 18. Jh. wider. 

Noch vor dem Zweiten Weltkrieg war das Jiddische weltweit die Muttersprache von etwa 12 Mio. Menschen. Während des Krieges wurde die jiddische Sprache und Literatur mit ihren Autoren und Lesern in Mittel – und Osteuropa vernichtet. Viele wanderten aber auch aus. Unter den eingewanderten Autoren bildete sich bald eine rege Literaturszene heraus. Schriftsteller wie Isaac Bashevis Singer, sein älterer Bruder Israel Joshua Singer, Scholem Asch u.a. erwiesen sich als bedeutende Erzähler, die durch Übersetzungen in europäische Sprachen auch viele Leser in nichtjüdischen Kreisen gefunden haben. Mit der Verleihung des Literatur – Nobelpreises an Isaac Bashevis Singer im Jahr 1978 wurde die gesamte jiddische Literatur geehrt. 

Die Autoren verfassten diesen Artikel für das Jüdische Geschichte und Kultur Projekt vom Lessing-Gymnasium Döbeln.
 

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