Schnupftabak

STOP! Ich Wette du lachst dir schön ins Fäustchen!! Dieses „Wünsch dir was Modell“, ist bislang einfach nur realitätsfremd.

5 Min.

Rabbiner David Kraus

gepostet auf 05.04.21

Es geht auch anders!
 
Hallo,  und herzlich willkommen im Multikulti-Zeitalter! Ja, wir leben definitiv in einer Multikulti-Generation. Das Modell des Multikulturalismus beruht auf der Annahme, dass die (Angehörigen der) jeweiligen Ethnien sich gegenseitig Verständnis, Respekt und Toleranz entgegenbringen – aber insbesondere auch, einander als gleichberechtigt ansehen können …
 
STOP! Lese meine einleitenden Worte bitte erneut …
 
Und jetzt!? Ich Wette du lachst dir schön ins Fäustchen, da dieses „Wünsch dir was Modell“, bislang einfach nur realitätsfremd ist.
 
Hand aufs Herz!
 
Das Verhaltensmuster der ganzen Welt ist geprägt von der Heuchelei, nach dem Motto: „Wenn du mir gibst, dann gebe ich dir.“ Des Weiteren sind Schauspielereien an der Tagesordnung. Die Schauspieler versprechen sich, mit ihrem verlogenen Verhalten Respekt, Hochachtung, Führung, Geld und so weiter! Mit anderen Worten, „TV Total“ und alle anderen Fernsehsendungen deren inhaltlichen Ausstrahlungsthemen sich auf „Leute in die Pfanne hauen“ spezialisieren, befinden sich im Boom der Einschaltquoten. Ich kann mit Bestenwillen am Verhaltensmuster der ganzen Welt nichts von gegenseitigen Verständnis, Respekt und Toleranz entgegenbringen erkennen; ja und was einander als gleichberechtigt anzusehen betrifft, das erkenne ich gleich dreimal nicht …
 
Wer tatsächlich auf Multikulturalismus setzt, muss ohne jegliche „Show-Einlagen“ beginnen zu beherzigen, dass Menschen tatsächlich nicht alle gleich sind, jeder deshalb auch seine Sicht der Dinge hat. Und eben jene unterschiedlichen Auffassungen und Lebensweisen gilt es unter einen Hut zu bringen, in das Haus der Liebe!!! Die Thora sagt: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“, das steht nicht einfach nur so da! Liebe deinen Nächsten so, wie du dich selbst mit all deinen Fehlern und Unzulänglichkeiten und Verrücktheiten liebst und dich sogar auch gerade deswegen „Klasse“ findest! Anstatt übereinander zu reden, sollte man miteinander sprechen. Anstelle eines übereinander Herfallens, benötigt diese Welt ein Miteinander! Hass schüren ist einfach, Schuld zuweisend mit dem Finger auf jemanden zeigen auch! Wenn man einen Finger auf andere richtet muss man wissen, drei Finger zeigen auf einen selbst zurück: wie verhalte ich mich meiner Frau gegenüber, zu meinen Freunden, meinen Eltern – ist bei mir selbst alles in Ordnung??? Bevor ich mich um den Dreck andere kümmere, sollte ich lieber den Schmutz vor meiner eigenen Tür beseitigen; und wenn mir das gelungen sein sollte, habe ich immer noch genügend damit zu tun, nicht in alte Gewohnheiten zurückzufallen.

Einer meiner geliebten Schüler aus Wien, Edi Abramov, sandte mir vor einiger Zeit folgende Geschichte zu, aus der wir endlich beginnen sollten zu lernen, was es bedeutet: sich gegenseitig Verständnis, Respekt und Toleranz entgegenzubringen.
 


  
 

Armut
 
In der ukrainischen Stadt Zhitomir lebte ein Mann namens Hirsch Ber. Seine Geschäfte waren nicht sonderlich erfolgreich, alle seine Versuche etwas Neues anzufangen, schlugen immer fehl. Demzufolge war er ziemlich arm, er wurde von den Gemeindemitgliedern nicht sonderlich respektiert und sogar seine eigene Frau erlaubte sich hin und wieder, ihn zu verspotten.

Es war kurz vor Jom Kippur, als alle jüdischen Familien der Stadt gerade die Seudah Hamafseket – die letzte große Mahlzeit vor dem Fastenbeginn – einnahmen. Doch Hirsch Ber kam wieder mit leeren Händen nach Hause, worauf seine Frau sehr ungehalten reagierte und ihn sogar aus der Wohnung schmiss, ohne ihm eine Kleinigkeit zum Essen zu geben. Die Suppenküche der Gemeinde war schon geschlossen, und es wurde Hirsch Ber klar, dass er sich dem Fasttag hingeben musste, ohne etwas Vernünftiges im Magen zu haben.

Er ging in die Synagoge, wo sich langsam die Gläubigen zum Abendgebet versammelten. Er nahm seinen Platz in der letzten Reihe ein und beobachtete betrübt, wie die anderen das Tfila Zaka (ein persönliches Gebet, das vor dem Abendgebet am Jom Kippur gesagt wird) sprachen, in der Hoffnung, seinen Hunger vergessen zu können.

Doch plötzlich bemerkte er zu seiner Freude Reb Baruch. Reb Baruch war einer der wohlhabenden Gemeindemitglieder und hatte immer eine Schachtel Schnupftabak dabei. Dieser Tabak könne ihm den Tag wenigstens ein bisschen versüßen, dachte sich Hirsch Ber. Langsam, mit dem Kopf gesenkt und völlig schüchtern, bewegte er  sich daher von seinem Platz in der hintersten Reihe ganz nach vorne, wo die wichtigsten Gemeindemitglieder saßen. Er legte seine Hand auf Reb Baruchs Schulter und fragte verunsichert: »Reb Baruch, ein bisschen Tabak vielleicht?«. Dieser war aber empört, wer konnte denn nur so frech sein und ihn bei seinem Gebet stören? Als er sich umdrehte, sah er den kleinen, schmächtigen Hirsch Ber, den Schnorrer aus der letzten Reihe. Die ganze Synagoge hörte plötzlich seinen Schrei: »Hirsch Ber, doch nicht während der Tfila Zaka«. Beschämt, gekränkt und mit rotem Kopf begab sich Hirsch Ber zurück in die letzte Reihe und vertiefte sich weinend in sein Gebet: „Lieber Gott, bin ich denn wirklich nichts Wert, nicht einmal ein bisschen Tabak?“ Sein Flehen wurde durch das himmlische Gericht erhört. Es wurde beschlossen, Reb Baruch wegen seines Verhaltens zu bestrafen. Er sollte im neuen Jahr sein ganzes Geld verlieren und Hirsch Ber sollte ein reicher Mann werden.
 
Bereits am Tag nach Jom Kippur kam ein wohlhabender Verwandter von Hirsch Ber nach Zhitomir und lieh ihm eine ziemlich große Summe. Der eröffnete einen Laden und war später damit recht erfolgreich. Dass versetzte ihn in die Lage, seine Schulden zu begleichen. Hirsch Ber war nach ein paar Monaten zu einem wohlhabenden Mann aufgestiegen. Hingegen liefen die Geschäfte von Reb Baruch immer schlechter. Und er verstand, dass es einen bestimmen Grund geben muss, dass er plötzlich so tief herabgesunken ist. Er befasste sich stundenlang mit diesem Problem, jedoch ohne Erfolg. Da er sich nicht mehr weiterzuhelfen wusste, suchte er den Rat des Rabbiners.  Der versuchte, die Taten von Reb Baruch zu analysieren, konnte jedoch nichts finden, was so eine hohe Bestrafung rechtfertigen würde. Ganz nebenbei bemerkte Reb Baruch dann, dass sich parallel zu seinen finanziellen Abstieg die Geschäfte von Hirsch Ber so prächtig entwickelt hätten. Rav Levi Yitzchak fragte, ob er sich an irgendein Ereignis erinnern könne, welches beide gemeinsam betraf. Dann berichtete Reb Baruch von der in seinen Augen so „unbedeutenden“ Geschichte in der Synagoge.
 
„Das ist es“, rief Rav Levi Yitzchak, „Du hast deinen Nächsten beschämt, das hat deinen wirtschaftlichen Niedergang bewirkt!“. Reb Baruch fragte sofort, ob er was dagegen tun könne. Rav Levi Yitzchak erwiderte daraufhin ironisch, dass es nur eine Möglichkeit gäbe, nämlich den mittlerweile vermögenden Hirsch Ber auch nach etwas Tabak zu fragen mit der Hoffnung, von ihm auch eine Absage zu bekommen. Erst dann könnte Reb Baruch einen Anspruch gegenüber Gott haben, das Urteil gegen ihn wieder rückgängig zu machen.
 
Unterdessen vergingen die Jahre, und fast keiner erinnerte sich noch an die einflussreichen Zeiten des Reb Baruch. Jetzt war er es, der in Armut lebte. Hirsch Ber hingegen zählte mittlerweile zu den angesehensten Mitgliedern der Gemeinde. Als seine Tochter dann 18 Jahre alt wurde, bekam die Familie einen Heiratsantrag vom Sohn des Rabbiners. Er fand Zustimmung und bald darauf sollte die größte Hochzeit stattfinden, die die Stadt Zhitomir jemals erlebt hat, alle Juden der Stadt wurden dazu eingeladen. Das war genau die Möglichkeit, auf die Reb Baruch so jahrelang gewartet hat.
 
Die Hochzeitszeremonie begann, Hirsch Ber stand unter dem Hochzeitsbaldachin (Chuppa) und war gerade dabei, dem Rabbiner die Ketuba (Heiratsvertrag) zu überreichen, als er plötzlich eine Hand auf seiner Schulter spürte. Er hörte eine leise Stimme: „Hirsch Ber, könnte ich vielleicht ein bisschen Tabak haben?“ Hirsch Ber drehte sich um und sah Reb Baruch, der aber nur darauf wartete, auch beschämt zu werden. Doch Hirsch Ber lächelte, legte die Ketuba beiseite, holte seinen Tabak aus seiner Tasche
und sagte: „Selbstverständlich, Reb Baruch, jederzeit.“  Es war wie ein Schlag, der Reb Baruch direkt ins Herz traf. Ihm wurde schwindlig und er fiel direkt unter der Chuppa in Ohnmacht.
 
Als er wieder zu sich kam, erklärte Reb Baruch dem Hirsch Ber die ganze Geschichte und sie entschlossen sich, am nächsten Tag wieder Reb Levi Yitzchak von Berditschew aufzusuchen. Der fragte Hirsch Ber, ob er bereit wäre, ein Teil seines Reichtums an Reb Baruch zu geben. Denn mittlerweile war allen klar, dass er den Wohlstand Reb Baruch zu verdanken hatte. So war er einverstanden, gab ihm die Hälfte seines Geldes, und beide lebten bis zum Ende ihrer Tage als große Unterstützer der Gemeinde und der Armen von Zhitomir.
 
Soweit die Geschichte, die deutlich macht, wie wichtig es ist, auf die Gefühle unserer Mitmenschen zu achten und sie keinesfalls zu beschämen.

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1. Batsheva

1/08/2012

Schnupftabak zu Verständnis, Respekt und Toleranz B''H ein sehr berührender Artikel, der alle betrifft, die sich betroffen sehen. Verständnis kommt von Verstehen und es gibt nur EINEN, der alles versteht, der uns mit SEINER Toleranz dort stehen lässt,wo wir gerade stehen, uns niemals nicht fallen lässt! Unser Verständnis und unsere Toleranz zu den Mitmenschen sollten wir IHM angleichen, wenn wir verstehen wollen, was Respekt bedeutet.

2. Batsheva

1/08/2012

B''H ein sehr berührender Artikel, der alle betrifft, die sich betroffen sehen. Verständnis kommt von Verstehen und es gibt nur EINEN, der alles versteht, der uns mit SEINER Toleranz dort stehen lässt,wo wir gerade stehen, uns niemals nicht fallen lässt! Unser Verständnis und unsere Toleranz zu den Mitmenschen sollten wir IHM angleichen, wenn wir verstehen wollen, was Respekt bedeutet.

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