Eine Würdigung von Rav Ovadia Josef

Vater der sephardischen Renaissance ..

4 Min.

Prof. Dr. Yizhak Ahren

gepostet auf 18.03.21

Vater der sephardischen Renaissance

 

Bekanntlich werden im Staat Israel stets zwei Oberrabbiner gewählt: ein sephardischer und ein aschkenasischer. Vor jeder Wahl werfen einige kluge Leute die Frage auf, ob nicht ein Oberrabbiner ausreicht. Die heftige Debatte endet am Tag der Amtseinführung der zwei neuen Oberrabbiner. Rav Ovadia Josef, der von 1973 bis 1983 das Amt des sephardischen Oberrabbiners versah, hat wie kaum ein anderer den Sinn der doppelten Spitze verdeutlicht. Jahrzehntelang hat er für die Eigenständigkeit der sephardischen Tradition gekämpft, und zwar mit einem beträchtlichem Erfolg.
 


 

Geboren wurde Rav Ovadia (so wurde er von allen genannt) 1920 in Bagdad, aber schon als Kind brachten ihn seine Eltern nach Israel. Seine hohe Begabung fiel früh auf. Es wird erzählt, dass sein Jeschiwa-Lehrer, Rabbiner Ezra Attia, dem Vater des Barmitzwa-Knaben vorschlug, er werde statt des Sohnes im Laden der Familie aushelfen.

Schon im Alter von 17 Jahren wurde Rav Ovadia aufgefordert, einen täglichen Halacha-Vortrag (Schiur) zu halten. Rav Ovadia hat schon  bei dieser Gelegenheit es gewagt, Kritik an halachischen Entscheidungen bekannter Autoren wie z.B. dem populären Werk "Ben Isch Chai" von Rabbiner Yosef Hayyim zu üben. Rav Ovadia kritisierte alle Abweichungen von den Positionen des sephardischen Rabbiners Yosef Karo, dem Verfasser des Kodexes "Schulchan Aruch". Nach Rav Ovadia sollten sephardische Juden weder erschwerende halachische Entscheidungen aschkenasischer Dezisoren (Poskim) übernehmen noch sich in ihrer religiösen Praxis von mystischen Lehren beeinflussen lassen. Dieses Programm hat Rav Ovadia unentwegt verfolgt.

Von 1947 bis 1950 wirkte Rav Ovadia in Kairo als Rabbiner, dann arbeitete er als Richter (Dayan) in Petach Tikwa, in Tel-Aviv und in Jerusalem. Im Laufe der Jahre hat er unzählige halachische Fragen beantwortet und seine wichtigsten Responsa in mehreren Bänden vorgelegt. Sein Hauptwerk hat Rav Ovadia (nach Psalm 19,3) "Jabia Omer" genannt, eine Sammlung von populären halachischen Erörterungen nannte er "Jechawe Daat" (ebenfalls nach Psalm 19,3); daneben hat er noch eine Reihe weiterer Bücher über religionsgesetzliche Themen veröffentlicht. Sein enormes Wissen – er zitiert Autoren aus allen Zeiten und Schulen – nimmt jeden Leser sofort gefangen.
 

Das erstaunlichste an der Person: „Ovadia Josef“, ist aus meiner Sicht aber, die Tatsache, dass es ihm gelang ein unumstrittenes Genie und ebenso ein herzlicher Mensch zu sein. Er hat vielen Menschen geholfen, indem er immer ermutigend und stärkend auf ihre Nöte einging.  Rabbiner David Kraus, veröffentliche am 8. Oktober 2013, also nachdem Tod Rav Ovadias, auf seiner Facebook-Seite folgendende Worte, die das Gesagte, als ein Bespiel unter vielen, bestätigen:

 

„Es gibt Tage im Leben, da will man lieber nicht aus dem Bett .. solch ein Tag ist für mich heute! Gestern verstarb nämlich mein Rabbi, Rabbiner Ovadia Josef.

Er war ein Mann der aus dem Nichts groß wurde, ein wahrhaftiger "Selfmade-Typus"! Das Interessante daran ist aber die Beobachtung, was ihn so groß werden ließ? Seine Liebe zur Tora und zur Menschheit! Nur das alleine hat ihn zu einem so wertvollen Mann gemacht und deshalb wundert es mich auch nicht, dass nur ihm alleine so eine gigantische Ehre bei seiner Beerdigung erwiesen wurde, eine Ehre die die Welt so noch nie sah .. 

Bei seiner Beerdigung in Jerusalem waren fast 1.000.000 Menschen voller Schmerz und Trauer anwesend .. die Hauptstadt Israels, war ein Meer der Tränen ..

Ich habe diesen Mann viel zu verdanken, vor allem mein Selbstbewusstsein! Denn wie ihr alle wisst, kann man mich nicht zu dem Typus der normalen ultra-orthodoxen Rabbiner einstufen, aber genau deshalb bekomme ich es andauernd mit starker Kritik zu tun, Kritik über die Art wie ich etwas vortrage und eben auch über meine manchmal direkte Wortwahl. Und immer wenn ich so eine Kritik erfuhr, ging ich damit sofort zu Rabbiner Ovadia Josef, er ermutigte mich immer und sagte: "wer dich kritisiert, kritisiert mich! Du machst das, was du tun musst, außerdem musst du mit deinen Worten Herzen erreichen, die Ohren gewisser Neider sind uns hier egal" Von ihm habe ich auch gelernt, das man manchmal gegen den Strom schwimmen muss, um an das Ziel zu kommen. Immer wenn ich ihm selbstbewusst meinen Kummer vortrug streichelte er mich, über mein Gesicht. Und wenn ich weinte, watsche er mich herzlich, mit der Rede, das ich genau so bin, wie ich es auch sein muss .. 

Rabbi Ovadia Josef – Ich werde dich vermissen!!! Du fehlst mir jetzt schon sehr!!!“
 

Sehr beeindruckend ist, wie konsequent und beharrlich Rav Ovadia seine Ziele verfolgt hat. Einerseits hebt er sich von der aschkenasischen Tradition ab – in erster Linie entscheidet er religiöse Fragen für sephardische Juden -, andererseits sucht er die unterschiedlichen Bräuche der marokkanischen, tunesischen, syrischen und irakischen Juden zu vereinheitlichen. Dass die Schaffung eines einheitlichen sephardischen Brauchtums auf Widerstände von diversen Landsmannschaften gestoßen ist, dürfte keinen verwundern. Aber Rav Ovadia hat sich von der geäußerten Kritik nie sonderlich beeindrucken lassen. Selbstbewusst und unbeirrbar ging er seinen religiösen Weg. Tatsache ist, dass das von ihm herausgegebene Gebetsbuch "Chason Ovadia" (mit seinen halachischen Anmerkungen) heute in fast allen sephardischen Synagogen zu finden ist.

Wer über Rav Ovadia schreibt, sollte zumindest den Inhalt von zwei Responsa erwähnen. Von großer Wichtigkeit war  sein Verdikt, dass die "Beta Israel" in Äthiopien als Juden anzuerkennen sind; diese Entscheidung hat mehr als 100 000 Menschen die Einwanderung nach Israel ermöglicht. In der Frage der Rückgabe von eroberten Gebieten hat Rav Ovadia eine klare Stellung bezogen: In seinen Augen hat die Rettung von Menschenleben Priorität vor dem Festhalten am Land. Über die Entscheidungen von Rav Ovadia hat Rabbiner Benjamin Lau eine materialreiche und solide Doktorarbeit geschrieben, die sehr lesenswert ist; jedenfalls ziert ein Empfehlungsbrief von Rav Ovadia dieses Buch.

Nach seiner Zeit als Oberrabbiner profilierte sich Rav Ovadia auch als Politiker; er gründete und leitete die Schas-Partei. Es ist überliefert, dass seine Ehefrau Margalit ihm vom Gang in die Politik abriet:"Bis jetzt hat man Dich geliebt und bewundert. Aber im politischen Alltag wird man Dich mit Dreck bewerfen und Dir sowie der ganzen Familie viel Kummer bereiten!" Der Meister soll geantwortet haben:"Margalit, wenn ich einst vor Gott stehen werde, wird Er von mir wissen wollen, was ich für das jüdische Volk getan habe. Was soll ich Ihm dann sagen? Dass ich lieber sauber geblieben bin?"

Sein Verantwortungsgefühl für die Weiterexistenz des jüdischen Volkes mag einige Ausrutscher bewirkt haben, die man dem großen Gelehrten des öfteren angekreidet hat; in Reden bediente er sich mitunter einer blumigen, nicht sehr feinen Sprache (um es fein zu sagen), um seinen Standpunkt unmissverständlich klar zu machen. Ohne Zweifel hat Rav Ovadia mehr als jeder andere für die Wiedererstarkung des sephardischen Judentums in unserer Zeit geleistet.

Es sei Gotteswille, dass wir alle noch miterleben werden, wie diese Prophetie Jesajas (25,8) in Erfüllung gehen wird: „Gott wird den Tod auf ewig verschlingen und der Ewige unser Gott wird jedem (herzlich) seine Tränen aus dem Gesicht wischen“ Amen
 

Klicken Sie hier, um das Video: "Abschied nehmen", von Rabbi David Kraus zu sehen.

 

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