Musik im Judentum

König David war bekannt für seine Liebe zur Musik. David war Psalmensänger, spielte Harfe und Geige. Er spielte und musizierte, um sein spirituelles Wachsen voranzutreiben.

6 Min.

Rabbiner David Kraus

gepostet auf 05.04.21

König David war bekannt für seine Liebe zur Musik. David war Psalmensänger, spielte Harfe und Geige. Er spielte und musizierte, um sein spirituelles Wachsen voranzutreiben. Der Sohn Davids bezeugte, dass durch das Harfenspiel Davids sogar seine Geige, die im Geigenkoffer verstaut war, zu leben begann, sich also an das Lied Davids anschloss.

 

Immer bei Mitternacht kam ein nördlicher Wind auf und begann auf der Geige Davids zu spielen. Wie aus dem Nichts übertrugen sich die Schwingungen des Windes auf sein Musikinstrument.

 

Die Geige hing über König Davids Kopf und spielte zu Mitternacht wundervolle Melodien, um König David zu zeigen, dass es nun Zeit ist, aufzustehen, schließlich war es ja Mitternacht – genau die Zeit, zu der wahre Zaddikim aufstehen, um eine direkte Beziehung zum Schöpfer zu erfahren. 

 

Hier lernen wir, dass selbst in der Nacht, wo es sehr dunkel, leise und man einsam ist, auch in dieser Zeit eine schöne Musik spielt.

 

Im Zohar heißt es, dass Davids Geige fünf Saiten (Eine Saite ist ein dünner Strang) hatte, entgegengesetzt den fünf Büchern Moses. Und der nördliche Wind ist der Wind, der in jedem Menschen verborgen liegt und im Herzen eines jeden Menschen befindet sich eine Geige mit vielen Saiten – den Seiten der Tora. Aber wenn kein Lebenswind, also keine Lebensfreude, keine Schwingungen im Menschen wehen, dann ist unsere Geige im Herzen nur ein statisches Musikinstrument ohne Leben und der Mensch fühlt sich deswegen schwach, kraftlos und wertet sein Leben als schlecht und nicht lebenswert.

 

Welche Bedeutung spricht das Judentum der Musik zu? Und in wie weit nimmt die Musik und Melodien Einfluss auf ein spirituelles Wachsen?

 

Die Kabbala lehrt uns, dass es vier Level im Gottesdienst gibt:

 

1. Das niedrigste Level ist die Aktion (Asi´a), also ein Handeln. 2. Über der Handlung steht die Rede (dibur), darüber stehen 3. die Gedanken (machschava) und über alldem steht 4. die Musik, der Niggun (die chassidische Melodie), also ein Play-back, das jeder singt oder eben musiziert.

 

Im Hebräischen gibt es keine Umlaute in Form von Buchstaben, sondern in Form von Punktion. Alle Torabücher sind deshalb punktiert und die Tora selbst hat auch Tagim, also Akkorde.

 

Und wie wir eben lernten, ist der Niggun (die chassidische Melodie)  über den Gedanken, was heißt, wenn jemand seine Gedanken reinigen möchte, dann muss er „besimha“ sein, also glücklich sein. Der Niggun kann das Innere eines Menschen reinigen – so, wie Rabbi Nachman aus Breslev sagte: „Ani nahar hametaer mikol haktamim.“ = „Ich bin ein Fluss, der alle Flecken reinwäscht.“

 

Rabbi Nachman meinte auch, dass es gut sei, wenn ein Mensch es sich zur Gewohnheit macht, mit dem Niggun zu gehen, denn der Niggun bringt Freude.

 

Das gilt insbesondere für das Gebet. Die Bedeutung des Niggun, des gesungenen Gebets, ist nach Rabbi Nachman nicht zu überschätzen. Es gebe ein vollständiges System von Niggunim, das dem Aufbau des Universums entspreche. Wer sich dem musikalischen Rhythmus anpassen kann, erzielt daraus großes Vergnügen. Wer monoton betet, also ohne eine Melodie betet, sein Gebet nicht singt, dann ist das natürlich auch gut, aber das ist nicht das Gelbe von Ei. Wer sein Gebet singt, dessen Gebet wird umso mehr von Gott erhört! Im Buch Likutey Mohran heißt es, dass das Gebet die Shechina ist. Die Shechina ist die spürbare Gottesgegenwart, so etwas wie Sonnenstrahlen die Menschen spüren können, obwohl die Sonne unantastbar ist. Der Niggun kleidet diese Shechina sozusagen mit schönen modischen Kleidern ein. Und wenn Gott dann die Shechina mit diesen schönen leuchtenden Kleidern sieht, nimmt Er sie an sich.

 

Der Niggun verbindet, deshalb gibt es auch für alles einen Niggun, auch einen Niggun im Lernen der Tora. Die hohen Feiertage haben ihren Niggun, alles hat seinen Niggun.

 

Musik hat einen unheimlich wichtigen Bestandteil im Judentum. So gibt es z.B. täglich die Smirot HaBoker, die Lieder am Morgen. Am Shabbat haben wir die Shabbatlieder. Am Shabbatausgang singen wir die Shabbatausgangslieder.

 

Im Tempel haben wir beobachten können, dass die einzige Aufgabe der Leviiten darin bestand, zu singen und zu musizieren. Musik ist etwas sehr Spirituelles.

 

Das Wunder in der Musik

 

Wenn wir uns mal genau ein Saiteninstrument ansehen, werden wir feststellen, dass es ein Wunder ist, dass solche herrlichen Klänge aus einem Saiteninstrument zu hören sind. Ein Saitenintrument besteht meist aus einem hölzernen Körper. Dazu die Saiten – ein dünner Strang aus Naturdarm, Pflanzenfasern, Draht, Kunststoff oder Tierhaar. Wenn der Mensch dieses Instrument spielt, dann treffen sich somit alle Geschöpfe Gottes, um Ihn musikalisch zu preisen.

 

Musik nimmt auch direkten Einfluss auf die spirituelle Verfassung eines Menschen. So heißt es im Talmud, dass der große Tanna, Rabbi Elischa ben Avuja, völlig vom Glauben abfiel und am Ende an gar nichts mehr glaubte. Der Talmud fragte, wie konnte ihm das passieren? Die Antwort: „Hellenistische Gesänge verließen seinen Mund nie (Semer Jewani lopasak mipume Chagia 15b)“ – Er sang und hörte also stets unreine Musik.

 

Musik kann einen Menschen aber vor allem auch motivieren, spirituell aufleben lassen – so, wie es heißt, dass der Messias (König David) sich uns offenbaren wird. Dann wird er mit seiner Geige spielen, eine Geige mit 72 Saiten (72 ist die Gematria vom hebräischen Wort „Chesed“ = Gnade, Wohlgunst, Liebe) 72 Saiten (!), das ist eine unglaubliche Zahl. In der Musikszene reden Insider von dem Traum, die achte Saite zu erleben. Heute gibt es ja nur sieben Saiten. Alles, was wir heute an Musik kennen, entspringt aus sieben Saiten. Es gibt so viel Musik, die nur mit sieben Saiten gespielt wird. „Was passiert dann erst, wenn die achte Saite hinzukommt?“ fragen sich Musikinsider. Und das Judentum sagt, dass der Messias mit 72 Saiten Musik spielen wird. Wenn der Messias beginnt, mit seiner Geige zu spielen, wird die Welt im positiven Rausch der Klänge zu Gott laufen wollen. Es waren einmal zwei Bauern, die nicht miteinander auskamen. Eine tiefe Schlucht trennte ihre beiden Höfe, aber als Zeichen der Abneigung, die sie gegeneinander hegten, baute jeder auf seiner Seite außerdem einen Zaun.

Doch dann lernte die Tochter des einen Bauern den Sohn des anderen kennen, und die beiden verliebten sich ineinander. Sie beschlossen, dass die Verbohrtheit ihrer Väter sie nicht trennen dürfe, und rissen die Zäune nieder. Dann nahmen sie das Holz der Zäune und bauten eine Brücke über die Schlucht.

 

Wenn wir unsere Verfehlungen vor Gott bekennen, geschieht dasselbe. Was wir bekannt haben, wird zu einer Brücke, über die wir zurück in die Gegenwart Gottes gehen können. Und genau das wird passieren, wenn der Messias beginnt mit seiner Geige zu spielen.

 

Wir müssen singen, denn die Tora selbst ist ein Lied! „So schreibt euch nun dieses Lied auf.“ = „Ata kitwu lahem et hashira hsot.“ (5. Buch Moses 31,19) Die Tora ist eine Herzensmelodie – ein Liebeslied voller Harmonie.

 

Musik ist zudem eine Art heilende Therapie. Eine Frau erzählte mir, dass ihr Mann eine Nieren-OP mit gesundheitlichen Folgen hatte. Sechs Monate hat er nicht mehr gesprochen. Sie ließ einen Niggun von Rabbi Nachman laufen und nach sechs Monaten begann er völlig unerwartet wieder zu sprechen: „Vom wem ist dieser Niggun“, wollte er neugierig wissen.

 

Es gibt zehn verschiedene Arten der Musikwiedergabe (asara mine negina) dem entgegengesetzt gibt es zehn verschiedene Pulsschläge und die Melodien beeinflussen den Puls.

 

Das sagt übrigens auch die Wissenschaft. Der Rhythmus eines Songs wird in BPM gemessen (Beat per Minute) und in dem wissenschaftlichen Test wurde erprobt, wenn der Rhythmus des Songs schneller war als die Herzfunktion des Menschen, dann war die Melodie der Auslöser für einen schnelleren Pulsschlag. Die Musik hat den Menschen also auf Touren gebracht. Dasselbe geschah auch umgekehrt: Wenn der Rhythmus des Songs langsamer war als die Herzfunktion des Menschen, dann war die Melodie der Auslöser für einen langsameren Pulsschlag.  Die Musik kann auf den Menschen also auch eine beruhigende Wirkung haben.

 

Musik beruhigt, macht Freude und kann dich aus einer absoluten Stresssituation befreien, so gesehen bei König David. Er erlebte eine absolute Ausnahmesituation, sein Sohn Absalom wollte ihn töten. David war sehr durcheinander und aufgebracht, so sang er den Psalm: „Mismor ledavid beborcho mipenei avshalom beno“ und fand innerliche Ruhe, lasst auch uns jetzt den Psalm der auf David beruhigende Wirkung hatte beten:

 

Psalm 3

1 Ein Psalm Davids aus der Zeit, als er vor seinem Sohn Absalom floh.

 

2 Herr, ich habe so viele Feinde und meine Gegner sind so zahlreich!

 

3 So viele sagen über mich: „Gott wird ihn nicht retten.“

 

4 Doch Du, HERR, umgibst mich mit Deinem Schutz, Du bist meine Ehre und richtest mich auf.

 

5 Ich rufe zum HERRN, und Er antwortet mir von Seinem heiligen Berg.

 

6 Ich legte mich nieder, um zu schlafen, und erwachte in Sicherheit, denn der HERR behütete mich.

 

7 Ich fürchte mich nicht vor zehntausend Feinden, die mich von allen Seiten umzingeln.

 

8 Erhebe Dich, HERR! Rette mich, mein Gott, denn Du schlägst meinen Feinden ins Gesicht und zerschmetterst die Zähne der Gottlosen.

 

9 Ja, der HERR hilft uns. Gib Deinem Volk Deinen Segen!

Ich segne euch, dass ihr immer mit einem Niggun und viel Freude gehen werdet, und noch in diesem Jahr werden wir es alle hören, wie auf den Hügeln Jehudas und in den Straßen Jerusalems die Gesänge der Freude und des Glücks ertönen werden – Töne der Liebe vom Bräutigam und der Braut, so wie es heißt: Od ischama beharei jehuda uwe´chuzot Jerushalim – kol sason wekolsimcha kol chatan wekol kala!

AMEN

 

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