Alles in Butter?

Das Leben ist eine ständige Baustelle ... Ohne Herausforderungen gäbe es kein Wachstum, keine Veränderung, kein Ziel.

6 Min.

Andrea Jockisch

gepostet auf 17.03.21

Nicht immer ist im Leben eines Menschen alles "in Butter". Alle Wege in Gottes Schöpfung scheinen endlos lange Umwege zu sein. Gigantisch hohe Berge versperren den Weg, und abgrundtiefe Schluchten müssen weit umgangen werden. Die Flüsse schlängeln sich in zahllosen Windungen durchs Land, bis sie irgendwo einmündet.

Wege führen am Umwegsamen vorbei zum Ziel. Meere trennen die Kontinente, und Schiffe umfahren ganze Erdteile, um mit ihrer Fracht anzukommen.

 

In Jescha'jahu 55,8 heißt es: "Denn nicht sind Meine Pläne eure Pläne, nicht eure Wege meine Wege, ist des Ewigen Spruch."

 

In Gottes Plan für uns Menschen ist nichts gerade und rechteckig, nichts glatt und eben, nichts der kürzeste und einfachste Weg.

Im Leben gibt es Berge von Schwierigkeiten, Abgründe und Tiefen der Gefahr, die Meere von Chaos und Unberechenbarkeit, die vielfach gewundenen Lebensströme und lauter kurvige Wege mit Hindernissen, Widrigkeiten, Herausforderungen und Fragen.

 

Das Leben ist eine ständige Baustelle, an der wir unser Leben lang zu arbeiten haben. Ohne Herausforderungen gäbe es kein Wachstum, keine Veränderung, kein Ziel. Alles bliebe gewohnt beim Alten.

Rabbi Shalom Arush bringt es auf den Punkt: „Seit wann bestimmt der Schwierigkeitsgrad einer Sache deren Ziel oder Wahrheit? Das heißt, wenn dieser oder jener Weg, den es zu beschreiten gilt, der Wahrheit und dem Ziel entspricht, dann werde ich diesen beschreiten! Völlig unabhängig davon, ob es schwierig oder leicht ist, da es sich ja schließlich dabei um die Wahrheit und um das zu erreichende Ziel handelt. Daher ist es das Wichtigste im Leben, sich stets die Frage zu stellen: Ist dies die Wahrheit oder nicht? Und sobald man zu dem Ergebnis kommt, dass es sich dabei um die Wahrheit und das zu erreichenden Ziel handelt, darf man sich auf keinen Fall von dessen Schwierigkeitsgrad abhalten lassen! Denn wenn dies die Wahrheit ist, dann muss ich mich eben auf diesen Weg begeben – ohne zweimal zu überlegen! Punkt! 
Die Faulheit und Bequemlichkeit ist zweifellos das Produkt einer selbstüberschätzten Intelligenz. Denn einem bescheidenen oder einfachen Menschen würde es gar nicht erst in den Sinn kommen, solcherlei Rechnungen aufzumachen. Im Gegenteil, er macht eben genau dies, was gemacht werden muss. Doch ein hochmütiger, arroganter Intelligenzprotz beginnt sofort mit der Rechnung, ob es denn vielleicht nicht doch noch einen leichteren Weg gäbe. Dabei beachtet er weder die Wahrheit noch das zu erreichende Ziel. Im Gegenteil interessiert ihn nur eines: ein ruhiges und vor allem leichtes Leben! Dafür ist er sogar bereit, billigend in Kauf zu nehmen, dass sein Leben einer großen Lüge gleichen wird!“

 

Rabbi Nachman aus Breslev lehrt in seinem Werk Likutey Moharan, Band 1, Lektion 66: "Lass dich nicht entmutigen von den Hindernissen, die dir auf deinem Weg begegnen. Sie sind absichtlich dazu da, um dein Verlangen nach dem Ziel, das du suchst, zu mehren. Denn je größer dein Ziel desto größere Sehnsucht erfordert es auch, um es zu erreichen."

 

Das ganze Leben mit seinen Höhen, Tiefen und Glaubensprüfungen scheint ein einziger Umweg zu sein. Oft genug träumt der Mensch von einem geraden, glatten, direkten und einfachen Leben. Aber ohne Hindernisse, Schwierigkeiten und Glaubensprüfungen erkennt man, dass es dann kein Leben mehr, sondern ein künstliches Gebilde ohne Sinn und Spannung, ohne Wirkung und Wahrheit, ohne Frucht und Erfolg, ohne Wachsen und Reifen wäre.

 

Rabbi Nachman sagte einmal: "Der Glaube macht dich wahrhaftig lebendig. Er erfüllt alle deine Tage mit Gutem. Wenn Schwierigkeiten kommen, und das werden sie, dann finde Trost in deinem Glauben, dass alles, was geschieht, zu deinem Besten ist."

 

Was wir in unserem Leben Umwege nennen, sind aus der Sicht Gottes Reifungs- und Segenswege.

 

Wenn HaShem mir auf meinem bisherigen Weg nicht so viele Hindernisse gelegt hätte, durch die ich mich tapfer mit Seinem Beistand gekämpft habe, wäre ich nicht die Person, die ich heute bin. Viele sehen nur den charakterstarken Menschen in mir, der ich heute bin. Der Weg dorthin war kein leichter. Früher war ich das blanke Gegenteil – schüchtern, zurückhaltend, depressiv. Im Elternhaus hatte ich eine schwere Zeit durchlebt, was mich noch viele weitere Jahre negativ beeinflusste. Dadurch hatte ich es auch in der Schule nicht einfach. Immer wieder nagten Zweifel an mir: "Mit solch einem Charakter eines Weicheis werde ich es wohl nie zu etwas schaffen."

Aber irgendwie ging es immer. Ich trug einen Funken Hoffnung in mir, deren Stimme mir immer wieder mutig zuredete: "Du wirst es schaffen! Irgendwann wird sich das Blatt wenden und dir wird es besser gehen als denen, die dir so viel Leid zugefügt haben. Du wirst es zu mehr schaffen! Vertraue darauf!"

Ich hoffte auf Gerechtigkeit. Zu der Zeit hatte ich noch nicht zu Gott gefunden, aber eine Stimme sprach immer zu mir. Ich war mir aber nicht bewusst, woher diese Stimme tatsächlich kam.

 

Wenn ich auf meinen Lebenslauf zurückblicke und auf die unterschiedlichen Wegabschnitte schaue, dann wird mir eines klar: Die Wege, die ich am liebsten umgangen hätte, schwierige Wege voller Steigungen, unbequeme Wege, schmale Wege, unüberschaubare Wege in ein neues Gebiet – sie stellen sich hinterher oft als die für mich besten Wege heraus. Auf ihnen habe ich gelernt, Ängste und Bequemlichkeit zu besiegen, Herausforderungen anzunehmen und mit ihnen umzugehen. Auf ihnen habe ich mich selbst kennengelernt, meine Grenzen und viele meiner Möglichkeiten.

 

Besonders viel Kraft gibt mir täglich mein Gebetstagebuch. Ich schreibe sehr gerne Briefe an Gott – erzähle Ihm, was mich an diesem Tag so begeistert hat, wo ich Seine Aufmerksamkeit ganz besonders gespürt habe, was mich emotional bedrückt, wofür ich besonders dankbar bin. Einzelne Auszüge aus meinen Briefen an Gott möchte ich mit euch teilen:

 

"Ich danke Dir so sehr, dass Du mir täglich neue Motivation und Ausdauer gibst, damit alles bewältigen kann, was zu erledigen ist. Danke für jeden neuen Tag, den ich vertrauensvoll in Deine Hände legen darf. Abends kann ich mich glücklich und zufrieden schlafen legen. Das ist ein sehr großes Geschenk, das Du mir da täglich machst. Danke für all Deine Fürsorge und Liebe!"

 

"Wenn ich Dich nicht hätte, dann wäre ich nur von Zweifel erfüllt, von Unruhe und sinnlosem Dasein. Du füllst mein Leben aus und gibst ihm Sinn. Wenn ich Dich nicht hätte, würde ich mich von den kranken Maßstäben dieser Welt wie eine Boje hin und her reißen lassen. Ich möchte nicht den Trends dieser Welt folgen, sondern nur dem, was Du mir ins Herz legst. Denn alles, was von Dir kommt, ist gut und nur zu meinem Besten. Du hast nur das Beste für mich übrig."

 

"Du, lieber Gott, lässt mich nie im Stich, wenn ich Deinen Ratschlag benötige. Du zeigst mir immer wieder durch kleine Ereignisse, dass Du mich stets erhörst und mir auf alles eine Antwort gibt. Ich danke Dir, dass Du mein Schutz bist, der mein Herz und meine Gedanken bewahrt."

 

"Für wie kostbar kann ich mein Leben in Deiner Gegenwart schätzen, lieber Gott. Mit Dir an meiner Seite habe ich inneren Frieden und kann standhaft gegen diesen kranken Zeitgeist der Welt sein. Du gibst mir gesunde Maßstäbe – das ist es, was mir die Kraft gibt, gegen den Strom zu schwimmen. Deine wohltuenden Weisungen sind das Kostbarste für einen Menschen, der fest an Dich glaubt. Danke für die Weisheit, die Du mir ins Herz legst, um das zu verstehen, was Du mir zu sagen hast."

 

"Deine kraftspendende Nähe, mein Gott, beschenkt meine Seele mit inneren Frieden und Gelassenheit. Danke, lieber Gott, dass Du mich trotz der Erkrankung mit ausreichend Kraft beschenkst, um heute den Haushalt zu machen und einkaufen zu gehen. Ich freue mich schon auf einen leckeren Hühncheneintopf, jummiiiee … Weißt Du, lieber Gott, es ist gar nicht so schlecht, wenn man mal bisschen krank ist, weil es mich dazu zwingt, einfach mal paar Tage nichts zu tun."

 

Diese persönlichen Auszüge teile ich mit euch, um euch dazu zu inspirieren, beispielsweise einen kreativen Geschenkkarton anzulegen, in den ihr eure Zettelchen und Briefchen an Gott aufbewahrt. Es ist ein schönes Erlebnis, diese Briefe nach einigen Wochen wieder hervorzuholen. Manchmal geschieht es auch mir, dass ich bestimmte kleine Ereignisse nach paar Tagen wieder vergessen habe. Umso schöner ist es dann, alles mit Gott Erlebte nachlesen zu könne. Und immer und immer wieder stellt man dann fest: Da hat Gott mich hindurchgetragen.

 

Das tägliche persönliche Hitbodedut-Gebet in der Stille ist unabdingbar. Es führt zu innerer Ausgeglichenheit, klaren Gedanken, Selbsterkenntnis, persönlicher Seelenkorrektur und Ausfüllung der charakterlichen Schwachstellen mit den dafür benötigten Bausteinen, die man mit jedem Gebet erhält. Kraftgeballte Gebete, die aus der Tiefe des Herzens kommen, reißen die Mauer der Verzweiflung, der Mutlosigkeit und der Resignation gegenüber den Herausforderungen ein.

 

Am Schavuot-Fest sprach Rabbi Meir aus Primischlan zu seinen Schülern: „Heute erst habe ich verstanden, was mein Lehrer Rabbi Mordechai aus Kremnitz in meiner Jugend zu mir sagte. Ich saß mit ihm im Schlitten, und wir kamen an eine abschüssige Stelle. Ängstlich stand ich auf und machte mich bereit, hinauszuspringen. Rabbi Mordechai fasste meine Hand. ‚Setz dich‘, sagte er, ‚es wird nichts geschehen.‘

Und in der Tat kamen wir sicher über die gefährliche Stelle. Nach einer Weile, als wir gemächlich auf ebener Bahn fuhren und ich an kein Hindernis dachte, stürzte der Schlitten, und ich fiel tief in einen Schneehaufen. Als ich mich hervorgearbeitet hatte, lachte mich der Rabbi an. ‚Siehst du!‘ sagt er.

Heute erst vor dem Beten habe ich verstanden, was er mich lehren wollte: Wer der Gefahr entgegensieht, dem hilft Gott, dass er nicht fällt; wer sich aber sicher und seinen Weg geebnet glaubt, ist dem Sturz nahe.“

 

Die nötige Portion an Emuna und das tägliche persönliche Gebet sorgen dafür, dass du jedes Hindernis mit Bravour überwinden kannst, das dir entgegengestellt oder durch deine eigenen negativen Gedanken verursacht wird. Du kannst nicht erwarten, dass sich etwas ändert, wenn du nichts tuend da sitzt und Däumchen drehst. Sag adieu zur Komfortzone und Bequemlichkeit!

 

Denke daran: Kein Hindernis ist für dich zu groß, kein Umweg zu lang und keine Herausforderung zu schwer, wenn du HaShem, den großen, allmächtigen und starken Gott, an deiner Seite weißt! Nichts ist für deinen Gott zu groß!

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