Die moralische Qualität der Sehnsucht

Nach chassidischem Lebensstil ist der Höhepunkt zwischen dem Schüler und seinem Rabbi der Schabbat ezel HaZaddik.

3 Min.

Rabbiner David Kraus

gepostet auf 17.03.21

Mir sagte mal ein "ganz netter" Mann, dass ich meine Worte sehr stark "Breslev" färben würde. Es war eine Anspielung auf meine Zugehörigkeit zum Movement, des großen spirituellen Meisters Rabbi Nachman aus Breslev.

 

Und wisst ihr was? Recht hat er. Ich bin ein Breslever durch und durch. Deshalb war es für mich ein sehr großes Kompliment, was der Mann mir da sagte, obwohl er mich ja eigentlich damit "erziehen" wollte.

 

Die Tora trägt ja bekanntlich 70 Gesichter, was heißt, jeder findet darin seine Lieblingsfarbe. Breslev, also der chassidische Weg, ist sicher meine Lieblingsfarbe. Und wenn du wirklich wissen willst, woher ich meine Inspiration nehme, dann verweise ich dich gerne auf einen Schabbat in Mesritsch.

Viele große und wichtige Zadikkim schmückten sich damit, im Schatten des Baal Shem Tov – dem Gründer des Chassidismus – zu sitzen. Nach dem Ableben des großen Baal Shem Tov wurde sein bedeutender Schüler Rabbi Dov Beer aus Mesritsch zum neuen Admor – also zum chassidischen Meister – gekrönt. Er ist auch bekannt als "Der Maggid aus Mesritsch".

 

Die vielen Anhänger des Baal Shem Tov strömten nun also nach Mesritsch zum Maggid. Nach chassidischem Lebensstil ist der Höhepunkt zwischen dem Schüler und seinem Rabbi der Schabbat ezel HaZaddik – also der Schabbat mit meinem Rabbi. So verbringen die Chassiden – die Schüler vom großen chassidischen Meister – mit ihm den Schabbat. Es wird gemeinsam gebetet, getanzt, gefeiert, gegessen und einem Jeden wird sehr viel Toraweisheit durch ihrem Rabbi offenbart.

 

Der Lubavitscher Rabbi visualisierte uns diesen Akt, wo ein großer chassidischer Meister den Schabbat mit seinen Anhängern verbringt, als "Harebbe jored min haHar el HaAm".

 

Der Rabbi steigt von seinem Berg hinab zum Volk. So war es auch an diesem Schabbat in Mesritsch, auf den ich dich hier gerne hinweise. Der heilige Rabbi Jaakov Jossef aus Polnaa – bekannt als der Toldot, dem Verfasser des wichtigen Werkes "Toldot Jaakov Jossef" – gehörte zur Beni Hachavura Hakedusha, zur heiligen Gruppe jener, die sich um den Baal Shem Tov tummelten.

Dank ihm, dem Toldot, haben wir heute die wesentlichen Werke des Baal Shem Tov. Als dann der Baal Shem verstarb, wusste Rabbi Jakob Jossef nicht mehr weiter. Für ihn war es sehr schwer, sich mit dem Gedanken anzufreunden, dass sein Rabbi, nicht mehr mit ihm ist. Er fühlte sich wie ein verlorenes Waisenkind. Aus verschiedenen Gründen fand sich der Toldot dann bei einem Schabbat in Mesritsch wider – da, wo der Maggid zu Hause war. Er wollte nun natürlich auch die Tora vom Maggid hören. Zu Leil Schabbat – der Nacht vom Schabbat – sandte der Toldot seinen Schüler ins Haus vom Maggid, um zu sehen, was dort los sei. Der Schüler vom Toldot war fasziniert von dem, was er dort sah, rannte zurück zu seinem Rabbi und sagte ihm: "Rabbi, der Maggid spricht solche unglaublichen Gedanken über die Tora! Du musst jetzt selbst mit dort hin und es dir anhören!"

Der Toldot sprang auf und machte sich auf den Weg. Als er dann endlich beim Haus des Maggids ankam, war die Rede des Maggids aber leider schon vorbei. Der Toldot war sehr bestürzt darüber. Den Morgen darauf zu Zafra deShabbat, also in der Früh des Schabbats, geschah ihm dann exakt dasselbe. Erneut kam er zu spät zur Lesung des Maggids. Zur dritten Schabbat-Mahlzeit überließ er nichts dem "Zufall" und machte sich zeitig los. Er nahm vor dem Tisch des Maggids Platz und wartete, bis der Maggid endlich kommt und alle mit seinem Wissen bereichert. Als der Maggid den Toldot sah, bat er ihn: "Rabbi Jaakov (der Toldot), bitte gib uns die Ehre und spreche ein paar Worte der Tora."

Rabbi Jaakov Jossef, der Toldot, erwiderte dem Maggid: "Verehrter Rabbi, ich bin hierher gekommen, um die Tora zu hören. Die Tora kommentieren? Dazu bin ich nicht fähig. Aber eine Sache weiß ich: Ein Jude muss die moralische Qualität der Sehnsucht (Midat HaRazon) besitzen!"

Der Maggid gab zur Antwort: "Wenn du in Kenntnis über die Sehnsucht bist, gibt es keine Tora, die ich zu dir sprechen kann …"

 

Wenn die Midat Haroz die Musik ist, die im Leben eines Menschen spielt, indem er sein Herz auf die Sehnsucht zu Hashem ausrichtet, dem kann man keine Tora sagen, da die Sehnsucht allein den Menschen in die richtigen Wege leitet – direkt zu seiner Berufung. Dies ergeht eindeutig aus dem Midrasch Chasita zu Shir HaShirim 6, Vers 4.

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