Ende gut, alles gut!

Eines Tages machte sich ein überaus weiser Mann gemeinsam mit einem Esel, einem Huhn und einer Kerze auf den Weg ...

3 Min.

Rabbiner Shalom Arush

gepostet auf 06.04.21

Eines Tages machte sich ein überaus weiser Mann gemeinsam mit einem Esel, auf dem er ritt, und einem Huhn, das ihm am Morgengrauen weckte, und einer Kerze, die ihm in der Nacht als erhellendes Licht diente, auf den Weg. Als sich die Sonne ihrem Untergang näherte und der weise Mann aufgrund der Strapazen des Weges äußerst müde war, wollte er in der nächsten Stadt Halt machen, um dort zu übernachten.

Als er an die Stadt kam, musste er zu seinem Bedauern feststellen, dass diese wie eine Festung von hohen Stadtmauern umgeben war. Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich auf den Weg zum Haupttor dieser Stadt zu machen, da dies die einzige Möglichkeit war, in die Stadt zu gelangen. Als er das Haupttor erreichte, fand er ein verschlossenes Stadttor vor. Der weise Mann bat die Wachen um Eintritt, allerdings gewährten sie ihm nicht seine Bitte, mit der Begründung, dass sie schon bei Sonnenuntergang die Stadttore schließen und erst wieder bei Sonnenaufgang öffnen. Der überaus weise und gerechte Mann versuchte weder die Wachen zu überreden noch flehte er um ihr Mitleid. Er akzeptierte ihre Entscheidung ohne Widerrede, geschweige denn drohte er o. dgl., und darüber hinaus machte er auch nicht von seinem berühmten Namen Gebrauch. Er kehrte der Stadt den Rücken und sagte: „Alles, was Gott macht, ist zum Guten!“

Der weise Mann richtete sich also darauf ein, im Freien zu übernachten. Mitten in der Steppe legte er sich nieder. Doch als er sich hinlegte, kam wie aus dem Nichts ein starker Wind auf, der ihm seine Kerze ausblies. Der weise Mann saß nun im Dunkeln und sagte wieder: „Alles, was Gott macht, ist zum Guten!“ Nach einigen Augenblicken kam dann auch noch eine Katze und fraß sein Huhn; und auch hier sagte er: „Alles, was Gott macht, ist zum Guten!“ Nach ein paar Minuten tauchte ein Löwe auf, der seinen Esel verschlang und wiederum fand er nur die Worte: „Alles, was Gott macht, ist zum Guten!“

In dieser Nacht überfiel eine äußerst brutale und skrupellose Legion die Stadt, die dem Weisen keinen Eintritt gewährte, und führte alle Anwohner in die Gefangenschaft. Als der weise Mann diese Nachricht hörte, sagte er: Alles, was Gott macht, ist zum Guten! Wenn ich in der Stadt übernachtet hätte, wäre ich heute in der Gefangenschaft der Legion; wenn der Wind die Kerze nicht ausgeblasen hätte, hätte mich die Legion entdeckt und gefangen genommen; wenn die Katze mein Huhn nicht gefressen hätte und der Löwe nicht meinen Esel, hätte mich die Legion am Morgengrauen aufgrund ihrer Geräusche entdeckt und gefangen genommen.“

Der weise Mann begrub bei allem, was ihm geschah, seinen Verstand und klammerte sich ausschließlich an den Glauben. Wer diese Geschichte aus der Sicht des menschlichen Verstandes betrachtet, kommt zum Schluss, dass dem weisen Mann nichts Gutes widerfuhr, da es mit Sicherheit besser ist,

 

  • in einem warmen und gemütlichen Hotelbett zu übernachten;
  • eine lichtgebende Kerze an der Seite zu haben, anstatt im Dunkeln zu sitzen;
  • ein Huhn zu haben, das am Morgen als Wecker fungiert und man so nicht zu spät kommt;
  • einen Esel zu besitzen, auf dem man reiten kann, anstatt zu Fuß zu gehen.

 

Der weise Mann hingegen dachte nicht so, da er seinen Verstand vergrub und den Glauben lebte. An Gott zu glauben bedeutet, dass alles zum Guten ist, auch wenn es zunächst nicht so aussieht. Wenn man sich wahrhaftig so verhält wie oben beschrieben, wird er tatsächlich erkennen können, dass letztendlich alles zum Guten ist.

 

 

Der Autor ist Gründer und Leiter des Lehrinstituts „Chut Schel Chesed“ in Jerusalem. Mehr über Rabbiner Shalom Arush erfahren Sie hier.

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