Wir verstehen nichts

Die Bibel berichtet über eine Situation, in der eine Person eine andere irrtümlich erschlagen hat. Sie beschreibt den Vorfall wie folgt:...

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Rabbiner Shalom Arush

gepostet auf 04.04.21

Die Bibel berichtet über eine Situation, in der eine Person eine andere irrtümlich erschlagen hat. Sie beschreibt den Vorfall wie folgt: „Wer einen Menschen totschlägt, der soll unbedingt auch sterben. Hat er ihm allerdings nicht aufgelauert, sondern hat Gott es ihm so in seine Hände gelegt, so werde ich ihm einen Ort bestimmen, wohin er fliehen soll.“

 

Ein Kommentar von Schlomo Jizchaki erklärt, dass mit den Worten „Hat er ihm allerdings nicht aufgelauert, …“ die Tora zum Ausdruck bringen will, dass der Täter anfänglich keine Tötungsabsichten besaß, weil er die Tötung seines Nächsten weder geplant noch vorbereitet hatte. Mit anderen Worten handelt es sich hierbei eher um eine Art „tragischen Unfall“.

 

Doch mit den Worten „… ,sondern hat Gott es ihm so in seine Hände gelegt, …“ offenbart uns die Tora, dass es sich dabei keineswegs um ein irrtümliches Erschlagen handelte. Der Schöpfer hat die beiden mit der Absicht, dass der Eine den Anderen irrtümlich erschlägt, einfach zusammengeführt. So war es also der Schöpfer, der diesen Unfall sozusagen provoziert und herbeigeführt hat. Bestärkt wird diese These durch ein Beispiel der talmudischen Weisen, welche uns sehr genau mitteilten, dass den eben erläuternden Sätzen folgendes Szenario vorausging: 

 

Zunächst sprechen wir über einen Mord, bei dem jemand einen Anderen mutwillig, also vorsätzlich, erschlug.

 

An einem anderen Tatort sprechen wir über einen Unfall, bei dem eine Person eine andere irrtümlich erschlug.

 

Bei keiner dieser beiden Taten waren Augenzeugen vorhanden, welche die jeweiligen Tatbestände zu Protokoll hätten geben können. Demnach kann keiner der beiden seine gerechte Strafe erhalten, d.h. zum einen, dass der Mörder nicht zu seiner ihm gebührenden Todesstrafe verurteilt werden kann, und zum anderen kann der Unfallverursacher nicht zu einer Verbannung abgeführt werden.  

 

Aber die Vorsehung lässt nun die Gerechtigkeit – so, wie in den vorherigen Sätzen erläutert – walten, d.h., dass der Schöpfer die beiden gemeinsam zu einem Gasthof führt, an dem der Mörder unter einer Leiter sitzt, von welcher der Unfallverursacher nach seinem Aufstieg auf ihn hinabstürzen und so seinen Tod besiegeln wird.

 

Bei diesem Vorfall waren dieses Mal einige Menschen anwesend, die den Tatbestand detailliert bezeugen können. Infolgedessen erhielten beide ihre gerechte Strafe. Der Unfallverursacher kann nun in die Verbannung abgeführt werden und der Mörder verlor sein Leben.  

 

Aus dieser Geschichte lässt sich entnehmen, dass der HERR der Welt hinter allen Unfällen und Katastrophen steht, die tagtäglich geschehen, und dabei die nötige Gerechtigkeit walten lässt. Augenscheinlich würde man den verstorbenen Mann, der unter der Leiter saß, bemitleiden, weil er schließlich Opfer eines Missgeschicks wurde. Ebenso würde man den Mann, der von der Leiter hinabstürzte, mit mitleidigen Blick betrachten, da dieser schließlich völlig unabsichtlich handelte. Doch die Wahrheit spricht eine andere Sprache. Deshalb nahm alles bis ins Detail seinen gerechten Lauf. 

 

Eine ähnliche Geschichte entstand, nachdem der Prophet Moses den Schöpfer darum bat: „So tue mir doch Deine Wege kund.“, was bedeutet, dass Moses zu wissen bat, wie sich das Puzzle der göttlichen Menschenführung zu einem Bild zusammenfügen lässt. Der Schöpfer erwiderte ihm daraufhin: „Komme zu Mir auf den Berg.“

 

Wie befohlen machte sich Moses auf den Weg, den Berg zu besteigen. Nach einiger Zeit wurde er dabei Augenzeuge eines sonderbaren Vorfalls.  

 

Er sah einen Mann, der seinen Durst an einer Wasserquelle stillte. Bei genauerem Hinsehen fiel ihm allerdings auf, dass sich der Geldbeutel dieses Mannes durch die Körperhaltung an der Wasserquelle aus seiner Brusttasche löste und zu Boden fiel. Der Mann machte sich, nachdem er seinen Durst stillte – ohne es zu bemerken, dass er seinen Geldbeutel verloren hatte -, auf den weiteren Weg.  

 

Einige Augenblicke nach dessen Verschwinden ging ein anderer Mann zu dieser Wasserquelle, um seinen Durst zu löschen. Dabei stach ihm sofort der auf dem Boden liegende Geldbeutel ins Auge. Er nahm ihn – ohne lange zu zögern – an sich und machte sich schnell davon.

 

Moses musste nicht lange warten, und schon tauchte ein dritter Mann an dieser Wasserquelle auf, um aus ihr zu trinken.

 

In der Zwischenzeit kam der erste Mann, der seinen Geldbeutel verlor, wieder zurück, um diesen zu suchen. Allerdings vergebens. Natürlich fiel dessen Verdacht sofort auf den zuletzt eingetroffenen Mann, und so fragte er ihn: „Vor ein paar Minuten trank ich – so wie Sie – aus dieser Wasserquelle. Doch zu meinem Pech verlor ich dabei meinen Geldbeutel. Haben Sie ihn vielleicht gesehen?!“

 

Der zuletzt an die Wasserquelle gekommene Mann erwiderte ihm: „Nein, leider habe ich keinen Geldbeutel entdeckt.“

 

Daraufhin verlor der zuerst eingetroffene Mann seine Nerven und prügelte den zuletzt eingetroffen Mann zu Tode. 

 

Als Moses all diese Ereignisse bedachte, wendete er sich empört zum Schöpfer: „HERR der Welt, so tue mir doch Deine Wege kund! Ich habe dieses Ereignis von Anfang bis Ende verfolgt und bin schockiert – schockiert darüber, dass ausgerechnet der zweite Mann mit dem Fund des Geldbeutels als Sieger dieses Dramas wegging, wobei der zuletzt eingetroffene Mann völlig unschuldig ermordet wurde!“

 

Da sprach der Schöpfer zu Moses: „Alles, was du gesehen hast, entspricht zutiefst der Gerechtigkeit und Wahrheit! Der augenscheinliche Besitzer des Geldbeutels (der erste Mann) stahl diesen in Wirklichkeit vor geraumer Zeit dem zweiten Mann. Und als dieser seinen Besitz wiederfand, nahm er ihn logischerweise – ohne lange zu zögern – erfreut  an sich.

 

Was den ermordeten Mann betrifft (der dritte Mann), musst du wissen, dass dieser vor Jahren den Vater des ersten Mannes ermordet hatte. Allerdings wusste dieser nichts davon. Ich hingegen weiß alles, und deshalb führte Ich die beiden an dieser Wasserquelle zusammen, damit der erste Mann mit der Ermordung des dritten Mannes das Blut seines Vaters rächt.“  

 

Diese Situation erklärt genau den Satz: „… hat Gott es ihm so in seine Hände gelegt, …“  Wem? Dem ersten Mann natürlich. Damit dieser das Blut seines Vaters rächen kann und so der Mörder seines Vaters seine gerechte Todesstrafe erhält.

 

Fazit ist: Der Schöpfer besitzt bei jedem Ereignis auf dieser Welt die genaue und alleinige Steuerung sowie Aufsicht, und deshalb steht hinter einem Unfall oft weit mehr als augenscheinlich erkennbar ist.

 

Im Laufe unseres Lebens durchleben wir etliche Situationen, die von uns oft als totale Ungerechtigkeiten verstanden werden. Dabei handelt es sich in Wahrheit meist nur um heftige Fehlinterpretationen unsererseits. Der Grund für diese häufigen Fehlinterpretationen ist der Tatsache geschuldet, dass ein Mensch nur einen kleinen Bildausschnitt seines Lebens überschaut.

 

Das Gesagte gleicht einer Situation, in der eine Person mit großer Verspätung zu einer Aufführung erscheint, die sich bald ihrem Ende naht. Als diese Person ihren Sitzplatz einnahm und auf die Bühne blickte, traf sie das Entsetzen, weil sie beobachtete, wie ein Mann eine Frau auf brutalste Weise zusammenschlug. Wutentbrannt sprach sie vor sich hin: „So ein Bösewicht! Völlig unverständlich, wie er sich nur so an dieser unschuldigen Frau vergeht!“ Einer der Zuschauer, dem das Gemurmel vom Geschehen auf der Bühne ablenkte, brachte sie zum Schweigen: „Psst! Halten Sie doch bitte endlich Ihren Mund! Wenn Sie die Vorführung von Beginn an verfolgt hätten, würden Sie schon verstehen, dass diese Schlange mit diesen Schlägen viel zu billig davonkommt!“

 

Dieses Beispiel verdeutlicht unmissverständlich die extrem eingeschränkte Sichtweise des Menschen, der kaum einen minimalen Bruchteil des gesamten Bildes zu überschauen vermag. Wir sehen weder die Vergangenheiten jedes Einzelnen, mit denen wir direkt oder indirekt Umgang haben, noch sehen wir, was jede Seele – inklusive unserer eigenen – in den vorherigen Leben alles durchmachen musste, sodass einem nun folgerichtig widerfährt, was ihm eben widerfährt. Ebenso wenig sehen wir, wer mit wem welche offenen Rechnungen zu begleichen hat. Des Weiteren haben wir auch keinen Schimmer davon, was sich hinter den individuellen Lebensumständen eines jeden Menschen verbirgt. Wer weiß schon, weshalb der Eine im Mangel lebt und der Andere hingegen nicht usw.? Ich denke, jeder hat jetzt eine Vorstellung davon, was er in Wirklichkeit nicht weiß.  

 

Doch wenn wir einen Panoramablick besäßen, der uns ermöglichen würde, das gesamte Bild in seiner Vollständigkeit zu betrachten, so hätte wir  keinerlei Fragen mehr. Jeder würde einsehen, dass alles völlig gerecht und bis ins Detail richtig ist.

 

 

Unsere Mission auf Erden  

 

Ein Mensch erblickt das Licht dieser Welt mit dem Auftrag, eine Mission zu erfüllen, was bedeutet, dass das Leben im Jetzt und Hier keinesfalls ein permanentes Leben darstellt, sondern den Beginn und das Ende erkennen lässt – alles natürlich gemäß der Mission, in der es für einen Menschen gilt, den Sinn und Zweck seiner Erschaffung zu entdecken. Dabei muss sich allerdings jeder dessen bewusst sein, dass der Tod eines Menschen ausschließlich von Gott bestimmt wird und stets der bereits vor der Geburt festgelegten Lebensdauer eines Menschen entspricht. Das gilt ebenso für einen Unfalltod oder allen sonstigen Ereignissen, weil ein Mensch eben nur dann stirbt, nachdem Gott dies zuvor anordnete, indem Er festgelegt hat, wann, wo und wie ein Mensch stirbt.  

 

Die Lebenserwartung ist dabei von Mensch zu Mensch verschieden. Der Eine lebt zwanzig Jahre, der Andere fünfzig Jahre, wiederum ein Anderer siebzig Jahre usw. Des Weiteren wird dem Einen seine Lebensdauer verkürzt und dem Anderen werden Lebensjahre hinzugefügt.

 

All das hängt allerdings von etlichen Faktoren ab, von denen wir nichts verstehen, weil es sich dabei um Himmelsrechnungen handelt, wie z.B. Vorzüge aufgrund guter Taten, Schulden aus vorherigen Leben usw.

 

Es gibt Seelen, deren Aussendungshintergrund auf diese Erde darin besteht, lediglich eine spezielle Verbesserung in ihrem Leben zu tätigen, was bedeutet, das diese Seele unmittelbar nach der Missionserfüllung aus dem verstorbenen Körper scheidet, um anschließend ihren Platz in der ewigen Welt wieder einzunehmen.  

 

Nach dem Ableben solcher Menschen hört man dann in der Regel nur Gutes über ihre Persönlichkeit. So wird oft berichtet, dass sie charakterlich einwandfrei waren, es sich bei ihnen um außergewöhnliche Menschen handelte oder dergleichen. Folglich lernen wir daraus, dass hinter dem Tod eines jungen Menschen, der in seinem Leben keine Schuld auf sich geladen hat, sich solch eine Seele verbirgt – eine Seele, die eben nur eine Kleinigkeit auf dieser Welt in Ordnung bringen musste. 

 

Wir neigen dazu zu vergessen, dass es sich bei dieser Welt, in der wir momentan leben, nicht um die Hauptsache handelt und wir nur hier sind, um eine Mission zu erfüllen. Aus diesem Vergessen heraus bilden sich dann in uns schwerwiegende Fragen. Wenn wir aber verinnerlichen würden, dass es eine kommende Welt gibt und der Mensch sich auf der Erde nur befindet, um eine Mission zu erfüllen, dann würden sich all diese schwierigen aber belanglosen Fragen ein für alle Mal erübrigen.

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