Chanas Liebesgeheimnis

Im Schlafzimmer hängt ein Hochzeitsbild meiner Großeltern, das mich bereits als Kind überaus fasziniert hat; es wurde an ihrem Hochzeitstag vor 65 Jahren aufgenommen.

4 Min.

Sara Gress

gepostet auf 05.04.21

Im Schlafzimmer hängt ein Hochzeitsbild meiner Großeltern, das mich bereits als Kind überaus fasziniert hat; es wurde an ihrem Hochzeitstag vor 65 Jahren aufgenommen. Meine Großmutter trägt darauf ein dunkles Kostüm und ihr Haar ist zu einem Knoten gebunden. Der Großvater trägt eine Krawatte und einen neuen Anzug, der eigens für die Hochzeit über die deutsch-französische Grenze geschmuggelt wurde. Oft hat mir meine Oma erzählt, wie sie im Zug saßen und der Großvater trug den Anzug, damit der Zoll  glauben sollte, er wäre gebraucht, denn die Großeltern hatten große Angst vor der Zollkontrolle. Aber der Zöllner ließ ihn die Taschen nach Außen drehen, und da keine Fusseln in den Taschen waren, erkannte er ihn als neu und er musste nachverzollt werden.

Glücklich sehen beide aus, haben ein leises Lächeln auf den Lippen. Als ob sie schon ahnen, dass sie eine ganz besondere Ehe eingegangen sind. Das ihr Ja mehr war als das zweier Liebender zueinander. Drei Kinder hatten sie zusammen bekommen, zwei Kinder durften nicht bei ihnen bleiben … und die drei die blieben erkrankten nacheinander an Krebs. Sie haben sich zusammen ein Haus gebaut  und vor vier Jahren sind die beiden nach Südafrika gezogen. Ein erfülltes Leben, viele Enkel und bereits Urenkel. Ein Leben voller Höhen und Tiefen, aber egal was kam – sie hielten zusammen.
 
Chana, die als junges Mädchen rotblondes Haar hatte, ist eine Oma wie aus dem Bilderbuch geworden. Langes weißes Haar und verschmitzte blaue Augen. Die immer ein kleines Geschenk für die Urenkel und eine Geschichte für die Enkelin parat hat. Sie ist eine glückliche Frau geworden, trotz – oder gerade wegen – der äußeren Umstände.
 
Ich habe mich oft gefragt, warum sie sich ausgerechnet für diesen jungen Mann entschieden hatte. Welche Motive hatten die beiden bewogen zu heiraten, so kurz nach dem Krieg. So kurz nachdem beide alles – bis auf ein paar alte Fotos und die Erinnerungen an ihre Lieben – verloren hatten. Beide waren in einem schlechten gesundheitlichen Zustand und beide konnten nichts mehr ihr eigen nennen. Sie hatten nicht einmal mehr eine Heimat.
 
So beschloss ich Chana zu fragen, warum ihr Ja zu meinem Großvater und zum Leben so groß war nach all dem Schrecken, den sie zuvor erlebt hatte. Ich dachte, da müsste ein großes Geheimnis in ihrer Liebe verborgen sein, vielleicht mit einem Hinweis, der mir den Weg zeigt, selbst so eine Liebe zu finden.
 
Umso mehr erstaunte mich ihre Antwort, denn es gab kein Geheimnis. Sie sagte mir nur: „Weißt Sarale, wir hatten nichts mehr. Keine Familie, kein Vermögen, nur noch die Kleider die wir trugen. Wir waren beide krank und vom Hunger ausgezehrt, als wir uns kennenlernten. Ich fühlte mich so hässlich und ich wusste gar nicht warum er ausgerechnet einer Vogelscheuche wie mir den Hof machte. Wir hatten nichts außer den Willen zu leben. Ich konnte niemanden fragen, ob wir zueinander passen. Ich konnte ihn auch nicht meiner Mutter oder meinen Freundinnen vorstellen, um von ihnen zu hören, ob wir zueinander passten. Aber wir wollten beide nicht mehr alleine sein, wir wollten eine Familie haben und glücklich sein. Und so habe ich deinen Großvater gewählt, weil er ein gutes Herz hat. An dem Tag als wir heirateten, fühlte ich eine große Schuld, ich dachte an meine Geschwister und meine Eltern. Es war für uns beide ein Tag, an dem Leid und Freud ganz dicht beieinander lagen.“
 
Wie oft machen wir heute eine mögliche Beziehung an dem Beruf oder Status des potentiellen Partners fest. Wie oft ist unsere Liebe nicht rein und unschuldig, sondern in Erwartungen verstrickt. An das Leben, das wir führen wollen, an den Wohlstand, den wir erreichen wollen und an den Luxus, den wir uns gönnen wollen. Wer von uns erlaubt sich heute, bei der Partnerwahl ausschließlich darauf zu achten, dass jemand ein gutes Herz hat?
 
Wir kennen doch alle schnelllebigen Beziehungen, die mit großer körperlicher Anziehung beginnen und spätestens nach drei bis vier Jahren anfangen zu kränkeln. Obwohl sich beide zunächst ganz sicher wähnten, dass sie den Rest ihres Lebens zusammen verbringen würden. Wir leisten uns heute die Wahl zu haben, uns bewusst zu entscheiden. Und hat die Liebe noch nicht einmal angefangen, wenn die Verliebtheit nachlässt. Nämlich dann, wenn wir uns bewusst werden, dass da eben kein perfekter Mensch mit uns Bett und Tisch teilt. Und in unserer Welt der Unverbindlichkeiten geht man, wenn die Liebe Arbeit an sich selbst und Kompromisse fordert, seinen eigenen Weg.
 
Chana und Anton konnten nicht gehen. Sie hatten keinen Platz, zu dem sie gehen konnten. Sie hatten keine zwei Gehälter, keine zwei Autos, es gab kein Sicherungsnetz in ihrer Beziehung. Ihr Haus haben sie aus dem Nichts gebaut und auch heute noch ist mein Großvater stolz darauf, dass er jeden Stein in der Hand hatte. Für ihre Familie wollte Chana immer das Beste. Und sie hatte sich die Hände wundgearbeitet, um ihren Kindern etwas bieten zu können, was ihr nicht vergönnt war. Über das was war, bevor sie sich fanden, wollen sie beide nicht sprechen.
 
Wie hält man es aus, eine solch lange Zeit an der Seite eines Menschen. Der gewiss nicht der perfekte Mensch ist, Fehler und Schwächen hat, Ecken und Kanten? Wie schafft man es, aus dem Nichts zu einem Haus, einer Familie, Enkeln und Urenkeln zu kommen? Gab es nicht den Moment für meine Oma Chana, wo sie mehr sein wollte als Mutter und Ehefrau? Als ich sie das fragte, da lachte sie leise und sagte mir:

„Es gibt nur ein Geheimnis für eine lange und glückliche Ehe:

WIR sind EINS,
Dein Glück ist meins!

Und daran haben wir beide uns gehalten.“

Denke ich genauer über diesen Satz nach, dann weiß ich, dass er wahr ist. Denn das ist wirklich – neben der Voraussetzung eines guten, liebevollen Herzens – das einzige, worauf es in einer Ehe ankommen sollte. Nicht darauf, welches Auto man den Nachbarn präsentiert, oder wohin man in den Urlaub fährt. Eins zu sein, etwas gemeinsam erschaffen, zusammen finden und sich dabei glücklich machen, jeden Tag und immer wieder. Das ist, was wirklich zählt …

Und wenn Du das liest und auf der Suche bist, dann sei mit einem Auge gesegnet, das ein gutes Herz sehen kann! Und wenn Du das liest und gefunden hast, dann halt Dich an Deiner Liebe fest, vor allem, wenn der Sturm des Lebens sehr an ihr rüttelt.
 

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1. Batsheva

2/14/2011

Channas Liebesgeheimnis WIR sind EINS, Dein Glück ist meins! Das ist ja das Schönste, was in einer wahrhaft lebendigen EHE erlebt werden kann, wenn Mann und Frau EINS sind! Wenn der Ehemann und seine Frau zum Beispiel zum Arzt gehen müssen, weil seine geliebte Frau Schmerzen hat und der Ehemann zum Arzt sagt: Herr Doktor, wir sind zu ihnen gekommen, weil WIR haben Schmerzen! Danke für den Artikel.

2. Batsheva

2/14/2011

WIR sind EINS, Dein Glück ist meins! Das ist ja das Schönste, was in einer wahrhaft lebendigen EHE erlebt werden kann, wenn Mann und Frau EINS sind! Wenn der Ehemann und seine Frau zum Beispiel zum Arzt gehen müssen, weil seine geliebte Frau Schmerzen hat und der Ehemann zum Arzt sagt: Herr Doktor, wir sind zu ihnen gekommen, weil WIR haben Schmerzen! Danke für den Artikel.

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