Das barmherzige Genie (3)

Allerdings besaß Mister Grandios einen kleinen Mangel, der seine grandiose weiße Weste durch einen kleinen schwarzen Fleck beschmutzte - und das war seine FRAU!

6 Min.

Rabbiner Shalom Arush

gepostet auf 06.04.21

Und nun kommen wir zur zweiten Geschichte: Über das Genie im Allgemeinen und vor allem in Sachen Nächstenliebe – Mister Grandios. Mister Grandios überzeugte bereits als Kind mit seinen überaus hohen Begabungen. Mit den Jahren wurde sogar dem letzten Zweifler klar: Mister Grandios ist ein Genie! Deshalb konnte er bereits in jungen Jahren eine Frau von hohem Ansehen heiraten!

Als Familienvater stach eines in seiner Lebensführung heraus: Er opferte sein Leben für das Wohl der Allgemeinheit! Er rannte von einem Vortrag zum anderen, in denen er den Menschen Mut zusprach und ihnen Rat gab. Ferner nutzte er seinen politischen und wirtschaftlichen Einfluss, indem er kostenlos Hilfszelte, Obdachlosenheime und noch vieles mehr für Notbedürftige bereitstellte.
 
Mister Grandios wurde sehr schnell landesweit bekannt und erntete aus allen Teilen der Bevölkerung Liebe und Verehrung. Allerdings besaß Mister Grandios einen kleinen Mangel, der seine grandiose weiße Weste durch einen kleinen schwarzen Fleck beschmutzte – und das war seine FRAU! Denn sie hatte weder Respekt noch Achtung für ihn übrig; folglich entgegnete sie ihrem grandiosen Mann in der Regel missachtend, von oben herab und geringschätzend. Des Weiteren beschwerte sie sich bei ihm über alles und jenes…
 
Jedes mal, wenn Mister Grandios zu später Abendstunde sein Haus betrat, musste er entweder in das todunglückliche Gesicht seiner Gattin blicken … oder er wurde – statt mit einem Hallo erfreut zu werden – durch ihre hysterischen Schreie frustriert. Seine Frau ging ihm – gelinde gesagt – ordentlich „auf den Keks“ und deshalb bevorzugte es Mister Grandios, so wenig wie möglich zu Hause zu sein, indem er noch mehr Zeit in das Wohl der Allgemeinheit investierte. All die unübersehbaren Hilferufe seiner Frau wertete er als belästigend und nervtötend. In seinen Augen war seine Frau ein undankbares Luder, da sie ihn missachtete und ihm nur Steine in den Weg legte, anstatt ihn zu unterstützen und zu respektieren, so wie sich ja schließlich alle anderen Ehefrauen ihres Kreises verhielten. Und damit seine Frau ja nicht behaupten könne, er würde sich ihr gegenüber geizig verhalten, richtete Mister Grandios ihr sogar ein spezielles und vollgefülltes Bankkonto ein, auf das nur sie allein Zugriff hatte.
 
Aber selbst an Feiertagen war er so gut wie nie zu Hause, da er ja zuvor etliche Tagungen und Vorträge organisiert hatte, an denen er dann doch schließlich teilnehmen musste. Denn es wäre ja reine Zeitverschwendung gewesen, etwas Zeit mit seiner „Zicke“ zu verbringen – so dachte er es sich zumindest.
 
Doch wie es im Leben nun einmal ist, auch die Zeit von Mister Grandios ging zu Ende – und er starb. Sein Tod beschäftigte landesweit alle Medien – auch die TV- und Rundfunkanstalten. Zu seiner Beerdigung strömten unzählige Menschen. Jede der vielen Trauerreden war unbeschreiblich ergreifend. Und Mister Grandios, dessen Seele über seiner Leiche schwebte und all dies mit ansah, dachte sich voller Eigenliebe schmunzelnd: „Hmm, eine so großartige Beerdigung bekommt nicht jeder!“
 
Als Mister Grandios dann den Himmel erreichte, wurde er umgehend von ein paar Engeln – wie bei einer Entführung – zum Himmelsgericht gebracht. Mister Grandios konnte die grobe und unverschämte Handlungsweise der Engel nicht nachvollziehen, schließlich war er ja davon überzeugt, dass man ihm den größtmöglichen Respekt für all seine Taten erteilen müsse. Vor Gott stehend sah er, wie man die Werke seiner Nächstenliebe im Eiltempo vortrug, ohne dabei etwas Außergewöhnliches hervorzuheben. Als Gott dann auf das Thema Eheleben zu sprechen kam, hörten die anwesenden Engel im Gerichtssaal mit ihren Tuscheleien auf, und plötzlich herrschte dadurch tatsächlich angsteinflößende Stille am Himmelsgericht. Gott erteilte dem Engel, der als richterliches Oberhaupt fungierte, den Befehl, Mister Grandios zu erklären, was in seiner Ehe passiert war. So wurde Mister Grandios ohne jegliche Ehrerbietung mit seinem Kosenamen Seppel angesprochen. Man zählte ihm dann alle Augenblicke im Leben seiner Frau auf, in denen sie seinetwegen weinen musste und seinetwegen verspürte, es wäre besser gewesen, zu sterben, als solch ein erbärmliches Leben ohne Liebe weiter zu leben. Auch all die schwarzen Tage, die seine Frau ohne Verständnis und Fürsorge erleiden musste, wurden ihm vorgeworfen. Und zu guter Letzt wurde ihm die niederschmetternde Gefühlswelt seiner Frau aufgezeigt, die – trotz all seiner Verfehlungen in Sachen Liebe – an ihrer Ehe festhielt und dabei stets versuchte, bei ihrer Hausarbeit wenigstens etwas Aufmerksamkeit von ihrem ach so „blind scheinenden“ Mann zu erhaschen. Doch auch hier war er kalt wie ein Eisbrocken. Niemals verlor er auch nur ein Wort über ihre unbeschreiblichen Kochkünste, ihre Sauberkeit und ihren Ordnungssinn. Mister Grandios blieb auf gut Deutsch gesagt „die Luft weg“, als er sah, dass er sich hier aber verrechnet hatte!
 
Halten wir also fest: Dieser Seppel hat sich gewaltig verrechnet! Und das trotz der Tatsache, dass „Mister Grandios“ sein Leben anscheinend für das Wohl der Allgemeinheit opferte, dabei von einem Vortrag zum anderen rannte und den Menschen Mut zusprach und gute Ratschläge gab und dazu sogar noch intensiv von seinem politischen und wirtschaftlichen Einfluss Gebrauch machte, indem er kostenlos Hilfszelte, Obdachlosenheime und noch vieles mehr für die notleidenden Menschen bereitstellte. Doch seine Rechnung ging nicht auf!!! Denn er vergaß, dass die hauptsächliche Aufopferung und Nächstenliebe eines Mannes seiner Frau zukommen muss! Doch was tat er – er ließ seine Frau stets unbeachtet „links liegen“ und interessierte sich nicht im Geringsten, wie es seiner Frau ergeht. Er interessierte sich ausschließlich für sein Wohl, sein Ansehen und seinen Erfolg! Und deshalb trumpfte er auf: „Ich opfere mein Leben für das Wohl der Gemeinschaft!“ Wegen diesem egoistischen Motiv war es dann auch kein Wunder, dass er seine eigene Frau aus dieser Gesellschaft ausschloss…
 
Wie bereits gesagt, muss MANN sich zuallererst um seine Frau kümmern und sorgen! Denn deine Frau ist wie dein eigen Fleisch und Blut. Und wenn ein Mann die Bedürfnisse seiner Frau ignoriert oder alle ihre Wünsche nach Aufmerksamkeit als störende Lappalien wertet, dann handelt es sich um einen höchst charakterlosen Menschen und einen Egozentriker, der alles in seinem Leben nur deshalb tut, um Achtung und Respekt zu erhaschen.
 
„Mister Grandios“ war einer dieser charakterlosen Egozentriker. Jeden Tag hörte er sich von unzähligen Menschen deren Probleme und Sorgen an, denn es befriedigte ihn ungemein zu sehen, wie er von allen angehimmelt wurde! Doch wenn seine Frau um ein Gespräch mit ihm bat oder bei ihm eine Schulter zum Anlehnen suchte, dann dachte er sich nur: „Mann oh Mann, jetzt will sie mich schon wieder mit ihrem Blödsinn belästigen… so ein Mist, ihretwegen geht meine ach so kostbare Zeit verloren!“ – Dies alles spricht so für sich, es muss hier nicht weiter ausführt werden.
 
Jeder, der die eben geschilderten Situationen selbst durchlebt hat oder gelegentlich damit in Kontakt gekommen ist, wird nun verstehen, worum es im Leben tatsächlich geht!Das Wichtigste im Leben ist der Erhalt einer harmonischen und von der Liebe bestimmten ehelichen Beziehung. Infolgedessen muss man alles, was man kann und hat, in die Liebe investieren und dies ohne Rücksicht auf vermeintliche Verluste, da die wahre Liebe alles andere auf der Welt in den Schatten stellt.
 
Jeder von uns sollte sich also darüber im Klaren sein, dass das anzuvisierende Hauptziel im Leben der Glaube an Gott sein muss. Daher muss man sich Gott immer vor Augen halten, so wie es heißt: „Meine Augen sind immer auf Gott gerichtet.“ (Psalme Davids, Psalm 25, Vers 15). Wenn deine Frau also etwas zu dir sagt, dann musst du verstehen, dass in diesem Augenblick Gott mit dir spricht! Wenn deine Frau dich darum bittet, heute zu Hause zu bleiben, dann möchte Gott, dass du heute zu Hause bleibst! Und so weiter.
 
„Mister Grandios“ wollte das alles nicht wahrhaben. Er stellte sich und sein Verlangen nach Ehre in den Mittelpunkt. Jeder, der sich einbildet, charakterlich einwandfrei zu sein – so wie unser Genie -, dabei allerdings seine eigene Frau vernachlässigt, täuscht sich gewaltig mit seiner Selbsteinschätzung!
 
Der Glaube an Gott setzt nämlich voraus, dass man daran arbeitet, ein Mensch zu sein. Mensch zu sein bedeutet aber nicht etwa egozentrisch zu denken und handeln, im Gegenteil, es bedeutet demütig und hilfsbereit zu sein. „Mister Grandios“ handelte nur, um nach Außen zu beeindrucken, daher war er auch nicht in der Lage, seine eigene Frau bei irgendetwas im Leben zu berücksichtigen und zu befriedigen!
 
Bedeutet Mensch zu sein, dass man sich um alles und jeden kümmern muss – außer um die eigene Frau!?!
 
Die Eigenschaft der Einfühlsamkeit und der daraus resultierenden Werke der Nächstenliebe befinden sich im Herzen eines Menschen. Das heißt, dass man mit Herz bei einer Sache sein muss, man also durch das einfühlsame Herz, welches nach Liebe dürstet, erkennt, was dein Nächster braucht, was er möchte, benötigt usw. Insbesondere gilt dass natürlich – und vor allem – für den Menschen, der dir am nächsten steht: deine Frau! Alles, was an deinem Charakterbild gut ist, muss in erster Linie deiner Frau zugute kommen. Du musst dein Leben also zunächst einmal und vor allem für das Wohl deiner Frau – und nicht etwa für das Wohl der Gemeinschaft – aufopfern. Denn deine Frau gibt ihr Leben für eure Beziehung her! Sie investiert Zeit und Kraft, denn wer Zeit in etwas investiert, gibt sein Leben für diese Sache her, da die Zeit ja schließlich maßgebend für das Leben ist.
 
Gibt es einen Menschen auf der Welt, der für dich mehr tut als deine Frau? Mit Sicherheit nicht, denn niemand – außer deiner Frau – wäre bereit, nachts wach zu liegen, um euer Baby zu versorgen! Niemand wäre bereit, auch nur den zehnten Teil der unbeschreiblichen Qualen auf sich zu nehmen, die deine Frau in der Schwangerschaft – nur um dir ein Kind zu gebären und es dann für dich auch noch aufzuziehen – auf sich nahm! 
 
Fazit: Die beiden Geschichten erzählten uns also von zwei außergewöhnlichen Männern, die von der Gesellschaft als „Helden“ gesehen wurden. Jeder bewertete seinen eigenen Lebensstil als vorbildlich und tadellos. Doch weil sie die Liebe zu ihren Ehefrauen vollends auf der Strecke liegen gelassen hatten, bewertet Gott dieses – vermeintlich – tadellose Leben als reine Phrase. Wer also tatsächlich ein Held sein möchte, muss verstehen, dass für Gott nur die Liebe zählt! Daher sollte es bei uns auch so sein…! 

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