Vor dem Himmelsgericht

Es gibt durchaus Männer, die sich in ihrer Ehe wie richtige Idioten verhalten. Anstatt ihren Frauen das Gefühl zu geben, wichtig zu sein ...

5 Min.

Rabbiner David Kraus

gepostet auf 05.04.21

Bleibt die Frage!

Es gibt durchaus Männer, die sich in ihrer Ehe wie richtige Idioten verhalten. Anstatt ihren Frauen das Gefühl zu geben, wichtig zu sein oder für sie an erster Stelle zu stehen, machen sie genau das Gegenteil. Sie demütigen ihre Frau in jeder Weise, behandeln sie wie den letzten Dreck und lassen sie spüren, dass andere Dinge wichtiger wären als sie. Daher ist es auch verständlich, weshalb es in ihrer Ehe kriselt. Aber es suchen mich auch sehr oft Paare auf, die wirklich beide gut erzogene Menschen sind. Beide lieben sich und versuchen deshalb ständig, dem anderen diese Liebe zu zeigen und dennoch hapert es in ihrer Beziehung. Folglich bleibt die Frage: Weshalb?
 
Aufgrund dieser Frage werde ich dann häufig mit weiteren Fragen konfrontiert, wie z.B.: „Passen wir etwa nicht zusammen? Vielleicht sind wir ja gar kein vom Himmel füreinander bestimmtes Paar …?“ 
 
Die Antwort
 
Eines ist ganz sicher, ein solches Paar gehört zusammen und wahrhaftig ist es geradezu ein vom Himmel bestimmtes Traumpaar! Der Grund, weshalb es dennoch ständig irgendwelche Diskrepanzen zwischen ihnen gibt, lässt sich anhand des kabbalistischen Begriffs „Dinim“ erklären. Das Wort: „Dinim“ beschreibt eine Situation, in der auf einem Menschen negativer Druck von oben liegt. Damit wir diese Ausführung besser verstehen können, kommen wir nun zum nächsten Punkt:
 
24 Gerichtshöfe
 
Jeder von uns muss wissen, dass es auch im Himmel ein Gericht gibt. Dieses Himmelsgericht besteht aus insgesamt 24 Gerichtshöfen. Jeder dieser Gerichtshöfe entspricht einer Stunde eines 24-stündigen Tages. Das heißt, dass jeder Mensch auf dieser Welt in jeder Stunde von einem anderen Gerichtshof des Himmels beurteilt wird.
 
Wenn das Verhalten eines zu Beurteilenden gut war, urteilt das zuständige Gericht zu seinen Gunsten, was dazu führt, dass man glücklich ist und bei allem, was man anpackt, Erfolg sieht.
 
Wenn das Verhalten des zu Beurteilenden allerdings nicht sonderlich gut war, dann urteilt das Gericht zu seinen Ungunsten mit der Folge, dass man sich träge fühlt und von Verzweiflung, Kummer, Streit oder Traurigkeit überwältigt wird.
 
Daraus lässt sich also schließen, dass man während eines Tages bzw. von Stunde zu Stunde durchaus gewisse Situationswechsel oder Gefühlsschwankungen wahrnehmen kann.
 
In einer bestimmten Stunde des Tages gleicht ein Ehepaar zwei Turteltäubchen. Sie lieben sich, ihr Zusammensein ist die reinste Harmonie. Doch im nächsten Moment entflammt zwischen ihnen ein Feuer des Streits – oft wegen irgendeines Blödsinns.
 
Die einzige Erklärung für solche extremen Situationswechsel oder Gefühlsschwankungen ist, dass ein Mensch jede Stunde des Tages entsprechend seines Verhaltens beurteilt wird. Wenn Gott dabei nicht zu Gunsten eines Menschen plädiert, kann das Auswirkungen auf alles in seinem Leben nehmen, wie z.B. seine Gesundheit, seine Finanzlage, seine Laune oder eben auch: auf seine eheliche Beziehung! Denn dies ist ja schließlich ein Weg, mit dem Gott einem Menschen auf seine Fehler hinweisen kann.
 
In der Regel legt sich dann dieser Druck, der als direkte Folge einer Verfehlung zu verstehen ist, auf die eheliche Beziehung. Plötzlich sieht sich ein Mann von seiner Frau missachtet und meint, entsprechend reagieren zu müssen!
 
Rabbi Nachman aus Breslev sagte deshalb, der wichtigste Mosaikstein im Leben ist, alle Missachtungen, mit denen man sich konfrontiert fühlt, in Liebe zu akzeptieren. (Likutej Moharan, Band 1, Kapitel 6)
 
Weshalb Rabbi Nachman ausgerechnet dies als den wichtigsten Mosaikstein für ein erfülltes Leben und eine persönliche Charakterwandlung erklärte, liegt auf der Hand. Denn wenn deine Frau dich nicht so wie von dir gedacht oder erwünscht konfrontiert, dann kannst du deswegen wegen einer Lappalie dein Haus zerstören, da jeder Ehestreit nichts Gutes mit sich bringt. 
 
Durch so eine Spannung in den ehelichen Beziehungen will Gott einem also aufzeigen, dass man alle seine schlechten und negativen Angewohnheiten ein für allemal hinter sich lassen muss, um dann sein Leben in einer problemfreien Zone genießen zu können. Rabbi Nathan aus Breslev sagte einst, er verstehe es überhaupt nicht, weshalb Menschen sich so aufregen, wenn sie von jemandem – insbesondere seiner eigenen Frau – missachtet, verbal bloßgestellt oder beleidigt werden. Denn wer sich selbst kennt, ohne etwas an sich schön zu malen, der weiß ja haargenau, wer er ist. Und da dem so ist, fügte Rabbi Nathan hinzu, kann es keinen Menschen auf der Welt geben, der ihn wahrhaftig beleidigen, missachten oder verbal bloßstellen kann. Denn egal, was dieser Jemand auch von sich gibt, es ist immer noch verharmlosend ausgedrückt! Denn wenn ein Mensch sich nichts vormacht, dann weiß er, dass sein wahres ICH immer um einiges schlechter ist als das, was man an den Kopf geworfen bekommt.  

Und in Wahrheit handelt es sich hierbei sogar um eine sehr große Wohltat Gottes. Man muss sich ja nur einmal vorstellen, wie das Leben eines Mannes aussehen würde, wenn Gott ihn am Arbeitsplatz – oder bei allen anderen öffentlichen Angelegenheiten – auf seine Fehler aufmerksam machen würde. Ein solcher Mann würde entweder durch seine Wut, die er dann nicht mehr unter Kontrolle halten könnte, sich selbst vielleicht sogar ins Gefängnis manövrieren oder er würde sich isolieren, ja am liebsten nicht mehr die Straße betreten, da er sich ständig einer Bloßstellung nach der anderen ausgeliefert sähe.
 
Infolgedessen fällt dieser Druck von oben – vor allem zu Hause – ins Gewicht und ist ein Geschenk des Himmels.
 
Ideallösung
 
Aber jeder, der mit einem gesunden Menschenverstand gesegnet ist, versteht, dass man sich besser völlig von diesem Druck lösen sollte – man also nach einem Weg suchen sollte, der garantiert, dass man auch zu Hause ohne Druck von oben leben kann.
 
Daher mein Tipp: Wenn deine Frau gelegentlich – für dich unverständlicherweise – ausrastet, dann doch nur, weil Gott aufgrund deines schlechten Verhaltens zu deinen Ungunsten geurteilt hat. Deswegen solltest du jetzt auch den Mund halten und die Missachtung von Seiten deiner Frau mit Liebe akzeptieren. Aber da man im Feuer des Gefechts nicht immer die Kontrolle behält, kann so etwas sehr schnell zu richtig großen und langwierigen Problemen auswachsen.
 
Deswegen musst du ab sofort an jedem Tag eine Stunde lang das persönliche Gespräch mit Gott in der Einsamkeit suchen und dabei den gesamten gestrigen Tag – ab der gestrigen Stunde der „Einsamkeitssuche“ – Revue passieren lassen. Nach diesem Schema müssen wir unser gesamtes Leben lang verfahren, um so allen Ängsten, Schwierigkeiten, Leiden, Sorgen und Kummer ein Ende zu setzen. Gott muss einen Menschen, der dieser einstündigen Einsamkeitssuche nachgeht, mit keinem dieser schrecklichen Dinge belasten. Gott muss ihn dann nicht mehr darauf aufmerksam machen, dass er langsam aber sicher vom rechten Weg abkommt. Denn man kommt durch die tägliche Einsamkeitssuche – mit Gottes Hilfe – selbst darauf, welche Fehler man macht!
 
Gott möchte nur, dass seine Kinder an Ihn glauben. Deshalb konfrontiert er uns jeden Tag mit Prüfungen, die auch äußerst unangenehm sein können. Genau darin liegt das Problem, da wir Gott durch unser schlechtes Verhalten geradezu zwingen, uns auf diese Weise wachzurütteln. Wenn wir uns alle jeden Tag an Ihn wenden würden, mit Ihm sprechen würden usw., dann würde Gott uns Seine volle Aufmerksamkeit schenken! Gott kümmert sich immer sofort um denjenigen, der sich an Ihn wendet! Völlig unabhängig wer er ist, sei er reich oder arm, klug oder dumm, gut oder schlecht, ein Engel oder ein Krimineller! Gott öffnet – von Ohr zu Herz – eine offene Tür für diesen Menschen, der die Einsamkeit mit Ihm sucht.
 
Unterm Strich bleibt die Erkenntnis, dass du unter keinen Umständen nach Hause kommen darfst, ohne diese eine Stunde in der Einsamkeit gesucht zu haben. Denn wenn du im Laufe des Tages einen Fehler gemacht hast, der gegen den Willen Gottes ist, dann kann es durchaus sein, dass deine Frau auf einmal und unerwartet böse auf dich sein kann. Wenn du aber das persönliche Gespräch mit Gott vollzogen hattest und danach nach Hause kommst, dann kann dir nichts mehr passieren, da du ja durch deine Besinnung selbst begriffen hast, welche Fehler du heute gemacht hattest.   
 
Halten wir also fest: Ein Paar, das sich zwar redlich um den Hausfrieden bemüht, aber dennoch nicht wirklich in Liebe zusammenlebt, hat dieses Problem nur, weil beide nicht jeden Tag das persönliche Gespräch mit Gott suchen …

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