Die Sudenten aus Palästina

Was teilt sich die palästinensische Speerspitze der Araber mit dem Feldzug der Nazis für eine sudetendeutsche Selbstbestimmung in den 30er Jahren?

18 Min.

Dr. Steven Plaut

gepostet auf 17.03.21

Noch vor gar nicht so langer Zeit hätte die gesamte Welt die Behauptung als absurden Scherz abgetan, den Ursprung des arabisch-israelischen Konfliktes bilde die Notwendigkeit palästinensischer "Selbstbestimmung". Tatsächlich behaupteten selbst die Araber nie so etwas bis weit nach 1967. 

Vor 1967 erklärten die Araber mit erfrischender Aufrichtigkeit als ihr Ziel, das zionistische Gebilde zu vernichten und alle Juden ins Meer zu werfen. Palästinenser hatten mit alledem herzlich wenig zu tun. In diesem Konflikt ging es nicht im Geringsten um palästinensische "Selbstbestimmung". Die Palästinenser wurden weder von den Arabern noch irgendjemand anderem als jemand angesehen, der besonders der "Selbstbestimmung" bedürfe oder gar ein Recht darauf habe. Wäre so ein Bedürfnis erkannt worden, hätte nichts die arabische Welt davon abgehalten, einseitig solche "Selbstbestimmung" zu gewähren und den Palästinensern in den weiten Teilen Palästinas einzurichten, die bereits von arabischen Ländern kontrolliert wurden: auf dem Jordan-Westufer ("Westbank"), im Gazastreifen, im gesamten Gebiet von Transjordanien und den Teilen von Syrien und Libanon, die legitim als "palästinensisch" bezeichnet werden können. 

Wenn die Palästinenser wirklich eine "Nation" und ihres eigenen Staates bedürftig gewesen wären, hätte weder die arabische Welt noch die Vereinten Nationen etwas davon abgehalten, so einen Staat zu schaffen. Israel hätte mit der ganzen Sache nichts zu tun gehabt. Aus anderen Teilen der Welt war keine einzige Stimme zu hören, die solche "Selbstbestimmung" für die Palästinenser gefordert hätte, und das zwei Generationen, nachdem der amerikanische Präsident Woodrow Wilson den Begriff der "Selbstbestimmung" zu einem Grundsatz internationaler Beziehungen gemacht hatte. 

Allen war klar, dass der arabisch-israelische Konflikt absolut überhaupt nichts mit palästinensischer "Selbstbestimmung" zu tun hatte, sehr wohl allerdings mit jüdischer Selbstbestimmung. In diesem Konflikt ging es um die arabische Absicht, jede Spur von jüdischer Selbstbestimmung im Lande Israel durch militärische Aggression zu eliminieren.

Die Araber weigerten sich, irgendwelche jüdische Selbstbestimmung zu akzeptieren, innerhalb welcher Grenzen auch immer. 

Bis 1967 hielt es die arabische Welt nicht für nötig, für Propaganda und Public-Relations-Kampagnen in der nicht-arabischen Welt besondere Mühe aufzuwenden. So wie Ben Gurion die UNO und allgemeine Weltmeinung gering schätzte (indem er sagte: "Es kommt nicht darauf an, was die Welt denkt, sondern was wir tun"), zeigten die Araber wenig Interesse daran, was die Ungläubigen jenseits des Hauses des Islam über sie dächten, und verschwanden kaum Zeit darüber, ihren Standpunkt in den Medien im rechten Licht erscheinen zu lassen. Es reichte vollkommen, dass ihr Standpunkt in ihren eigenen Augen offensichtlich der richtige war. Arabische Sprecher riefen routinemäßig zum Völkermord und Vernichtung der israelischen Juden auf. Achmed Schukeiri, der Gründer der PLO, versprach, nach der Befreiung Palästinas keinen einzigen Juden am Leben zu lassen. 

Nach 1967 änderte sich die Lage schlagartig. Die Araber merkten, dass sie einen Großteil der westlichen öffentlichen Meinung durch gezielte medienwirksame Fehlinformationen beeinflussen konnten, insbesondere durch einen Theaterspiel der Krokodilstränen über die angeblichen Leiden misshandelter Palästinenser. Plötzlich – nach 1967 – entdeckten die Araber (zu ihrem eigenen Erstaunen, wie dem Anderer), dass es sich bei den vor ihrer Nase sitzenden Palästinensern um eine "Nation" handele, die zu Wilsonscher "Selbstbestimmung" berechtigt sei. Dabei fiel natürlich überhaupt nicht auf, dass sie selbst nie das geringste Interesse gezeigt hatten, jenen eine solche "Selbstbestimmung" in den von ihnen vor bzw. auch nach 1967 kontrollierten Teilen Palästinas zu gewähren. 

Wohl existierten einige zweitrangige kulturelle und sprachliche Unterschiede zwischen Palästinensern und anderen Arabern in Jordanien, Syrien und dem Libanon. Doch diese waren weit weniger von Bedeutung als ähnliche Unterschiede zwischen Arabern in verschiedenen Teilen des Irak, innerhalb Ägyptens, Libyens oder Marokko, und niemand dachte auch nur im entferntesten daran, aus diesen Unterschieden eine legitime Basis für jene Gruppen von Arabern für "Selbstbestimmung" konstruieren zu wollen. 

Stattdessen wurden die "nationalen Rechte" und die Notwendigkeit palästinensischer "Selbstbestimmung" zum Mantra der weltweiten arabischen Propaganda, wie sie von ihren PR-Sprechern (und gelegentlich Sprecherinnen) verbreitet wurde. Die westliche Öffentlichkeit, die sich nie gänzlich ihrer verborgenen Antipathien und ihres Misstrauens gegenüber den Juden entledigt hatte, sah in dieser propagandistischen Wendung eine akzeptable Grundlage für die Unterstützung arabischer Ambitionen. So konnten arabische Aggression und Terrorismus auf eine rationale Basis gestellt werden, nicht etwa aus einem unmodernen und als schändlich angesehenem Gefühl tief verwurzelten Judenhasses heraus, sondern aus politisch korrektem Mitgefühl für palästinensische "Opfer des Unrechtes" – die enteignete "palästinensische Nation" auf der Suche nach ihrem Heimatland. Eine westliche Welt, die mit sich selbst nie so ganz einig wurde über so simple Fragen wie die Notwendigkeit für oder das Recht auf Selbstbestimmung der Flamen, Wallonen, nordirischer Protestanten, Korsen, Schotten, Waliser, Quebecois, Basken, Katalonen oder Bretonen, wurde sich ganz erstaunlich einig über eine Sache: dass die Palästinenser ein Recht auf "Selbstbestimmung" und Unabhängigkeit hätten, selbst wenn dadurch die Existenz Israels aufs Spiel gesetzt würde. 

Die Befürworter palästinensischer Selbstbestimmung nehmen niemals die Logik ihres Standpunktes zu genau unter die Lupe, da die Widersprüche zu sehr hervortreten würden. Wenn die Palästinenser so sehr der "Selbstbestimmung" bedürfen, warum ausgerechnet nur unter Beteiligung Israels? Jordanien ist doch auch Palästina. Wie kommt es eigentlich, dass die jordanischen Palästinenser niemals "Selbstbestimmung" nötig hatten? Und warum brauchten die Westbank- und Gaza-Araber keine Selbstbestimmung am 4.Juni 1967, wohl aber einige Tage später? Wie kommt es, dass Palästinenser niemals Selbstbestimmung benötigen, außer wenn sich dabei israelische Gebietsabtretungen und eine strategisch gefährliche Lage für die Existenz Israels erzielen lässt? 

Und woher stammt eigentlich genau die moralische Grundlage für solche "Selbstbestimmung"? Entweder handelt es sich bei den Palästinensern um Araber, oder nicht (ganz offensichtlich sind sie welche). Wenn sie als Araber gelten – warum können dann 22 unabhängige arabische Staaten, deren Gebietsausdehnung die der USA übertrifft, nicht mehr-als-genügende "arabische Selbstbestimmung" bieten, genug, um jede restliche Forderung nach weiterer arabischer "Selbstbestimmung" zu einer Verhöhnung der Gerechtigkeit zu degradieren? Und wenn die Palästinenser nicht als Araber gelten, und somit 22 unabhängige arabische Staaten immer noch nicht ausreichen, das Bedürfnis palästinensischer Selbstbestimmung zu stillen, warum haben die Palästinenser niemals ihre nationalen Rechte und Gebiete von diesen anderen arabischen Völkern, unter denen sie lebten und zu denen sie "nicht gehörten", gefordert? Warum haben die Palästinenser niemals Selbstbestimmung für jene Palästinenser gefordert, die nicht unter israelischer Kontrolle standen, wie z.B. die in Jordanien und Libanon? 

Die Beschwörung des Rechtes auf palästinensische "Selbstbestimmung" durch die Araber hatte im Westen einen ihre wildesten Fantasien übertreffenden Erfolg. Gegen Ende der 70er Jahre hatte es sich zu einer von fast Allen geglaubten Wahrheit gemausert, die in den westlichen Medien obsessiv wiederholt wurde (wegen ihres meist weniger als einen Monat zurückreichenden Gedächtnisses), wonach das Bedürfnis palästinensischer "Selbstbestimmung" immer schon die Grundlage des Nahostkonfliktes darstellte. Wenn Israel nur endlich den Palästinensern diese "Selbstbestimmung" gewährte und zu seinen Grenzen von 1949 (mehr oder weniger) zurückkehrte, müsste der Konflikt logischerweise endigen, da sich seine Existenzgrundlage verflüchtigt hatte. 

In Israel nahm man diese Argumentation zunächst überhaupt nicht ernst. Ganz offensichtlich hatten die Araber ein Hirngespinst produziert, mit dem sie den Westen zu Druck auf Israel zu drängen hofften, sich auf seine "Auschwitzgrenzen" (Abba Eban) zurückzuziehen. Die Araber wollten nur wieder aufs Neue versuchen, was sie schon mit ihren Angriffen auf Israel von 1948, 1967 und 1973 vorhatten. 

Es dauerte bis in die 80er Jahre, als schließlich die israelische Linke und die Liberalen der jüdischen Diaspora auf den "Selbstbestimmungs"-Zug aufsprangen. Sie appellierte an ihr Gefühl von liberaler Schuld und moralischer Symmetrie. Wenn Israel das Recht der Palästinenser auf "Selbstbestimmung" anerkannte, würden die Araber ganz sicherlich die Ehre erwidern. Ist doch nur fair. Sportsgeist und feine Manieren verlangen, dass sich beide Seiten gleich verhalten. Die Liberalen weigerten sich standhaft zu glauben, die arabische Welt sei kein englisches Kricket-Team. 

Auf der Grundlage dieser vermeintlichen moralischen Symmetrie sahen israelische und jüdische Linke mehr und mehr in der Gewährung von "Selbstbestimmung" an die Palästinenser den Schlüssel zur Lösung des Nahostkonfliktes. Eine Gruppierung nach der anderen schloss sich an, einschließlich des gesamten Spektrums politischer Institutionen des Diaspora-Judentums, und in Israel von der radikalen Linken über die Arbeiterpartei bis sogar hin zum Likud. Und jeder, der versuchte, diesen Trugschluss infrage zu stellen, wurde von jenen Fürsprechern palästinensischer "Selbstbestimmung" sofort als Feind des Friedens abgestempelt, als Mensch, der Boden höher schätzt als menschliches Leben, oder den Frieden.

Auf der Suche nach analogen Fällen zum Nahostkonflikt gibt es nur einen einzigen, der alle Elemente des arabisch israelischen Disputes umfasst, einer, der besser als alle anderen  den wahren Kern des Konfliktes illustriert und besser als alle anderen die wirklichen  politischen Interessenslagen beleuchtet. Daneben handelt es sich auch um die beste Quelle  für Lehrmaterial für den Gebrauch von "Selbstbestimmung" als ein Instrument  militärischer Aggression, Gewalt und Völkermord. Es geht um das Lehrbeispiel  Sudetenland. 

Selbst nach nur kurzem Überfliegen der Geschichte des tschechisch-deutschen Konfliktes  kommt einem das nicht ganz geheure Gefühl des "schonmal dagewesen" hoch. Die  Kampagne für palästinensische "Selbstbestimmung", die heute von fast jedermann auf der  Welt, darunter dem Großteil des Diaspora-Judentums und des politischen Spektrums in  Israel unterstützt wird, erinnert wie nichts anderes an eine fast identische Kampagne,  unter ähnlich universaler Zustimmung, nämlich der zur Selbstbestimmung der  Sudetendeutschen in den späten 30er Jahren. Die Verhandlungen über palästinensische  Selbstbestimmung ähneln ganz enorm den Verhandlungen über das Sudetenland. 

Einwendungen gegen die moralische, legale oder strategische Grundlage für  palästinensische "Selbstbestimmung" werden mit derselben automatischen Zurückweisung  und gekränkter Selbstgerechtigkeit behandelt wie ähnliche Kritik in den 30er Jahren an  dem Verlangen nach sudetendeutscher Selbstbestimmung. In beiden Fällen bestanden die  westlichen Demokratien darauf, dass Selbstbestimmung für die "Unterdrückten" eine  sofortige und erhaben gerechte Lösung böte, die den Konflikt beenden und Ruhe  einkehren ließe.  
 
Im Jahre 1938, mitten in den Verhandlungen zur Regelung des Sudetenkonfliktes, warnte  der Präsident der Tschechoslowakei, Dr. Eduard Benesch, den Westen: „Glauben sie nicht,  es gehe hier um Selbstbestimmung. Von Anfang an war dies ein Kampf um die Existenz  des Staates“. 
 
Einige Jahre später, nach Gewährung von Selbstbestimmung für die  Sudeten und dem Ende der Tschechoslowakei als eigenständigem Staat, bemerkte Benesch,  dann im Exil, dass "so ein Konzept der Selbstbestimmung a priori den zehn Millionen  Tschechoslowaken das Recht auf Selbstbestimmung abspricht und die Existenz des  tschechoslowakischen Staates an sich ausschließt". 

Der weltweite Kampf um palästinensische Selbstbestimmung begann ca. 25 Jahre nach  dem Erlangen jüdischer Selbstbestimmung durch die Unabhängigkeit des Staates Israel.

Die Kampagne um Selbstbestimmung für die Sudetendeutschen begann etwa 20 Jahre  nach Schaffung der neuzeitlichen Tschechoslowakei. In beiden Fällen ignorierten die  Fürsprecher der "Selbstbestimmung" die offensichtliche Tatsache einer bereits für die  große Mehrheit der infrage stehenden Völker bestehenden Selbstbestimmung in Gestalt  der deutschen und arabischen Nationalstaaten, die jeweils an die umstrittenen Gebiete  angrenzten. In beiden Fällen wurden die Bevölkerungen der begehrten Länder von den  Aggressoren als "Außenseiter" bezeichnet, als nicht in die Region gehörend. Die  Tschechen waren Slawen, Eindringlinge in den deutschen Lebensraum, Außenseiter,  genau wie die Israelis zu den Ungläubigen zählen und als Außenseiter in den arabischen  Lebensraum eindrangen. In beiden Fällen zog es die Welt vor, die Anzeichen zu  ignorieren, wonach die Forderungen nach "Selbstbestimmung" von ihren Befürwortern  nur als ein Feigenblatt für militärische Aggression zur Zerstörung der Selbstbestimmung  einer anderen Nation benutzt wurde. 

Der tschechoslowakische Staat war wie Israel ein Land, das nach Jahrhunderten  rekonstruiert wurde, nachdem er zerstört und von anderen vor vielen Generationen  absorbiert worden war. Im Mittelalter waren Böhmen und Mähren separate tschechische  Königreiche, die sich unterschiedliche Grade von Selbständigkeit erfreuten, im  allgemeinen im Rahmen des Heiligen Römischen Reiches. Während des  Hussitenaufstandes im 15. Jahrhundert erlangten die Tschechen wieder die volle  Unabhängigkeit in einer an die Makkabäer erinnernden bewaffneten Auseinandersetzung.  Ihre Unabhängigkeit ging dann im Jahre 1620 endgültig verloren, und die tschechischen  Länder wurden vom Reiche Habsburg absorbiert, während die tschechische Bevölkerung  zerstreut wurde. 

Nach dem ersten Weltkrieg, nach Jahrhunderten der Verfolgung, erneuerten die  Tschechen ihre Souveränität, stellten ihre Selbstbestimmung zusammen mit ihren  slowakischen Vettern im Staate Tschechoslowakei wieder her, der sich im Zuge  der nach-kommunistischen Ära wiederum in Tschechei und Slowakei aufteilte. 

Die Tschechoslowakei befand sich, wie Israel, in einer strategisch zentralen Position.

Bismarck bemerkte einmal, dass wer immer über Böhmen herrschte, über ganz Europa  herrschte (was sich die kommunistischen Herren Osteuropas nach dem zweiten Weltkrieg  zu Herzen nahmen). Der moderne tschechische Nationalismus trat in der zweiten Hälfte  des 19. Jahrhunderts hervor, etwa zur selben Zeit wie der Zionismus. Mit dem  Zusammenbruch des Habsburger Reiches erlangte der tschechische Nationalismus die  Selbstbestimmung, ebenso wie die Schaffung des Staates Israel direkt aus dem Zusammenbruch des türkischen Reiches resultierte. 

Während des ersten Weltkrieges warben tschechische Spitzenpolitiker in den europäischen Hauptstädten für ihre Unabhängigkeit, zu genau der gleichen Zeit, als Chajim Weizmann und andere Führungspersönlichkeiten der zionistischen Bewegung um Unterstützung und Anerkennung rangen. Während des Krieges beteiligten sich die Tschechen an Widerstand und Spionage gegen die Mittelmächte, gleichzeitig mit dem zionistischen NILI-Spionage-Ring, der die Briten unterstützte. 
                                     
Die Tschechoslowakei, so wie sie aus dem ersten Weltkrieg hervorging, bestand aus einer heterogenen, bunten Bevölkerungsmischung, wie das Habsburger Reich selbst.

Insbesondere waren etwa 23% der Staatsbürger ethnische Deutsche (nicht weit vom Anteil der Araber an der israelischen Bevölkerung), die sich auf die westlichen Gebiete  konzentrierten, die als Sudetenland bekannt waren. Die meisten Sudetendeutschen waren zu allem entschlossene Gegner einer Eingliederung in einen tschechoslowakischen Staat.

Am 21. Oktober 1918 kamen deutsche Abgesandte aus allen Teilen des früheren österreichischen Kaiserreiches zusammen und beschlossen die Forderung nach nationaler "Selbstbestimmung" für die Deutschen der Tschechoslowakei unter Benutzung des Wilson'schen Begriffes, der erst kürzlich Eingang ins internationale Lexikon gefunden hatte. 

Im folgenden Jahr starteten die Sudetendeutschen eine Welle gewalttätiger Demonstrationen und Terrorismus im Widerstand gegen die Einbeziehung ihrer Länder in  den tschechischen Staat. Tausende Sudetendeutsche flohen aus dem neuen Staat in die Nachbarstaaten Deutschland und Österreich. 

Die neue Regierung der Tschechoslowakei sah sich – wie Israel 1948 – einer gemischten Bevölkerung gegenüber, die eine große Minderheit von zweifelhafter Loyalität zum Staate  enthielt – die sich offen mit großen Bevölkerungsanteilen in Nachbarländern identifizierte  und den neuen Staat prinzipiell ablehnte. Beide Staaten versuchten, das Problem mit  derselben Strategie zu lösen: die feindlich gesonnene Minderheit durch wirtschaftliche  Integration, Toleranz, Freiheit und liberale Sozialreformen für sich zu gewinnen. Der  erste Präsident der Tschechoslowakei war Tomás Garrigue Masaryk, wie David Ben-Gurion ein mächtiger, willensstarker, charismatischer und progressiver Politiker. Masaryk präsentierte genau wie Ben-Gurion ein umfassendes Programm der sozialen, wirtschaftlichen und sprachlichen Gleichheit aller nationalen Gruppen des neuen Staates. Beide Männer sahen in der Integration ihrer jeweiligen Minderheiten sogar die letztendliche Bewährungsprobe ihrer fortschrittlichen Grundsätze. Sowohl die Tschechoslowakei der 20er als auch Israel der 50er Jahre entwickelten schnell eine stabile parlamentarische Demokratie mit Schutz aller Freiheiten, wie man es von modernen westlichen Staaten her kennt. In beiden Staaten nahmen eine Vielzahl politischer Parteien an den Wahlen teil und erzielten Sitze im Parlament. In beiden Staaten entstanden Regierungskoalitionen nach einer Reihe von zwischenparteilichen Kuhhändeln. Wie die israelischen Araber hatten die Sudetendeutschen Stimmrecht und wurden ins Parlament gewählt. In beiden Staaten entwickelte sich eine Art Dezentralisation, wonach es den Minderheiten gestattet war, ihre eigenen Schulen in ihrer eigenen Sprache zu betreiben und ihre lokalen Angelegenheiten selbst zu verwalten. Beide Länder garantierten religiösen Pluralismus und Toleranz. Deutsch war offizielle Staatssprache in den deutschen Gebieten der Tschechoslowakei, so wie Arabisch schon immer eine der anerkannten Staatssprachen Israels war. Alles in allem genossen die Sudetendeutschen eine bessere Behandlung als irgendeine andere nationale Minderheit in Europa, so wie die Araber in Israel (selbst die in den "besetzten Gebieten") Freiheit und Toleranz wie keine andere Minderheit im nahöstlichen Raume genießen. 

Die Tschechoslowakei wurde, wie Israel, von Sozialdemokraten regiert, die sich zu einem Kurs der sozialen Reformen und der Gleichheit verpflichteten. Beide Länder  verabschiedeten legislative Programme, die zu den fortschrittlichsten der Welt zählten. In beiden Ländern erblühten Aktivitäten und Macht der Gewerkschaften. In beiden Ländern experimentierte man verbreitet mit kooperativer Landwirtschaft. Beide Länder überflügelten schnell ihre Nachbarn in Bezug auf wirtschaftliche Entwicklung, Erziehung und Lebensstandard. 

Sowohl die Sudetendeutschen als auch die palästinensischen Araber sahen sich auf einmal im Zentrum internationaler Konflikte und steigender Spannungen. In beiden Fällen  entwickelten sich die Konflikte nach verstärkter Radikalisierung der nationalistischen Bewegungen in Nachbarländern, wo revolutionäre und fremdenfeindliche Führer die Macht ergriffen hatten. Der Sudetenkonflikt entzündete sich an großdeutscher Ideologie und imperialistischen Ambitionen des Dritten Reiches, so wie der Palästinenserkonflikt von panarabischen uns panislamischen Bewegungen des Nahen Ostens erfunden wurde. 

Bei den Sudetendeutschen und den palästinensischen Arabern wurde friedliches Nebeneinander von wachsender Polarisierung und Extremismus abgelöst. Die deutschen Beschwerden über Diskriminierung und schlechte Behandlung durch die Tschechen mehrten sich proportional zum Ansteigen der internationalen Spannungen, ähnlich dem Anwachsen palästinensischer Proteste einige Jahrzehnte später. In beiden Fällen änderte sich das Wahlverhalten auf dem Höhepunkt der Frustration. Während des ersten Jahrzehnts tschechoslowakischer Unabhängigkeit stimmten die meisten Sudetendeutschen eher für gemäßigte Parteien, so wie die israelischen Araber zunächst für die zionistischen Parteien stimmten. In den 30er Jahren jedoch wechselten die sudetendeutschen Wähler zu  nationalistischen Parteien mit totalitären Ideologien über, genau wie die israelischen Araber. 

Insbesondere stieg sprunghaft die sudetendeutsche Anhängerschaft des Nazi-Ablegers, der sogenannten Sudetendeutschen Partei (SdP). Die SdP erhielt 1935 über 60% der deutsch-tschechoslowakischen Stimmen (mehr als die Nazis in Deutschland erhielten), und 1938 über 85%. Nach dem gleichen Muster übertrugen die arabischen Wähler in Israel ihre Loyalität mit großer Mehrheit der antizionistischen, kommunistischen Chadasch-Partei, die sich niemals vom Stalinismus distanzierte, und der PLO. Totalitarismus ist praktisch die einzige politische Gesinnung unter den Palästinensern innerhalb der Autonomie-Gebiete. 

Weder die Klagen der Sudetendeutschen noch der palästinensischen Araber waren gänzlich unbegründet. In beiden Fällen war die Minderheit im öffentlichen Dienst und in den Streitkräften unterrepräsentiert, zum Teil aus Sicherheitsbefürchtungen. Beide Gruppen erfuhren sicherheitsbedingte Beschränkungen, besonders in Zeiten von äußerer Bedrohung und Spannungen. 

In beiden Fällen war die Frage des Landbesitzes Auslöser extremer politischer Leidenschaften der Minderheit. 

Sudetendeutscher Grundbesitz wurde zum Bau von Verteidigungsanlagen enteignet, da die Sudeten längs der deutschen Grenze lagen, von wo die zukünftige militärische Bedrohung zu erwarten war. Einiges arabisches Land in Israel und den "besetzten Gebieten" wurde gleicherweise enteignet. Bei der Schaffung der Tschechoslowakei besaßen die Deutschen einen überproportionalen Anteil am Boden, so wie die Araber Israels. Wenn also Privatbesitz enteignet werden musste, gehörte er demnach mit größerer Wahrscheinlichkeit der Minderheit. Sowohl das Dritte Reich als auch die arabischen Staaten benutzten die Enteignungen als Vorwand für ihre militärische Aggression. Sowohl Nazideutschland als auch die arabische Welt rechtfertigten ihre Aggression mit dem Argument, angeblich zur Verteidigung der Menschenrechte ihrer Brüder eingreifen zu müssen, während sie selber die Menschenrechte in ihren eigenen Staatsgebieten unterdrückten. 

Die wachsende nationalistische Bewegung der Sudeten war antiliberal, antidemokratisch und autoritär, genau wie die Palästinenserorganisation. Die SdP wie die PLO  verabschiedeten niemals ein detailliertes politisches oder soziales Manifest jenseits der Forderung nach "Selbstbestimmung". Beide Organisationen benutzten Gewaltmittel zur Unterdrückung konkurrierender nationalistischer Parteien, und beide festigten ihre eigene  Position als einzige Sprecher ihrer jeweiligen Völker. Die SdP organisierte Sudetenflüchtlinge, die bei der Unabhängigkeit der Tschechoslowakei nach Deutschland geflohen waren. Diese wurden in den Sudetendeutschen Heimatbund, eine paramilitärische Organisation, rekrutiert. Später bildete diese Gruppierung den Grundstock für das Sudetendeutsche Freikorps, eine terroristische Organisation, in die 34000 in Deutschland lebende Sudetendeutsche rekrutiert wurden. Diese Terroristen überfielen tschechische Grenzgebiete und vollführten Gräueltaten noch bis nach Abschluss des Münchner Abkommens. 

Die Nazipartei war in der Tschechoslowakei offiziell verboten. Dennoch wurde die Pressefreiheit peinlichst eingehalten, selbst angesichts steigender Gewalt und Provokationen seitens der Sudetendeutschen. Die politischen Organisationen der Sudetendeutschen und ihre Presse solidarisierten sich unverhohlen mit der Nazipartei in Deutschland, so wie sich die israelisch-arabische Presse mit der PLO und Leuten wie Saddam Hussein identifiziert. Nach seiner Machtergreifung machte Hitler das Thema der nationalen Rechte der Sudetendeutschen zu seinem Hauptinstrument militärischer Aggression. Sein Interesse für "Selbstbestimmung" gründete sich ausschließlich auf seine Entschlossenheit, die Tschechoslowakei zu zerschmettern und zu annektieren. Die Nazipropaganda wurde auf Hochtouren gebracht und beschuldigte die tschechoslowakischen Behörden andauernder Menschenrechtsverletzungen der Sudetendeutschen. Nazigelder flossen in die Kassen der SdP. Deutschland warnte unheilsvoll vor der Existenz eingebildeter sowjetischer Flugplätze in der Tschechoslowakei, so wie die Araber eingebildete amerikanische Landebahnen 1967 in Israel "entdeckten". Deutschland nannte die Tschechoslowakei "eine Marionette sowjetischen Imperialismus'", so wie die Araber Israel als eine Marionette und Instrument des amerikanischen Imperialismus bezeichneten. Den wichtigsten Teil der Nazi-Propagandaattacke gegen die Tschechoslowakei bildete jedoch die Verurteilung unterstellter Folter und körperlicher Misshandlung von Sudetendeutschen durch die Tschechoslowakei. Und das von dem Volk, das bereits die Konzentrationslager baute.  
 Im Sommer 1937 übte Hitler Druck auf Prag aus, Zugeständnisse in der sudetendeutschen Frage zu machen, und komplettierte gleichzeitig seinen militärischen  Plan zur Invasion der Tschechoslowakei. Der Leiter der SdP, Konrad Henlein, ging in die diplomatische Offensive, bereiste westliche Hauptstädte und forderte die Anerkennung sudetendeutscher Rechte.

Als wahrer Sudeten-Arafat versuchte Henlein zunächst, die europäischen Regierungen davon zu überzeugen, dass sich seine Ambitionen auf  Autonomie für die Sudetendeutschen beschränkten. Doch seine Äußerungen wurden von Mal zu Mal militanter. Gäbe es einen deutschen Ausdruck für "Dschihad", hätte ihn Henlein sicher benutzt, wie Arafat es ja zu genüge tat.

Am 1. Januar 1938 sagte Henlein: "Das tschechoslowakische Volk muss erkennen, dass es kein Abkommen mit unserem großen Nachbarn Deutschland geben wird, ohne dass die  Sudetendeutschen zufriedengestellt wurden". 1938 beschloss die SdP das Karlsbader Acht-Punkte-Programm. Dieses Manifest, weit gemäßigter als die immer noch unwiderrufene Palästinensische Nationalcharta der PLO, verlangte im Prinzip eine Teilung der Tschechoslowakei und die Abtretung des Sudetenlandes an Deutschland. Im Gegensatz zur PLO-Nationalcharta schien die Position der SdP wenigstens die Möglichkeit der Koexistenz mit einer Rumpf-Tschechoslowakei nach ihrem Rückzug offen zu lassen. 

So nahm ein internes Problem über Minderheiten-"Rechte" schnell internationale Dimensionen an. Als Reaktion auf Nazi-Proteste begannen die Westmächte, Prag zum Einlenken bezüglich der sudetendeutschen Forderungen zu bewegen. Schon im Juli 1936 beschwor Anthony Eden, der britische Außenminister, die Tschechoslowakei, den Sudetendeutschen volle Autonomie zu gewähren. Henlein besuchte mehrmals London, wo er wie ein Staatsoberhaupt empfangen wurde, so wie die fast universale Krönung Arafats durch die politischen Führer der Welt einige Jahrzehnte später. 

Der tschechische Historiker Radomir Luza verglich die auf Henlein gehäuften Ehrungen mit dem Londoner Empfang des tschechoslowakischen Präsidenten Benesch, der nach seinen Worten "mit mehr Anmaßung als ein afrikanischer Stammeshäuptling behandelt wurde". Würde er heute leben, hätte er sicher hinzugefügt: "Fast wie Netanyahu". 

Nach dem Anschluss Österreichs wuchs die massenweise Unterstützung der SdP unter den Sudetendeutschen wie Gewalt und Massendemonstrationen gegen die Tschechoslowakei. Henlein trieb den Krieg der Worte und der Straßengewalt auf die Spitze, bezeichnete das Prager Regime als "hussitisch-bolschewistische Kriminelle", was man mit den arabischen Äußerungen über "zionistisch-imperialistische Kriminelle" vergleichen könnte. Drohungen seitens des Dritten Reiches erhielten einen immer unheilvolleren Unterton. Erste Berichte über deutsche Truppenkonzentrationen nahe der  tschechoslowakischen Grenze trafen ein. Täglich verurteilte Deutschland die Tschechen als "die wahren Friedensstörer in Europa", während das Reich selbst schon den Krieg plante. 

Unter dem Druck der Westmächte stimmten die tschechoslowakischen Führer Verhandlungen mit der SdP zu und legten ihren eigenen Plan für beschränkte Autonomie vor. Auf Befehl von Hitler wies die SdP den Plan entschieden zurück. London setzte Prag wiederholt unter Druck, den Plan annehmbarer zu machen und einer Volksabstimmung in den Sudeten zuzustimmen, obwohl es offensichtlich war, dass so ein Plebiszit zur Teilung der Tschechoslowakei führen würde. 

Im Gegensatz zur allgemeinen Stimmung der Beschwichtigung gab es einige westliche Proteste, die jedoch im Allgemeinen ignoriert wurden. William Srang, Leiter der  zentraleuropäischen Abteilung des britischen Außenministeriums, warnte:"Selbst wenn es keinen einzigen Deutschen in der Tschechoslowakei gäbe, bliebe das fundamentale Problem in den deutsch-tschechoslowakischen Beziehungen bestehen, nämlich ein slawischer Staat mitten im Herzen Deutschlands … Die deutsche Regierung … benutzt die  sudetendeutsche Frage als Instrument zur Stärkung ihrer politischen und militärischen Position". Hätte sich doch solche Ehrlichkeit von den Arabisten des amerikanischen State Departments in den 90er Jahren hören lassen. 

Von Anfang an argumentierte die Tschechoslowakei, dass die Frage der sudetendeutschen "Selbstbestimmung" nur ein Ablenkungsmanöver war. Den wahren Grund für die mitteleuropäische Krise bildeten die aggressiven Absichten des Dritten Reiches. Dennoch fuhren die Demokratien fort, den Konflikt als Frage von Minderheitenrechten und  Selbstbestimmung zu sehen. England und Deutschland hielten Gespräche ab und verabschiedeten eine gemeinsame Erklärung, worin sie die Rechte der Sudetendeutschen  bekräftigten, ohne jedoch die Sicherheitsbedürfnisse der Tschechoslowakei nur mit einem Wort zu erwähnen – ein Vorgeschmack für das Verhalten der Vereinten Nationen einige Jahrzehnte später. 

1938 verlangte London – und Prag akzeptierte – einen britischen Unterhändler, obwohl die Tschechoslowakei immer darauf bestanden hatte, dass es sich bei der Sudetenfrage um  ein internes Problem handele, das die internationale Gemeinschaft nichts anginge. London beauftragte dazu den für seine starken Sympathien für Deutschland bekannten Lord  Runciman. In seinem Bericht an den britischen Premierminister, Neville Chamberlain, empfahl er, jegliche Agitation innerhalb der Tschechoslowakei gegen die Nazis zu untersagen, was eine gewisse Ähnlichkeit mit der im McCarthy-Stil geführten Kampagne der israelischen Linken einige Jahrzehnte später gegen mit "krimineller Aufhetzung und Aufruhr" beschuldigten Anti-Oslo-Dissidenten hatte. Runciman fügte hinzu: "Tschechoslowakische Herrschaft in den Sudetengebieten war in den letzten 20 Jahren zwar keine aktive Unterdrückung, … doch gekennzeichnet von Taktlosigkeit, fehlendem Verständnis, kleinlicher Intoleranz und Diskrimination bis hin zu dem Punkt, wo sich die Empörung der deutschen Bevölkerung unausweichlich in Richtung Aufruhr bewegte".

Man ändere nur die Namen, und schon ergibt sich die fast universal akzeptierte "Erklärung" für die Intifada. Während der Verhandlungen war die Tschechoslowakei gezwungen, eine deutsche Forderung nach der anderen anzunehmen. Unter westlichem Druck stimmte Prag den "Karlsbader 8 Punkten" als Grundlage für die Verhandlungen zu. Nach jedem einseitigen Prager Nachgeben stellte die SdP neue Forderungen, da sie aus Berlin den Befehl hatte, sich auf keinerlei echte Vereinbarung einzulassen. Die deutsche Strategie war auf Fehlschlag der Verhandlungen ausgelegt, sodass das Reich militärisch intervenieren musste. Henlein erhielt die Weisung für den  unwahrscheinlichen Fall einer vollständigen Prager Kapitulation vor dem Karsbader Programm, neue Forderungen zu stellen, die die Fähigkeit einer eigenständigen tschechoslowakischen Außenpolitik beschränkten und somit die Souveränität kompromittiere. Jahre später machte eine arabische Welt jede Vereinbarung mit Israel davon abhängig, dass es das "Recht auf Rückkehr" außer Kraft setze und seine Souveränität in Fragen der  Einwanderungspolitik aufgäbe, neben anderen Zugeständnissen. 

Als sich die Spannung an den Grenzen dem Höhepunkt näherte, setzte sich die Tschechoslowakei in militärische Alarmbereitschaft. Wie die israelischen Verteidigungsstreitkräfte stützte sich das tschechoslowakische Militär weitgehendst auf ein System der notfallbedingten Mobilisierung von Reservisten. Als die Reserven einberufen wurden, übte der Westen Druck auf Prag zu deren Demobilisierung aus, um Berlin nicht zu provozieren. Prag verblieb auf seinem Standpunkt und wurde dafür von einigen im Westen der Kriegshetze bezichtigt. 

Die meisten der ethnischen Deutschen folgten nicht dem Einberufungsbefehl. Während der Mobilmachung wurden zwei deutsche Bürger von tschechoslowakischen Wachen  getötet, und Hitler zeterte gegen die tschechischen Aggressoren. 

Schließlich stimmte die Tschechoslowakei einer Vereinbarung zu, die im Wesentlichen einer Kapitulation vor dem Karlsbader Programm gleichkam. Am 13. September 1938, noch bevor die SdP offiziell Stellung nehmen konnte, brachen Intifada-Unruhen im Sudetenland aus. Organisiert von der SdP griffen die Aufständischen Juden, Tschechen und Demokraten an und feuerten auf tschechoslowakische Polizisten. Die tschechoslowakische Armee sorgte wieder für Ordnung und verhängte Kriegsrecht, während die SdP-Führung nach Deutschland floh. Vermehrter Druck auf die  Tschechoslowakei ließ die Sudetendeutschen ein Gefühl der Oberhand spüren.

Am 19. September schlugen England und Frankreich vor, alle Gebiete der Tschechoslowakei mit mehr als 50% deutscher Bevölkerung an Deutschland zu übertragen. Zum Ausgleich boten sie der Tschechoslowakei internationale Garantien für die neuen Grenzen nach der Teilung an. Tatsächlich wurde nie so eine formelle Garantie empfangen. Früher hatten dieselben westlichen Mächte natürlich versprochen, die tschechoslowakische Souveränität über ihr gesamtes Staatsgebiet zu verteidigen. 

Am 29. September 1938 trafen sich die europäischen Führer in München und besiegelten das Schicksal der Tschechoslowakei. Es war kein Vertreter der Tschechoslowakei anwesend. Am 1. Oktober zog die Wehrmacht ins Sudetenland ein. Andere Teile der Tschechoslowakei wurden Polen und Ungarn zugeschlagen. Die meisten tschechoslowakischen Grenzbefestigungen befanden sich in der tschechischen "Westbank", die an Hitler abgetreten wurde. 

Die Deutschen implementierten sofort ihr Programm der Gleichschaltung, unterdrückten die tschechische und die slowakische Sprache, konfiszierten tschechoslowakisches Eigentum und zwangen eine Dreiviertelmillion Tschechoslowaken, die in den abgetretenen Gebieten verblieben waren, mit vorgehaltenen Bajonetten zur Emigration. Gleichzeitig röhrte die deutsche Propagandamaschine gegen die Verweigerung von National- und Menschenrechten an die noch im Gebiet der Rumpf-Tschechoslowakei verbliebenen Deutschen. Deutschland verlangte das Recht auf Selbstbestimmung auch für diese, so wie es die Araber immer deutlich machten, dass ein palästinensisches Staatswesen nicht die Notwendigkeit für die Gewährung von Selbstbestimmung an die in Israel innerhalb der Grenzen von vor 1967 lebenden Araber ausschlösse. 

Am 12. März 1939 fanden Demonstrationen in allen übriggebliebenen tschechoslowakischen Städten mit einem Anteil deutscher Bevölkerung statt. Am 15. März vervollständigte die deutsche Armee die Zerstörung der Tschechoslowakei, und die Sudetenbevölkerung war endlich befreit und erhielt ihre nationalen Rechte und Selbstbestimmung. Kein einziges Land rührte auch nur einen Finger. 

Der tschechische Historiker Luza hatte bemerkt: "Die Frage der Sudetendeutschen war nicht der Grund für das Geschehen, sondern ein Vorwand. Der wahre Grund, wie die Deutschen selber zugaben, war die Weigerung des tschechoslowakischen Staates, ein Vasall der Deutschen zu werden". Hitler bestätigte dies am 23. Januar 1942, als er sagte:  "Kurz gesagt, die Tschechoslowaken sind ein Fremdkörper inmitten der deutschen Gemeinschaft. Da ist kein Raum sowohl für sie als auch für uns. Einer muss Platz machen". 

Als die arabische Welt nach 1967 das plötzliche Bedürfnis der Palästinenser nach  "Selbstbestimmung" entdeckten, machte sie gleichzeitig deutlich, dass das Erreichen  solcher "Selbstbestimmung" im Jordanwestufer und Gasastreifen eine Vorbedingung für jeglichen Friedensvertrag darstelle, statt eines der daraus resultierenden Ergebnisse. Die PLO machte deutlich, dass sie sich an diesen Standpunkt hält, wie fast die gesamte arabische Welt, wobei Ägypten und Jordanien eine gewisse Zweideutigkeit an den Tag legen. So wie Deutschland fortfuhr, weitere Zugeständnisse von Prag für die tschechischen Deutschen, die in der Rumpf-Tschechoslowakei nach der Teilung aufgrund des Münchner Abkommens verblieben waren, zu verlangen, werden PLO und die arabischen Staaten unausweichlich die traurige Lage unterdrückter und misshandelter Araber in einem Rumpf-Israel innerhalb der "grünen Linie" entdecken. Forderungen nach Selbstbestimmung für die Araber des Galils, des Negev, des Dreiecks, und dann die in Ramle, Haifa und Jaffa werden erwachen. Ohne Zweifel würde die "Galilee Liberation Organization" ganz oben auf der politischen Tagesordnung stehen. 

Arabische Aggression gegen Israel hatte nie auch nur das Geringste mit irgendeiner arabischen Sorge um die Rechte und die Behandlung der Palästinenser zu tun, wie ihr eigenes Vorgehen gegen ihre eigenen Araber mehr als deutlich macht. Das Verhalten der arabischen Welt gegen in ihrer Mitte lebende nichtarabische Minderheiten gehört zum schlimmsten auf der Welt. Die arabische Bestürmung Israels fußt auf nichts Anderem als die Entschlossenheit, Israel aus seinem Lebensraum zu vertreiben. 

Es gibt natürlich einige bedeutende Unterschiede zwischen dem Feldzug für palästinensische und dem für sudetendeutsche Selbstbestimmung in den 30er Jahren. Anders als Nazideutschland haben die meisten arabischen Staaten und die PLO niemals vorgegeben, dass die Abtretung von Gebieten durch Israel ihre Forderungen befriedigen würde. Die westlichen Demokratien haben niemals Abkommen über gegenseitige Verteidigung mit Israel unterzeichnet, so wie sie es mit der Tschechoslowakei taten. Im Gegensatz zu Israel vertrieb die befreite Tschechoslowakei sofort nach dem Ende des zweiten Weltkrieges praktisch alle Sudetendeutschen von ihrem Gebiet und weigerte sich seitdem, an Verhandlungen über ihre Rückkehr oder Entschädigung auch nur zu denken.

Diesen "Bevölkerungstransfer" hat der Rest der Welt längst vergessen. Der wichtigste Unterschied jedoch besteht darin, dass die Tschechoslowakei 1938 nicht fähig war, sich militärisch zu verteidigen und das Nazi-Militär zurückzuschlagen. 

Es wäre sicher faszinierend, sich vorzustellen, was passiert wäre, wenn die tapferenTschechoslowaken die Wehrmacht besiegt und Bayern als Faustpfand besetzthätten. Hätte die Weltgeschichte den Nahostkonflikt vorweggenommen? Hätten die Führer der Welt "tschechischen Militarismus und Aggression" verurteilt und sich um Wiederbewaffnung der Naziopfer des "tschechischen Imperialismus'" gedrängt? Mit Protesten aus aller Welt über die Misshandlung von Sudetendeutschen und Bayern durch fanatische Tschechen? Nobelpreis für Henlein? Mit tschechischen Linken und Diaspora-Tschechen in Amerika die böse Prager Regierung verurteilend, die aus Leuten besteht, die Land vor Frieden setzen…? 

Und alle wären sich natürlich darüber einig, dass in der Selbstbestimmung für die Sudetendeutschen der Schlüssel zum Weltfrieden liege …  
 
Dr. Steven Plaut lehrt Geschäftsführung und Wirtschaftslehre an der Universität Haifa, Israel. Übersetzung: Rafael Plaut, Chefredakteur von: Kimizion

 

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