Das Erbe von Rabbi Schimon bar Jochai

Lag BaOmer erinnert an das Ableben von Rabbi Schimon bar Jochai, einem der führenden Weisen des Talmud und Autor des Sohar, dem grundlegenden Text der Kabbala.

4 Min.

Rabbiner Menachem Mendel Schneerson

gepostet auf 05.04.21

Lag BaOmer [1] erinnert an das Ableben von Rabbi Schimon bar Jochai, einem der führenden Weisen des Talmud und Autor des Sohar, dem grundlegenden Text der Kabbala. Rabbi Schimons Wissen reichte von dem exoterischen Bereich der Tora bis zu deren tiefsten mystischen Geheimnissen. Außerdem konnte er diese beiden Gebiete nicht nur in ihrem jeweiligen Bereich verstehen, sondern als eine zusammengehörige Einheit. Der grundlegende Aspekt ist der Körper und das mystische Element die Seele der einheitlichen Tora.

Diese Einheit der Tora, welche Rabbi Schimon erkannte, ermöglichte es ihm die Göttliche Einheit in unserer materiellen Welt wahrzunehmen, mehr noch, diese Einheit im Faktischen wie auch im Abstrakten erscheinen zu lassen. Er verstand das Studium der Tora als allumfassend, fähig, dass es jedem Aspekt in unseren Leben beeinflussen und kontrollieren kann.

Der Sohar erzählt[2], dass Erez Israel einmal an einer schweren Dürre litt. Als die Juden an Rabbi Schimon wandten, um Hilfe zu erhalten, erläuterte er den Vers[3], „wie gut und wie angenehm ist es, wenn Brüder zusammensitzen“ – und es begann zu regnen.

In der derselben Art erzählt der Midrasch[4], dass einer von Rabbi Schimons Studenten nach Israel zurückkehrte, nachdem er in fremden Ländern Reichtum erlangt hatte. Als Rabbi Schimon sah, dass einige seiner anderen Studenten neidisch wurden, führte er diese zu einem Tal und rief, „Tal, Tal, fülle dich mit goldenen Münzen“, und dies geschah. „Jeder der möchte, kann sich bedienen“, erklärte Rabbi Schimon, „aber er sollte wissen, dass er von seinem Anteil in der kommenden Welt nimmt.“

Rabbi Schimon war fähig den spirituellen Reichtum der kommenden Welt als materiellen Reichtum in dieser Welt entstehen zu lassen.

An Lag BaOmer versuchen wir dieser Qualität von Rabbi Schimon nachzueifern. An diesem Tag ist es für junge Jeschiwa-Studenten Brauch, die Hallen ihres Studiums zu verlassen und in die Felder zu gehen[5]. Der Zweck dieses Brauches ist es offensichtlich nicht, die Jahrzeit von Rabbi Schimon kenntlich zu machen, indem man einen Urlaub vom Studium der Tora nimmt, sondern um die Jeschiwa in die Felder zu bringen. Rabbi Schimon war fähig die tiefsten mystischen Elemente der Tora mit den natürlichen Elementen der Welt zu vereinigen. Kinder versuchen ihm nachzueifern, indem sie die die Atmosphäre der Jeschiwa auch auf das Feld ausweiten, ein Gebiet, welches scheinbar außerhalb des Bereiches der Tora liegt.

Rabbi Schimon lehrte, dass die zugrunde liegende Einheit von Tora und Weltlichkeit jeden Tag zum Ausdruck gebracht werden sollte und nicht nur einmal im Jahr. Im Lichte dessen können wir eine klassische Talmud-Debatte[6] zum Vers[7], Diese Tora-Rolle soll nicht weichen von deinem Mund.”

Rabbi Jischmael sagt, dass dieser Vers nicht wörtlich genommen werden sollte; es sollte vielmehr so viel Zeit wie möglich dem Tora-Studium gewidmet werden, aber ein Teil der eigenen Zeit sollte auch dem Verdienen des Lebensunterhaltes gewidmet werden. Rabbi Schimon führt aus, eine Person sollte ihre ganze Zeit und Anstrengung dem Tora-Studium widmen, die Verbindung mit Gott sorgt dafür, dass die materiellen Bedürfnisse befriedigt werden.

Rabbi Schimon handelte seinen Lehren gemäß. Der Talmud[8] sagt über ihn, Toraso Umanuso – „Sein Beruf war Tora“. Er widmete sich ausschließlich dem Tora-Studium, hielt sich aber vollkommen von weltlichen Angelegenheiten fern.

Ist Rabbi Schimons Sichtweise für uns bedeutsam? Die Debatte zusammenfassend, schreibt der Talmud[9]: „Viele folgten der Meinung von Rabbi Jischmael und waren erfolgreich; andere folgten der Meinung Rabbi Schimons und waren nicht erfolgreich.“ Obgleich es Rabbi Schimon selbst möglich war auf diesem hohen Level zu bestehen, scheint es außerhalb der Reichweite der meisten Menschen zu liegen.[10] Tatsächlich äußern sich unsere Rabbiner[11], dass das Konzept Toraso Umanuso, wie es durch Rabbi Schimon beispielhaft vorgelebt wurde, nicht länger existiert.

Wie verstehen wir dann diese Unterweisung?

Unsere Weisen bemerken[12], dass die Tora nur denen gegeben wurde – d.h., den Juden in der Wildnis – die Manna aßen. Diese Aussage ist nicht dafür gedacht die Anzahl derjenigen zu begrenzen, die Zugang zum Tora-Studium haben; es zielt stattdessen darauf ab, uns zu lehren, wie wir das Ziel erreichen können.

Währenddessen unsere Vorfahren ihre Nahrung vom Himmel erhielten, brauchten sie sich nicht darum sorgen, wie man den Lebensunterhalt verdient. Da all ihre Bedürfnisse auf wunderbare Weise befriedigt wurden, waren sie fähig ihre ganzen Energien allein auf das spirituelle Wachstum zu konzentrieren. Wir, demgegenüber, erfreuen uns nicht an derartigen Wundern, und müssen darum einen gewissen Teil unserer Zeit damit verbringen, dass wir uns mit weltlichen Angelegenheiten beschäftigen. Dennoch sollte während der Zeit, in der wir Tora lernen, alle unsere Sorgen und Nöte zurückgestellt werden. Auf diese Art und Weise können wir, in der Zeit, die wir dem Tora-Studium gewidmet haben, den Level derjenigen erreichen, “die Manna aßen,” und Rabbi Schimons Status von Toraso Umanuso nacheifern.

Der Alter Rebbe erklärt[13], dass das Erfüllen einer Mizwa einen ewigen Bund mit dem Göttlichen errichtet. Auch wenn wir nur kurz mit der ungeteilten Aufmerksamkeit „derer, die Manna aßen“, Tora lernen, sichern wir uns einen zeitlosen Bund auf dem Level von Rabbi Schimon bar Jochai. Auch nach solchen Studien, wenn ein Mensch seine Aufmerksamkeit wieder auf die materiellen Angelegenheiten richtet, bleibt die innere Verbindung erhalten.

In der Ära der Erlösung wird die Verschmelzung des Materiellen und des Spirituellen, wie sie durch Rabbi Schimon exemplarisch vorgelebt wurde, sich in der ganzen Welt wiederspiegeln. Und durch die Verbreitung der Lehren Rabbi Schimons wird die Erlösung beschleunigt. Wie der Ra'aja Mehemna ausführt[14]: „Weil das jüdische Volk möglicherweise vom Baum der Erkenntnis, der das Buch Sohar ist, kosten wird, wird es mit ihm, in Gnade, aus dem Exil kommen.“Möge dieses bald in unseren Tagen geschehen.
 
Fußnoten:

[1] Dieser Artikel ist ein Auszug aus den Lehren des Lubawitscher Rebbe, Likute Sichot, Vol. III, Sicha zu Lag BaOmer 5733

[2] Band III, Seite 59b. Der Talmud führt eine Reihe von Fällen auf, in welchen unterschiedliche Weise ihre Gebete für Regen beantwortet bekommen haben (siehe Taanis 23a, 25b). Das außergewöhnliche an diesem Fall ist, dass der Regen nicht als Antwort auf ein Gebet erfolgte, sondern als physischer Ausdruck der Energien, die durch das Studium der Tora entstanden sind

[3] Tehillim 133:1.
 
[4] Schmos Rabba 52:3.
 
[5] Sefer HaSichos 5704, S.119; HaJom Jom, für Lag BaOmer; Sefer Bein Pessach leSchawuot (Israel, 5744), Kap. 18:33-34 und 19:8-9.
 
[6] Brachot 35b.
 
[7] Jehoschua 1:8.
 
[8] Schabbat 11a.
 
[9] Brachot, loc. Cit.
 
[10] Es erscheint, dass Rabbi Schimon bar Jochai selbst eingeschätzt hat, dass dieser Level der Hingabe jenseits des Potentials der meisten Menschen lag. So berichtet Schabbat 33b, dass, als Rabbi Schimon und sein Sohn Rabbi Elasar nach dem 13-jährigen Martyrium aus dem Versteck kamen, sie Personen an getroffen hatten, die in ihre alltäglichen Angelegenheiten vertieft waren. Rabbi Elasar war es nicht möglich dieses zu verstehen, “Wie können Menschen das ewige Leben (d.h., Studium der Tora) verlassen und sich mit weltlichen Angelegenheiten beschäftigen?” Rabbi Schimon beschwichtigte ihn, “Du und ich sind genug für die Welt.”
 
[11] Schulchan Aruch HaRaw, Hilchot Tefilla 106:4; Hilchot Talmud Tora 4:4-5.
 
[12] Mechilta, Schmot 16:4
 
[13] Tanja, Kap. 25
 
[14] Sohar III, S. 124b; siehe Iggeres HaKodesch, 26
 
Sie lasen einen Auszug aus dem Buch: Likute Sichot, Vol. III, Sicha zu Lag BaOmer 5733, basierend auf den Lehren des Lubawitscher Rebbe.

Mehr über die Chabad-Bewegung und den Chabad-Rebbe finden Sie hier.
 

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