Kniefall

Selbst ein verstandesmäßig unterentwickeltes Kind weiß, dass also seine Wirklichkeit von der Wirklichkeit seiner Eltern abhängt.

3 Min.

Joel Schwarz

gepostet auf 17.03.21

Ist der Glaube dem Menschen in die Seele geprägt?
 
Die Suche des Menschen nach einer höchsten Kraft lehrt, dass sich die ganze Menschheit dessen bewusst ist, dass es solch eine höchste Macht gibt. Es findet sich keine Kultur ohne Glauben an eine höchste übernatürliche Instanz. Der Anfang des Glaubens liegt in der Erschaffung des ersten Menschen. So wie es nicht nötig ist, einem Kind den Glauben einzuflößen, dass es Kind seiner Eltern sei, dass also seine Wirklichkeit von der Wirklichkeit der Eltern abhänge – eine Sache, die selbst ein verstandesmäßig unterentwickeltes Kind weiß – , ebenso erkannte der erste Mensch den HERRN als seinen Schöpfer.
 
Dieser traditionelle Glaube an eine höchste übernatürliche Macht kommt selbst bei den entlegendsten Stämmen zum Ausdruck. Diese Erscheinung, dass kein Stamm auf dieser Welt ohne Glaube ist, wäre ohne den Ursprung aus einer höheren Kraft, von der die Ahnen wussten, unmöglich; es ist hier nicht die Rede von denen, die absichtlich das Joch des Himmelreiches abgeworfen haben, sondern es ist die Menschheit gemeint, die vor jeder fassbaren Überlieferung lebte. Obwohl über Tausende von Jahren keine Verbindung zwischen den Völkern und Stämmen bestand, war ihnen ausnahmslos der Glaube an eine übernatürliche Macht gemeinsam. Dabei spielt es keine Rolle, wie dieses Übernatürliche benannt wurde.

Alle Religionswissenschafter sehen sich gezwungen einzugestehen, dass es keine Kultur und keine Gesellschaft ohne Religion gibt: Der Mensch bezeugt auf die verschiedensten Weisen, dass etwas in oder über der Welt ist, das größer oder erhabener ist als er, das nicht Teil der gewöhnlichen alltäglichen Welt ist, in der der Mensch lebt. Er scheint gleichsam zu fühlen, dass es über diese Welt hinaus noch eine Dimension gibt, die ihn mehr oder weniger leitet, eine Macht, die von der Erfahrungswelt des Menschen grundsätzlich unterschieden ist, eine Kraft, die sein Geschick bestimmt.
 
Nicht nur aufgrund der Tradition erkennt der Mensch, dass eine höchste Macht ist, die die Welt leitet, sondern die Ausrichtung auf eine solche Instanz ist im Menschen verwurzelt, das klare Streben, mit Gott in Beziehung zu treten und sich ihm zu nähern. Jeder Mensch, egal welcher Weltanschauung, ist fähig zu beten und fühlt ein inneres Drängen dazu. So ist das Gebet die eindeutigste Offenlegung dieser natürlichen Ausrichtung auf Gott hin.
 
Es ist möglich, dass man am Schreibtisch eine Weltanschauung erdichtet, die der Religion und der Gottesbeziehung keinen Platz einräumt. Aber sobald man selbst oder ein geliebter Mensch in Lebensgefahr schwebt, dann ist man plötzlich fähig, das Knie zu beugen und aus ganzem Herzen zu dem zu beten, der die Toten belebt und in dessen Hand das Leben aller Geschöpfe liegt.
 
Der große dänische Dichter Sören Kierkegaard erzählt über einen Gottesleugner, der die Ehe eingeht und dann auf seine Frau einwirkt, von der Religion abzulassen. Er lebt mit ihr und ihrem kleinen Sohn. Die Frau erkrankt und liegt im Sterben; als er am letzten Morgen zu ihr tritt, stellt er eine Veränderung ihrer Haltung ihm gegenüber fest. Da fragt er sie, und sie sagt ihm die Wahrheit: „Wer sieht, dass seine Stunden gezählt sind, der fühlt etwas in seinem Inneren, was über die letzte Stunde hinausreicht.“

Gott zu leugnen ist eine Sache des lebenden Menschen, angesichts des Todes reichte die Kraft der Frau dazu nicht mehr. In diesen letzten Augenblicken ihres Lebens erkennt der Mann, dass es ihm nicht gelungen ist, seine Frau ganz und gar an sich zu binden; sie gehört schon einer anderen Welt an; sie ist schon im Begriffe, den Gott zu sehen von Angesicht zu Angesicht, den sie doch nach dem Willen ihres Mannes verleugnen sollte. Nach ihrem Tod bleibt der Mann allein mit dem kleinen Sohn und tröstet sich an ihm. Eines Tages wird das Kind von starken Schmerzen befallen; der Vater steht hilflos an seinem Bett, er sieht zu, wie das Kind leidet, wie sich seine Augen weiten aus Angst vor dem nächsten Anfall von Schmerzen, und jeder Anfall ist schlimmer als der vorhergehende. So sitzt der Vater am Bett seines Sohnes einen ganzen Tag lang.

Als er den Anblick seines kranken Sohnes nicht mehr ertragen kann, fällt er auf die Knie und betet zu Gott im Himmel, der die Macht hat zu töten und lebendig zu machen, dem keiner gleicht, dass er seinen Sohn rette. Am Morgen – ist er allein. In jener Nacht ist seine Welt zusammengebrochen, und sein Herz grämte sich ein ganzes Leben lang darüber, dass in der Stunde der Versuchung seine Gottesleugnung nicht standgehalten hatte, und er versucht sich einzureden, dass er bei jenem Gebet nicht wusste, was er tat, und dass der Schmerz über seinen Sohn seinen Verstand überforderte.
 
Doch dieses gelang nicht! Mit Wissen und in vollem Bewusstsein beugte er die Knie vor seinem Schöpfer; dies sind die Konflikte, in die Gottesleugner geraten, denn die Kraft des Glaubens ist eine elementare Kraft im Menschen, und auch dem ärgsten Gottesleugner gelingt es nicht, sie auszumerzen.
 
C.G. Jung hat in seinem Leben Hunderte von Kranken behandelt. Es sei, so Jung, kaum einer unter ihnen gewesen, dessen Problem nicht in einer gescheiterten Weltanschauung oder in einem Sich Lossagen von Glaubensinhalten bestanden hätte.

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