Morden oder töten?

Oftmals wird eines der Zehn Gebote mit: „Du sollst nicht töten“ übersetzt. Im hebräischen Originaltext heißt es jedoch: „Du sollst nicht morden.“

6 Min.

Breslev Israel Redaktion

gepostet auf 05.04.21

FRAGE:

Oftmals wird eines der Zehn Gebote mit: „Du sollst nicht töten“ übersetzt. Im hebräischen Originaltext heißt es jedoch: „Du sollst nicht morden.“ Worin besteht daher also der Unterschied zwischen „töten“ und „morden“?

ANTWORT (von Rabbi David Kraus):
 
Schalom!
 
Deine Frage ist eine sehr gute!
 
Im Grunde genommen besteht zwischen „töten“ und „morden“ kein unterschied! Es ist sowohl verboten jemanden zu töten als auch zu ermorden.
 
Aus sprachlicher Sicht kann es allerdings auch sein, dass ein Mensch einen anderen ungewollt tötet. Im Umkehrschluss kann es aber ebenso gut vorkommen, dass ein Mensch jemanden bewusst tötet, Gott behüte. Dieses bewusste „Töten“ heißt dann eben „Morden“.
 
Wie du siehst handelt es sich bei den beiden Übersetzungen um durchaus richtige.
 
Bemerkenswert finde ich deinen Scharfsinn in der genauen Betrachtung der Thora, denn genau um das geht es!
 
Jeder Buchstabe der sich in der Thora befindet steht für jeden Einzelnen für uns geschrieben! Jeder kann daher seine persönliche Botschaft – in allem – was sich in der Thora befindet entdecken.
 
Was ich damit sagen möchte ist, dass du nicht zufällig auf diesen Unterschied achtgegeben hast.
 
Doch zum besseren Verständnis würde ich dir gerne etwas im Bezug auf deine Frage aus dem 2. Buch Moses zitieren (siehe: IM GARTEN DES GLAUBENS)
  
Dort wird erklärt was die Rechtslage für den Fall ist, wenn eine Person eine andere irrtümlich erschlug, jemand eine andere also ungewollt tötete. Das sich daraus ergebene Urteil sieht bei solch einer Sachlage die Strafe der Verbannung vor. Und so steht es geschrieben:
 
„Wer einen Menschen totschlägt, der soll getötet werden. Wenn er ihm allerdings nicht auflauerte, sondern Gott es ihm so in seine Hände gefügt hat, so werde Ich dir einen Ort bestimmen, wohin er fliehen soll.“ (2. Buch Moses, Kapitel 21, Satz 12-13)
 
Mit den Worten: „Wenn er ihm allerdings nicht auflauerte“, wollte das 2. Buch Moses zum Ausdruck bringen, dass der Täter anfänglich keine Tötungsabsichten besaß, da er die Tötung seines Nächsten weder plante noch vorbereitete. Mit anderen Worten handelt es sich hierbei um eine Art tragischen “Unfall“…
 
Allerdings offenbart uns das 2. Buch Moses hier mit den folgenden Worten, dass „Gott es ihm so in seine Hände gefügt hat“, dass es sich dabei keineswegs um einen irrtümlichen Totschlag handelte. Gott hat die beiden mit der Absicht, dass der eine den anderen irrtümlich erschlägt, schlichtweg zueinander geführt. Folglich hat Gott diesen Unfall sozusagen herbeigeführt, so wie es sich eindeutig aus dem Satz, dass „Gott es ihm so in seine Hände gefügt hat“, zweifellos ergibt. 
 
Aus der Auslegung des heiligen 2. Buch Moses (dem Midrasch) lässt sich allerdings hochinformativ entnehmen, dass den eben erläuternden Sätzen folgendes Szenario voraus ging: 
  • Zunächst einmal erschlug ein Mensch einen anderen mutwillig und mit Absicht.
  • Im Anschluss darauf erschlug eine Person eine andere, hier allerdings irrtümlich.
Bei keinen dieser beiden Taten waren Augenzeugen vorhanden, die die jeweiligen Tatbestände zu Protokoll geben könnten. Demnach kann keiner der beiden seine gerechte Strafe erhalten. Das heißt zum einen, dass der Mörder nicht zu seiner ihm gebührenden Todesstrafe verurteilt werden kann, und zum anderen kann der irrtümliche Totschläger nicht zu einer Verbannung abgeführt werden.  
 
Doch Gott, der die zwei Ereignisse selbstverständlich aufmerksam verfolgte, lässt nun die Gerechtigkeit – so wie in den vorherigen Sätzen erläutert – walten. Das heißt, dass Er die beiden gemeinsam zu einem Gasthof führt, wo der Mörder unter einer Leiter sitzt, von der der irrtümliche Totschläger nach dessen Aufstieg auf ihn hinabstürzen und so seinen Tod besiegeln wird.
 
Bei diesem Vorfall waren dieses Mal einige Menschen anwesend, die den Tatbestand detailliert bezeugen können. Infolgedessen erhielten beide ihre gerechte Strafe. Der irrtümliche Totschläger kann nun zur Verbannung abgeführt werden, und der mutwillige Mörder verlor sein Leben.  
 
Aus dieser Geschichte lässt sich entnehmen, dass Gott hinter allen Unfällen, die tagtäglich geschehen steht, und die Gerechtigkeit dabei walten lässt. Augenscheinlich würde man den verstorbenen Mann, der unter der Leiter saß, bemitleiden, da er ja schließlich Opfer der Missgunst wurde. Ebenso würde man den Mann der von der Leiter hinabstürzte mit bemitleidenden Augen betrachten, da dieser ja schließlich völlig unabsichtlich handelte. Doch die Wahrheit spricht andere Bände, deshalb nahm alles bis ins Detail seinen gerechten Lauf. 
 
Eine ähnliche Geschichte entstand, nachdem Moses Gott darum bat:
 
„So tue mir doch Deine Wege kund“ (2. Buch Moses, Kapitel 21, Satz 13)
 
Das heißt dass Moses Gott darum bat ihm zu zeigen, wie sich das Puzzle Seiner Menschenführung zu einem Bild zusammenfügen lässt. Gott erwiderte ihm daraufhin:
 
„Komme zu Mir auf den Berg“ (5. Buch Moses, Kapitel 10, Satz 1)  
 
Wie von Gott befohlen machte sich Moses auf den Weg den Berg zu besteigen. Nach einiger Zeit wurde er dabei Augenzeuge eines sonderbaren Vorfalls.  
 
Er sah einen Mann, der seinen Durst an einer Wasserquelle stillte. Bei genauerem hinsehen fiel ihm allerdings auf, dass sich die Geldbörse dieses Mannes – durch die Beugestellung an der Wasserquelle – aus seiner Brusttasche löste und zu Boden fiel. Der Mann machte sich – nachdem er seinen Durst gestillt hatte – ohne zu merken, dass er seine Geldbörse verlor, auf den Weiterweg.  
 
Einige Augenblicke nach dessen Verschwinden ging ein anderer Mann zu dieser Wasserquelle, um seinen Durst zu löschen. Dabei stach ihm sofort die auf dem Boden liegende Geldbörse ins Auge. Er nahm sie ohne lange zu fackeln an sich und machte sich aus dem Staube.  
 
Moses musste nicht lange warten, und schon tauchte ein dritter Mann an dieser Wasserquelle auf, um aus ihr zu trinken.
 
In der Zwischenzeit kam der erste Mann, der seine Geldbörse verlor, wieder zurück, um diese zu suchen. Allerdings vergebens. Natürlich ging dessen Verdacht geradewegs auf den zuletzt eingetroffenen Mann und so fragte er ihn:
 
„Vor ein paar Minuten trank ich so wie sie aus dieser Wasserquelle, doch zu meinem Pech verlor ich dabei meine Geldbörse. – Haben sie sie vielleicht gesehen?!“
 
Der als Dritter an die Wasserquelle gekommene Mann erwiderte ihm:
 
„Es tut mir leid, ich habe weder ihre Geldbörse gesehen noch gefunden.“
 
Daraufhin verlor der zuerst eingetroffene Mann seine Nerven und prügelte den zuletzt eingetroffen Mann zu Tode. 
 
Als Moses all diese Ereignisse verarbeitete, wendete er sich empört zu Gott:
 
„Herr der Welt, so tue mir doch Deine Wege kund! Ich habe dieses Ereignis von Anfang bis Ende verfolgt und bin schockiert. Schockiert darüber, dass ausgerechnet der zweite Mann mit dem Fund der Geldbörse als Sieger dieses Dramas hervorging, wobei der zuletzt eingetroffene Mann völlig unschuldig ermordet wurde!?“
 
Gott sprach daraufhin zu Moses:
 
„Alles was du sahst entspricht der gerechten Wahrheit! Der augenscheinliche Besitzer der Geldbörse (der erste Mann), stahl diese in Wirklichkeit vor geraumer Zeit dem zweiten Mann. Und als dieser seinen Besitz wieder fand, nahm er ihn logischerweise – ohne lange zu fackeln – an sich.
 
Was dem ermordeten Mann betrifft (der dritte Mann) musst du wissen, dass dieser vor Jahren den Vater des ersten Mannes ermordete. Allerdings wusste dieser nichts davon. Ich hingegen weiß alles, und deshalb führte Ich die beiden an diese Wasserquelle, damit der erste Mann mit der Ermordung des dritten Mannes das Blut seines Vaters rächt.“  
 
Diese Situation erklärt ebenso den Satz, dass „Gott es ihm so in seine Hände gefügt hat“ – Wem? Dem ersten Mann, damit dieser das Blut seines Vaters rächen kann, und so der Mörder seines Vaters seine gerechte Todesstrafe erhält.
 
Die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen sind zum einen, dass Gott bei jedem Ereignis auf dieser Welt eine genaue, sowie alleinige Steuerung und Aufsicht besitzt und zum anderen, dass hinter einem Unfall weit mehr steht als augenscheinlich erkennbar. 
 
Im Laufe eines Lebens durchlebt ein Mensch etliche Situationen, die er als totale Ungerechtigkeiten wertet. In Wahrheit handelt es sich in der Regel allerdings dabei um heftige Fehlinterpretationen seinerseits.
 
Der Grund für diese häufigen Fehlinterpretationen bildet die Tatsache, dass ein Mensch nur einen kleinen Bildausschnitt seines Lebens sieht.  
 
Das Gesagte gleicht einer Situation, in der eine Person mit großer Verspätung zu einer Aufführung erscheint, die sich ihrem Ende naht. Als diese Person ihren Sitzplatz einnahm und auf die Bühne blickte, traf sie das Entsetzen, da sie sah wie ein Mann eine Frau auf brutalste Weise zusammenschlägt. – Wutentbrannt sprach sie vor sich her: „So ein Bösewicht! Völlig unverständlich, wie er sich nur so an dieser unschuldigen Frau vergeht!“ Einer der Zuschauer, dem das Gemurmel vom Geschehen auf der Bühne ablenkte, brachte sie zum Schweigen: „Pssss! Halten sie endlich ihren Mund! Wenn sie die Vorführung von Beginn an verfolgt hätten, würden sie schon verstehen, dass diese Schlange mit diesen Schlägen viel zu billig davonkommt…!“
 
Dieses Beispiel verkörpert unmissverständlich die extrem eingeschränkte Sichtweise eines Menschen, der kaum einen Minimalbruchteil des gesamten Bildes zu sehen vermag. Das heißt, er sieht weder die Vergangenheiten jedes Einzelnen, mit dem er direkt oder passiv zu tun hat, noch sieht er, was jede Seele (inklusive seine eigene) in den vorherigen Leben alles durchmachen musste, sodass ihr nun widerfährt, was ihr widerfährt. Ebenso wenig sieht er, wer mit wem welche offenen Rechnungen zu begleichen hat. Des Weiteren hat er keinen Schimmer davon, was sich hinter den individuellen Lebensumständen jedes Menschen verbirgt. Er weiß z.B. nicht, weshalb der eine im Mangel lebt und der andere hingegen nicht, usw., usf. Ich denke, jeder hat eine Vorstellung davon, was er nicht weiß.  
 
Doch wenn der Blick eines Menschen ihm ermöglichen würde, das gesamte Bild in seiner Vollständigkeit zu betrachten, dann hätte niemand keinerlei Fragen mehr. Jeder würde einsehen, dass alles völlig gerecht sowie bis ins Detail durchgerechnet ist.
 
Möge Gott Dich segnen und behüten – AMEN
 
———-
 
FRAGE:
 
Ich verstehe ein bisschen von den Speisegesetzen im Judentum und was Koscher bedeutet. Mich würde interessieren, welche Rolle Nahrungszusätze und „künstliche Nahrungsmittel“ (z.B. Gummibärchen) hierbei spielen.
 
ANTWORT (von Rabbi David Kraus):
 
Schalom!
 
Es freut mich zu hören, dass du dich mit den jüdischen Speisegesetzten, also alles rund um das Thema „Koscher“ auseinandersetzt. Jedes Lebensmittel das Koscher ist, ist aufgrund dessen automatisch auch qualitativ am Höchststand. 
Im Bezug auf Gummibärchen muss man sehr gut achtgeben, da es durchaus vorkommt, dass die Hersteller Gelatine aus Schweinefett zur Herstellung der Gummibärchen benutzen. Des Weiteren spielen selbstverständlich auch Nahrungszusätze bzw. künstliche Nahrungsmittel eine sehr große Rolle. Vor allem bei denen, welche Geschmack in das Lebensmittel geben.
 
Da ich selbst nicht in Deutschland lebe, kann ich dir jetzt leider keine genaue Auflistung von den Nahrungsmitteln geben die Koscher oder eben nicht Koscher sind.
 
Aber auf der Webseite der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland kannst du dir einen Ratgeber bestellen, der aufzeigt wie man sich in Deutschland Koscher ernähren kann.
 
Möge Gott Dir helfen und immer guttuend zur Seite stehen – AMEN

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