Zufrieden?

Es gibt drei Arten des menschlichen Genießens: a) Befriedigung - b) Zufriedenheit - c) Freude (Seligkeit)

4 Min.

Joel Schwarz

gepostet auf 05.04.21

Die Bestimmung unseres Lebens in dieser Welt
 
„Alles Geschaffene habe ich um Meines Namens und Meiner Ehre willen geschaffen und gebildet.“(Jes. 43, 6). „Der Mensch ist zu nichts anderem geschaffen, als sich an Gott zu erfreuen und am Glanz Seiner Nähe sich zu beglücken, denn dies ist die wahre Seligkeit und die Freude, die alle erdenklichen anderen Freuden übersteigt.“ (Mosche Chaim Luzatto) „Mühst du dich um die Tora, so bist du reich in dieser Welt und in der kommenden Welt wird es dir gut gehen.“ (Sprüche der Väter 6, 4).
 
Das Leben des Menschen verläuft auf zwei Ebenen: Das irdische Leben in dieser Welt, und danach das Leben der vom Körper getrennten Seele. Um ein wenig von der Bedeutung eines körperlosen Daseins zu verstehen, ist ein Blick in die Untersuchungen hilfreich, die Dr. Moody vorgelegt hat. Er beschäftigt sich mit der Befragung von klinisch Toten, die wie durch ein Wunder ins Leben zurückkehrten. Wir werden uns hier aber nur mit dem irdischen Bereich unseres Lebens befassen, der nach der Definition der Weisen Israels „Vorhalle zum Festsaal“ (Sprüche der Väter 4, 16) ist. In ihr bereitet sich der Mensch vor auf den Eintritt in den Festsaal. Dieser ist die Hauptsache, und dennoch befassen wir uns mit dieser Welt des Tuns.
 
Alles, was uns wirkliche Freude und Befriedigung für unser Leben in dieser Welt bringt, hat ein geistiges Moment – um wie viel mehr gilt dies für unser Leben in der kommenden Welt. Diese geistige Dimension ist in jedem Falle die Hauptsache.  
 
Es gibt drei Arten des menschlichen Genießens:
 
a)     Befriedigung
b)     Zufriedenheit
c)     Freude (Seligkeit)
 
Befriedigung ist alles Vergnügen, das aus der Erfüllung der körperlichen Bedürfnisse entspringt, wie Schlaf, Körperpflege, Sexualität. Sie ist also körperlicher Art.
 
Zufriedenheit ist ein Gefühl, das sich einstellt, wenn der Mensch etwas getan hat, das ihm oder anderen hilft; etwa die erfolgreiche Bewerbung um einen Arbeitsplatz, der Erwerb einer Wohnung oder sonstigen unabdingbaren Besitzes. Sie ist ein verstandesmäßiger Genuss, da sie nicht gebunden ist an die unmittelbare Befriedigung von körperlichen Bedürfnissen.
 
Freude oder Seligkeit ist ein Genießen, das den Menschen erfüllt. Die Erfahrung, die die Seele des Menschen sättigt, wird in der Schrift Freude genannt: „Licht ist dem Gerechten vorbestimmt – die geraden Herzens sind erleben Freude. Freut euch, Gerechte, an Gott und danket Ihm…“ (Ps. 97, 11 – 12). Freude kommt zum Menschen also durch ein erfülltes geistiges Leben.
 
Diese Möglichkeit zu einer tiefen Erfahrung der Freude ist es, die Mensch und Tier voneinander unterscheidet. Traurigsein und Frohsein, Lieben und Hassen, Sympathie und Neid finden sich bei allen Lebewesen – nicht aber diese Erfahrung. Die Psychologie spricht von einem Hunger nach solch tiefem Erfahren und weiß auch von den mannigfachen Versuchen der Menschen, diesen Hunger zu stillen.
 
Durch die Hinwendung zu allen erdenklichen körperlichen Vergnügungen, durch den übertriebenen Kult der Ansprüche und des Konsums lässt sich das Verlangen nach jener Erfahrung der Freude nicht erfüllen. Es bleibt das Unterscheidende zwischen Mensch und Tier, bleibt eine Dimension der menschlichen Seele.
 
Die erwähnten drei Arten des Genießens ähneln der Einteilung, die der Gaon von Wilna in seinem Kommentar zu den Sprüchen Salomos für menschliches Handeln vornimmt:
 
a) „angenehm“ – das ist die Triebbefriedigung;
b) „nützlich“ – das ist das Tun von Dingen, deren Beständigkeit, die Zufriedenheit genannt wird; und
c) „gut“ – das ist das Tun des wahren Guten, das in der Verwirklichung unserer geistigen Aufgaben besteht, die uns Freude bringen – Erfahrung.
 
Wenn wir die Sache aufmerksam betrachten, sehen wir, dass in jedem Genießen ein geistiges Moment enthalten ist.
 
So sagt der Philosoph Rabbi Bachya Ibn Pakuda in seinem „Lehrbuch der Herzenspflichten“:
 
„Wenn der Mensch esse, habe er auch noch Teil an einem darin enthaltenen vollkommeneren, geistigen Vergnügen. Indem er sich um seinen Körper kümmere, ihn nähre, tränke etc., tue er etwas Wichtiges. Die Pflege des Körpers und die Sorge um seine Gesundheit seien auch geistige Pflichten. Denn Gott habe uns unseren Körper anvertraut, damit wir ihn bewahren sollten.“(Bachya Ben Joseph Ibn Pakuda, Lehrbuch der Herzenspflichten.)
 
Auch wenn der Mensch isst, ohne an die Gesundheit und das ihm Aufgegebene zu denken, kommt doch im Unterbewusstsein ein geistiges Vergnügen dazu. Das zeigt sich daran, dass gerade bei allem, wo sich der Mensch allein aufs Vergnügen konzentriert, das Vergnügen ausbleibt.
 
Ein weiteres Beispiel für die Besonderheit des menschlichen Genießens ist die Freude am Schönen. Noch nie haben wir irgendein Tier gesehen, das entzückt gewesen wäre vom Anblick einer Landschaft. Das Vergnügen an der Schönheit der Schöpfung ist geistig und seine Wurzel liegt in der Seele des Menschen.
 
Außerdem lehrt solches Empfinden, wer der war, der diese schöne Schöpfung geschaffen hat. Auch das Vergnügen an einem Kunstwerk, obwohl vom Menschen hervorgebracht, hängt mit der bezeichneten Anerkenntnis der Größe dessen zusammen, der den Menschen und eine so weise Schöpfung geschaffen hat.
 
Psychologen haben darauf hingewiesen, dass dem Menschen trotz aller unterschiedlicher Bewertung dessen, was als schön gelten dürfe, doch ein natürliches Empfinden der Schönheit der unberührten Schöpfung eigen sei. Was wir wahrnehmen in der Gestalt, wie es aus der Hand des Schöpfers hervorging, trifft das seelische Empfinden in uns. Es ruft eine seelische Nähe hervor, die Schönheitsempfindung genannt wird. Es gibt sicherlich keinen objektiven Maßstab dafür, was als schön zu bezeichnen sei. Wenn dieses Empfinden aber völlig subjektiv ist, weshalb gibt es dann nicht ebenso viele Reaktionen wie Menschen auf der Welt? Die Tatsache, dass Menschen aller Nationen, gesellschaftlicher Stellungen und unterschiedlicher Vorbildungen in ihrer Mehrzahl auf die Natur, so wie sie aus der Hand ihres Schöpfers kam, positiv ansprechen, wird durch das Wort der Schrift so erklärt: „Und Gott schuf den Menschen in Seinem Ebenbilde…“ (1. Mose 1, 27). In unserem Zusammenhang wird auch dieses schwere Schriftwort verständlich.
 
Dr. Viktor Frankl beschreibt in seinem Bericht über seine Erfahrungen im Konzentrationslager (Viktor E. Frankl, … Trotzdem Ja zum Leben sagen; ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager, München 1977) eben dieses Schönheitsempfinden, das dem Menschen in die Seele geprägt ist: In dem Maß wie das innere Leben des Gefangenen intensiver werde, entwickele er einen neuen Sinn für die Schönheit der Natur und der Kunst. Durch sie vergesse er sogar für Augenblicke das Bedrängende seines Daseins. Wenn jemand damals ihre Gesichter gesehen hätte, so erzählt Frankl, als sie von Auschwitz zu einem anderen Lager fuhren und die Berge Salzburgs, ihre Gipfel, die in der Abendsonne erstrahlen, durch die kleinen vergitterten Luken der Waggons betrachteten, hätte er nie geglaubt, dass dies die Gesichter von Leuten sein könnten, die keine Hoffnung auf Überleben und Freiheit hatten. Dennoch – oder vielleicht gerade deswegen  – seien die Gefangenen von der Schönheit der Natur bewegt gewesen, die sie so lange hatten entbehren müssen.
 
 
 

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