Zweck unserer Freude

Die Menschheit befindet sich im Hier und Jetzt, und wenn gegenwärtig Terroristen von der Bildfläche verschwinden, so ist das ein Segen für die Welt.

5 Min.

Rabbiner David Kraus

gepostet auf 15.03.21

Frage: Immer wieder müssen Soldaten Terroristen aus Notwehr töten, dies bleibt leider nicht aus. Allerdings ist mir aufgefallen, dass diese Tötung aus Notwehr von einigen bejubelt wird. Was kann man dagegen halten? Den Tod eines Menschen sollte man, meines Erachtens nicht bejubeln, auch wenn es der Feind ist, denn er ist ausgeschaltet. Was nützt der Jubel?

 

Ich weiß, dass das Volk sang, als die Ägypter im Meer ertranken, und Gott hat nichts gesagt. Aber kann man deswegen sagen, es ist legitim, zu singen (synonym in diesem Fall zum Freuen/Jubeln), wenn jemand erschossen wurde, auch wenn die Notwehr gerechtfertigt ist?

 

Was unterscheidet uns dann noch von unseren Feinden, wenn wir genauso handeln? Die im Übrigen nicht sehen, dass die Notwehr gerechtfertigt war.

 

Antwort: Es ist eine Mitzwa, sich zu freuen, wenn ein Terrorist beseitigt wurde. Freuen darf man sich, aber nicht aus Hassgefühlen heraus, sondern vielmehr, weil wir nun darüber triumphieren, dass das Böse von der Welt verbannt wurde, die Menschheit nun also ungestört den Plan Gottes von einem harmonischen Zusammensein weiter aufleben lassen kann.

 

Die Frage wirft uns halachisch zurück zum unbeschreiblich schrecklichen Terroranschlag militanter Palästinenser am 31.8.2010. Vier unschuldige Juden wurden bei diesem Anschlag bei Hebron ermordet. Die Opfer waren Itzchak und Talja Eimas, sie haben 6 Waisenkinder hinterlassen. Avishai Schindler, 24 Jahre alt und Kochi Even Haim, 37 Jahre alt. Als der Mann von Kochi Even Haim als Sanitäter zum Tatort erschien, sah er unerwartet, wie seine Frau erschossen am Boden lag, er erlitt einen schweren Nervenzusammenbruch, von dem er sich bis heute nicht erholt hat.

Als dann die feigen Attentäter der Hamas von der IDF erwischt und beim Versuch ihrer Gefangennahme von einem israelischen Kommando erschossen wurden, befragten einige Freunde der Familie Eimas, ob sie sich denn darüber freuen dürften, ja ob sie es feiern dürften, dass die islamistischen Attentäter nun auch ihr Leben verloren haben.

 

Einer der führenden sephardischen Rabbiner, Ben Zion Mutzafi, sagte kurz und bündig: „Sich darüber zu freuen, ist eine große Mitzwa, denn der Vers sagt: ‚Wenn die Gottlosen sterben, jubelt man laut.“ (Sprüche 11, 10)

 

Im Gegensatz zu dem Vers des weisen Salomo „Wenn es den Gottesfürchtigen gut geht, feiert die ganze Stadt; wenn die Gottlosen sterben, jubelt man laut“ berichtet der Talmud im Traktat Sanhedrin 39b, dass die Ägypter im Meer untergingen und die Engel voller Freude ausgelassen sangen. Der Schöpfer hat das aber sofort unterbunden. Er hat allen Engeln eine Abmahnung verpasst und ihnen auch untersagt, sich singend darüber zu freuen. „Meine Handarbeit geht im Meer unter und singt“, so sprach der Ewige.

 

Das Interessante dabei ist, dass der Schöpfer des Lebens dabei aber nur alle Engel abmahnte. Das Volk Israel indessen sang voller Freude ungestört weiter.

Das ist sehr verwirrend, schließlich ist es ja ein Gebot, sich die Eigenschaften und das Handeln des Schöpfers zum Vorbild zu nehmen.

 

Im Talmud Traktat Megila 10b heißt es, dass der Schöpfer sich nicht über den Tod eines Menschen freut, egal was der Mensch war. Deshalb war es den Engeln auch verboten zu singen. Aber dennoch bleibt die Frage, warum das Volk Israel jubeln durfte!

 

Der Maharal von Prag, Rabbi Judah Löw schrieb in seinem Kommentar zum Talmud (Chidushey Agadot, bezugnehmend auf Sanhedrin 32b), dass die Freude sich nur auf der Grundlage der Vollkommenheit entfalten kann. Der Schöpfer des Lebens wollte eine Welt der Liebe, wo die Menschen aller Nationen in Harmonie zusammenleben, so wie es heißt: „Der Ewige hat Freude an dem, was Er geschaffen hat!“ (Psalm 104, 31)

 

Wie also kann sich der Ewige darüber freuen, wenn ein Teil Seiner Schöpfung elend untergeht? Er freut sich nicht, aber trotz allem will Er, dass Menschen sich über den Untergang Gottloser freuen. Menschen, die in ständiger Angst leben, im Terror, sich bedroht fühlen und fürchterlichen Verbrechen ausgesetzt sind, verspüren dann Erleichterung, also Freude und Vollkommenheit, sobald sie erfahren, dass Terroristen und Verbrecher beseitigt wurden.

 

Für den Schöpfer ist jeglicher Menschentod ein Fehlen in der Betrachtung Seiner Schöpfung, aber aus menschlicher Sicht ist es ein Fortschritt, wenn Terroristen nicht mehr unter uns weilen. Das weltliche Gesamtbild zu lenken, ist nicht unsere Aufgabe, das ist allein der Job vom König aller Könige. Die Menschheit befindet sich im Hier und Jetzt, und wenn gegenwärtig Terroristen von der Bildfläche verschwinden, so ist das ein Segen für die Welt, da der Traum von einem harmonischen Zusammenleben aller Menschen dadurch gefördert wird.

 

Es ist nur zu menschlich, sich über den Tod von Tyrannen und Terroristen zu freuen. So erzählt der Talmud im Traktat Megila 16a, wie Mordechai HaJehudi sich über Haman lustig machte, als dieser ihn auf dem königlichen Pferd sitzend durch die Gassen Schuschans spazieren musste. Der Talmud berichtet davon, wie Mordechai den Haman dazu erniedrigte, sich zu bücken, damit er problemlos auf das Pferd aufsteigen kann. Als Mordechai auf das Pferd aufstieg, verpasste er dem Haman sogar noch einen Tritt. Haman sagte dann zu Mordechai: „In der Tora steht: Freu dich nicht über den Sturz deines Feindes.“ (Sprüche 24,17) Mordechai erwiderte, dass es solche und solche Feinde gibt.

 

Ein normaler Streitfall in der Nachbarschaft, nach einem Autounfall, in der Arbeit usw., hier soll man sich nicht über den Sturz eines Feindes freuen, denn hier wäre ja nicht die Rede von wirklicher Freude, sondern eher von Schadenfreude, nach dem Motto „Das geschieht ihm recht“. Das will der Schöpfer nicht. Er will unser Herz und auch, dass wir alle herzlich miteinander umgehen.

 

Aber Feinde, die sich den Tod aller Juden wünschen, Feinde die sich zum Ziel machen, Israel den Erdboden gleich zu machen, hier fordert der Ewige ein anderes Verfahren: „Deine Feinde werden sich vor dir erniedrigen und du setzt deinen Fuß auf ihre Nacken.“ (5. Buch Mose 33, 29)

Und genau diesen Vers erwiderte der Mordechai dem Haman, der ja alle Juden an nur einem Tag vernichten wollte.

 

Wenn wir also über Freude reden, sollte analysiert werden, was der Zweck unserer Freude ist. Rabbeinu Jona schrieb in seinem Kommentar zu den Sprüchen der Väter (Bederech Chaim 4, 20): „Freu dich nicht über den Sturz deines Feindes“. Habe also keine Freude an Inakzeptablem, aber erfreue dich einer positiven Freude.

 

Wenn ein Terrorist stirbt, dürfen wir uns nicht aus unserem Hass heraus freuen. Die Quelle unserer Freude muss das Licht der Gottesehre sein. Schließlich dürfen wir glücklich darüber sein, dass das Böse aus der Welt schwindet und das Licht Gottes, die Emuna, die Kraft des Glaubens, sich in der Welt verbreitet.

 

Im Talmud heißt es (Sanhedrin): „Ein Böser kam auf die Welt – Wut erfüllt die Welt, so wie es heißt: ‚Mit einem gottlosen Menschen kommt auch Verachtung und Schande‘ (Sprüche 18, 3). Ein Böser verschwindet von der Welt – Gutes erfüllt die Welt, so wie es heißt: ‚Wenn die Gottlosen sterben, jubelt man laut‘ (Sprüche 11, 10).“

 

Das Böse von der Welt zu verbannen, führt zu Jubel und Triumph, da die Welt nun ungestört ein harmonisches Zusammensein schaffen kann.

 

Als die Engel gemeinsam mit dem Volk Israel den Tod der Ägypter bejubeln wollten, bremste der Schöpfer die Euphorie der Engel zu Recht aus. So heißt es im Buch „Esch Kodesch“ (Seite 28), das während der Hölle des Holocausts von Admor aus Piaseczna, Rabbi Kalonymus Kalman Shapira, verfasst wurde: „Wurde ein Engel schon einmal brutal zusammengeschlagen? Wurde ein Engel schon einmal ermordet? Wurde ein Engel schon einmal erniedrigt und niedergemacht? Nein, wir aber ja! Die Engel erlitten in Ägypten keine Qualen, deshalb sollen sie nun auch nicht singen. Wir aber haben sehr gelitten, unbeschreibliche Qualen, und deshalb heißt es beim Auszug aus Ägypten: ‚Damals sangen Mose und die Kinder Israels … ‘“

 

Fazit: Es ist eine Mitzwa, sich zu freuen, wenn ein Terrorist beseitigt wurde. Freuen darf man sich aber nicht aus Hassgefühlen, sondern vielmehr, weil wir nun darüber triumphieren, dass das Böse von der Welt verbannt wurde, die Menschheit nun also ungestört den Plan Gottes von einem harmonischen Zusammensein, weiter aufleben lassen kann, so wie es heißt: Für Zion kommt der Erlöser und unsere Augen mögen es schauen, wenn Du in Barmherzigkeit nach Zion zurückkehrst, und nach Jeruschalajim, Deiner Stadt, kehre in Barmherzigkeit zurück. AMEN

 

 

Rabbiner David Kraus (M.A in Psychologie und Integrativer Psychotherapie | Dipl. Paar- und Familientherapeut | Dipl. Pädagogischer Elternberater) finden Sie bei Facebook.

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