Achtung fremden Eigentums – Schmot

Die Tora fordert von uns Privateigentum zu achten. Zwar kennt das jüdische Gesetz keine Todesstrafe für Eigentumsdelikte, die es bei anderen Völkern noch im 19. Jahrhundert gab...

3 Min.

Prof. Dr. Yizhak Ahren

gepostet auf 05.04.21

Zum Wochenabschnitt Schmot (Schmot 1,1 – 6,1)

„Und Mosche hütete die Schafe Jitros, seines Schwiegervaters, des Priesters von Midian, und führte die Schafe hinter die Wüste und kam an den Berg Gottes, an den Choreb“ (Schmot 3,1). Raschi gibt folgende Antwort auf die Frage, warum Mosche die Schafe in die Wüste trieb: „Um sie vom Raube fernzuhalten; die Schafe sollten nicht fremde Felder abweiden.“ Im Chumasch „Torat Chajim“ wird als Quelle zu dieser Erklärung von Raschi Midrasch Tanchuma (Siman 7) genannt.

In dieser Midrasch-Stelle geht es nicht nur um die Frage, warum Mosche die Schafe hinter die Wüste führte. Behandelt wird dort ein weiteres Thema: wodurch hat sich Mosche ausgezeichnet, dass ihm die Führung des jüdischen Volkes übertragen wurde? Midrasch Tanchuma stellt die These auf, dass ein Mensch einen Test bestehen müsse, bevor Gott ihm eine Führungsposition anvertraue. Mosche habe diese Prüfung als Hirte der Schafe Jitros bestanden. (Später wurde – so führt der Midrasch aus – David geprüft, und zwar ebenfalls als Hirte.)
 
Halten wir fest: Nach Ansicht des angeführten Midraschs hat sich Mosche Rabbenu dadurch für die Position an der Spitze des jüdischen Volkes qualifiziert, dass er Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz fremden Eigentums ergriffen hat. Es sei angemerkt, dass Mosche einer Tradition gefolgt ist, die bereits im Hause unseres Urvaters Abraham praktiziert wurde. Die Tora berichtet von einem Zank zwischen den Hirten der Herden Abrams und den Hirten der Herden Lots (Bereschit 13,7). Worum ging es bei diesem Streit? Raschi erklärt: „Lots Hirten waren Übeltäter und trieben ihr Vieh auf fremde Felder. Abrams Hirten wiesen sie wegen des Raubs zurecht.“ Dass Abrahams Kamele einen Maulkorb tragen mussten, damit sie nicht auf einem fremden Feld essen konnten, erwähnt Raschi im Wochenabschnitt Chaje Sara zweimal (Bereschit 24,10 und 24,32).
 
Die Tora fordert von uns Privateigentum zu achten. Zwar kennt das jüdische Gesetz keine Todesstrafe für Eigentumsdelikte, die es bei anderen Völkern noch im 19. Jahrhundert gab, wie Isaac Breuer in „Nachaliel“ (Tel Aviv 1951) bemerkte, aber man darf die Sache gewiss nicht auf die leichte Schulter nehmen. Rabbiner S.R. Hirsch sprach von der „Heiligkeit des Eigentums“ und ermahnte: „Auch das geringste, spricht die Tora, darfst du nicht stehlen. Ist's aber so gering, dass man es nicht achtet, es also gar keinen Wert hat, z.B. von Strohbündel oder Zaun einen Span zum Zahnstocher zu nehmen, so ist's gesetzlich nicht verboten, doch empfehlen unsere Weisen auch solches zu unterlassen, und bemerken: wenn jeder solches tun würde, würde der ein gar bald seinen Bündel, der andere seinen Zaun einbüssen. Wer aber auch nur den Wert eines Hellers entwendet, ist, als habe er das Leben geraubt. Stiehl auch nicht aus Scherz, aus Neckerei. Nimm nichts ohne Wissen des Eigentümers auch nur zum augenblicklichen Gebrauch, um es gleich wiederzugeben, denn es ist Diebstahl für den Augenblick“ (Chorew, Kap. 46).
 
In Lebensbeschreibungen großer Tora-Lehrer findet man nicht selten Anekdoten, die uns vor Augen führen, wie vorsichtig diese Gelehrten waren, wenn es um fremdes Eigentum ging. So wird z.B. über den Chafetz Chajim erzählt, dass er nicht bereit war, Vorteile zu akzeptieren, die ihm ein Bahnschaffner verschaffen wollte, und zwar deshalb, weil der Angestellte gegen die Interessen der Eisenbahngesellschaft handelte. Auch ist überliefert, wie der Chafetz Chajim das Monopol der Post respektiert hat: Wenn er einer Privatperson einen Brief mitgab, pflegte er sofort eine Briefmarke ungültig zu machen, damit die Post durch die private Beförderung keinen Schaden erleide.
 
Die der jüdischen Einstellung entgegengesetzte Position schreibt der Talmud (Pesachim 113b) Kanaan zu, der seinen Söhnen u.a. empfahl: „Liebet den Raub!“ Diese Talmudstelle wurde im antisemitischen Propagandafilm „Der ewige Jude“ (1940) zitiert. Die Zuschauer des üblen Machwerks sollten glauben, Kanaan habe der jüdische Einstellung Ausdruck verliehen – hier liegt natürlich eine völlige Verdrehung des Sinns vor. Warum überliefert uns die Gemara Kanaans Maxime? Raschbam erklärt: diesen Grundsatz zu kennen ist wichtig, damit man sich vor solchen Menschen in Acht nehmen soll.
 

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