Anspornung zur Gebotserfüllung – Zaw

„Der Ausdruck ‚zav’ impliziert eine Anspornung, und zwar sowohl für die Gegenwart als auch für die Zukunft. Rabbi Schimon erklärt: eine Anspornung ist dann besonders angezeigt...

3 Min.

Prof. Dr. Yizhak Ahren

gepostet auf 17.03.21

Zum Wochenabschnitt Zaw (Wajikra 6,1 – 8,36)

Die Bestimmungen für das Ganzopfer werden anders eingeleitet als die Bestimmungen für das Sühnopfer. Zuerst lesen wir: „Und der Ewige redete zu Mosche also: Gebiete (hebr.: zav) dem Aharon und seinen Söhnen also: das ist die Weisung für das Ganzopfer“ (Wajikra 6, 1&2). Einige Verse später heißt es: „Und der Ewige redete zu Mosche also: Rede (hebr.: daber) zu Aharon und seinen Söhnen also: das ist die Weisung für das Sühnopfer“ (Wajikra 6, 17&18). Einmal steht „gebiete“ und dann „rede“ – was sollen wir aus dem Unterschied in der Ansprache lernen?
 
Raschi gibt folgende Deutung: „Der Ausdruck ‚zav’ impliziert eine Anspornung, und zwar sowohl für die Gegenwart als auch für die Zukunft. Rabbi Schimon erklärt: eine Anspornung ist dann besonders angezeigt, wenn Geldverlust (hebr.: Chisron Kiss) involviert ist.“ Raschis Quelle ist uns nicht unbekannt; er hat den Midrasch Sifra zur Stelle zitiert. Rabbi Schimon Bar Jochais Lehrsatz finden wir auch im Midrasch Sifre (zu Bamidbar 5, 2); dort sind einige Beispiele  für die Regel und auch ein Ausnahmefall erwähnt.
 
Die Kommentatoren sind sich nicht einig, ob Rabbi Schimons Bemerkung auch auf den Fall des Ganzopfers zu beziehen ist. So meint Rabbiner N.Z.J. Berlin, beim Ganzopfer könne man nicht von einem Geldverlust der Kohanim sprechen. Rabbiner Berlin erläutert, das Wort zav stehe an dieser Stelle aus folgendem Grunde: die Kohanim mussten beim Ganzopfer besonders angespornt werden, weil sie diese Aufgabe nicht routinemäßig erledigen konnten, sie hatten die für das Feuer erforderliche Holzmenge täglich neu einzuschätzen. Mehrere Autoren sind jedoch der Ansicht, Rabbi Schimon habe auch an das Wort zav beim Ganzopfer gedacht, als er seinen Lehrsatz aufstellte. Es liegen etliche Versuche vor, das „Chisron Kiss“ in diesem Fall zu deuten. Hier sei nur die Auffassung des Maharal von Prag angeführt. Der Maharal schreibt, der „Chisron Kiss“ habe nicht in Geld bestanden, das der Kohen zulegen musste, sondern vielmehr in der Zeit, die er für das Ganzopfer aufzubringen hatte; in der Zeit, die er mit dem Ganzopfer beschäftigt war, hätte der Priester woanders vielleicht Geld verdienen können: time is money!
 
Lassen wir die dargelegte Meinungsverschiedenheit der Exegeten einmal beiseite. Ohne Zweifel hat Rabbi Schimon Bar Jochai eine tiefe Wahrheit ausgesprochen: Ist eine Gebotserfüllung mit Chisron Kiss verbunden, dann müssen die Menschen besonders angespornt werden! Das Schma-Gebet, das Juden täglich zweimal sprechen (siehe Rabbiner A. Chill, Die Mitzwot, Zürich 1991, S. 394), erinnert die Beter unmissverständlich daran, dass sie bereit sein sollten, Geldverlust zu akzeptieren: „Und liebe Gott, deinen Gott, mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Vermögen“ (Dewarim 6, 5).
 
Rabbiner S.R. Hirsch erläutert, wie die Halacha den letzten Teil des eben zitierten Satzes interpretiert hat. „Selbst das ganze Vermögen ist hinzugeben, wenn es nur durch Übertretung eines göttlichen Verbots erhalten bleiben könnte. Erfüllungen von Geboten sind nicht mit so großen Opfern zu erkaufen (siehe Rabbiner M. Isserles zu Orach Chajim 656).“ Damit eine Person nicht in eine Lage gerät, in der sie auf die Hilfe anderer angewiesen ist, soll sie für die Erfüllung eines positiven Gebots nie mehr als 20 Prozent des Vermögens ausgeben. Rabbiner S. Schwab gibt in seinem Werk „Insights to Prayer“ (Brooklyn 2001) folgende Antwort auf die schon oft gestellte Frage, warum die Mitzwa, eine Tora-Rolle zu schreiben (Maimonides, Sefer HaMitzwot, Gebot Nr. 18), von der Allgemeinheit nicht befolgt wird: Um eine Tora-Rolle zu schreiben, muss man in unseren Tagen ungefähr $25.000 aufwenden; wer also nicht mindestens $125.000 besitzt, der ist nicht verpflichtet, dieses Gebot zu erfüllen. Sehr reiche Leute können sich auf andere Gründe berufen, die hier nicht zu diskutieren sind (siehe Rabbiner A. Daum, Halacha aktuell, Frankfurt 1992, S. 320).
 

Sagen Sie uns Ihre Meinung!

Danke fuer Ihre Antwort!

Ihr Kommentar wird nach der Genehmigung veroeffentlicht.

Fuegen Sie einen Kommentar hinzu.