Eile zur Pflichterfüllung

Zum Wochenabschnitt Tasria (Wajikra 12,1 – 13,59)- Es gibt etliche Mitzwot, die man nicht in der Nacht ausführen darf, sondern nur am Tag, nach Sonnenaufgang.

3 Min.

Prof. Dr. Yizhak Ahren

gepostet auf 17.03.21

Zum Wochenabschnitt Tasria (Wajikra 12,1 – 13,59)

Es gibt etliche Mitzwot, die man nicht in der Nacht ausführen darf, sondern nur am Tag, nach Sonnenaufgang. Zu diesen Geboten der Tora gehört die Beschneidung (hebr.: Berit Mila). Die Weisen haben die Halacha, dass die Berit Mila tagsüber zu erfolgen hat, aus dem folgenden Vers gelernt: „Und am achten Tage soll er an dem Fleische seiner Vorhaut beschnitten werden“ (Wajikra 12, 3). Im Midrasch „Sifra“ wird aus der Erwähnung des Tages (hebr.: BaJom) abgeleitet, dass man nicht schon in der Nacht des achten Tages den Knaben beschneiden darf; Rabbiner M.L. Malbim erläutert, dass die Tora das Wort BaJom hätte weglassen können, es steht aber im Text, um die Nachtzeit auszuschließen.
 
Im „Sifra“ sowie im Babylonischen Talmud (Pessachim 4a) wird festgestellt, dass die Berit Mila zwar während des ganzen Tages vorgenommen werden kann, die Eifrigen jedoch zur Pflichterfüllung eilen (hebr.: Serisin makdimin leMitzwot), denn es heißt: „Und Abraham stand Morgens früh auf“ (Bereschit 22, 3). Unser Stammvater Abraham verlor keine Zeit, dem Willen Gottes zu gehorchen! Abrahams Reaktion auf den göttlichen Befehl, mit Yizhak in das Land Moria zu gehen, soll uns als Vorbild bei der Pflichterfüllung dienen. Midrasch und Talmud beziehen das Prinzip „Serisin makdimin leMitzwot“ auf die Berit Mila, aber es gilt auch für andere Mitzwot (siehe die ausführliche Besprechnung in der „Enzyklopedia Talmudit“, Stichwort „Serisin makdimin leMitzwot“).
 
Folgen wir lediglich dem Beispiel des ersten Stammvaters oder gibt es einen einleuchtenden Grund für die von Abrahams Verhalten abgeleitete Regel Serisin makdimin leMitzwot? Rabbiner Ben Zion Firer nennt in seinem Buch „Panim Chadaschot BaTora“ zwei Gründe, warum ein Mensch die Gebotsausübung nicht verschieben sollte. Der erste Grund ist sehr simpel: man könnte sterben – damit ist täglich zu rechnen (siehe Schabbat 153a) – und hätte dann die Mitzwa nicht gemacht. Als zweiten Grund nennt Rabbiner Firer ein gesundes Selbstmisstrauen: jetzt bin ich bereit, eine bestimmte Mitzwa zu erfüllen; kann ich ganz sicher sein, dass meine Einstellung sich nicht gleich ändern wird? Sprüche der Väter 2, 5 lautet: „Hillel sagt: Glaube nicht an dich bis an dein Todestag“. Wer diese Gründe für weit hergeholt hält, wird vielleicht die folgende Begründung plausibel finden: Wer sich Morgens früh mit einer Mitzwa befasst, der demonstriert, dass ihm dieses Gebot am Herzen liegt und dass er um die richtige Reihenfolge Bescheid weiß; wer hingegen sich vor der Gebotserfüllung mit anderen Dingen beschäftigt und trödelt, der zeigt, dass die Pflicht ihm nicht so wichtig ist.
 
In den Sprüchen der Väter wird mehrfach gelehrt, dass man zur Pflichterfüllung eilen soll. „Ben Asai sagt: Eile zur leichtesten Mitzwa“ (4, 2). „Juda Ben Tema sagt: Sei rasch wie der Hirsch, den Willen deines Vaters im Himmel zu vollbringen“ (5, 23). Diese Lehrsätze haben sich im für uns verbindlichen Kodex „Schulchan Aruch“ niedergeschlagen: man soll auf dem Weg in die Synagoge schnell gehen, nicht aber auf dem Weg von der Synagoge, es sei denn man geht dann irgendwohin, um eine andere Mitzwa zu erfüllen (Orach Chajim 90, 12 und Kommentar „Mischna Berura“ zur Stelle).
 
Im Talmud heißt es: „Rabbi Jehoschua Ben Levi sagte: stets mache man sich früh nach dem Bethause auf, damit man das Verdienst habe, zu den ersten zehn gezählt zu werden, denn auch wenn nach ihm hundert kommen, erhält er die Belohnung aller. – Die Belohnung aller, wie kommst du darauf? – Sage vielmehr: man gibt ihm einen Lohn wie allen zusammen“ (Berachot 47b). Rabbiner Schmuel Elieser Edels (= Maharscha) erklärt, dass die ersten zehn Beter die Schechina in die Synagoge gebracht haben; wer später dazukommt, der schließt sich nur denjenigen an, die die Schechina dorthin gebracht haben. Im Hinblick auf die tägliche Praxis  sei vermerkt, dass der zitierte Lehrsatz von Rabbi Jehoschua Ben Levi im „Schulchan Aruch“ (Orach Chajim 90, 14) kodifiziert worden ist.

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