Unzucht verursacht Verbannung

Zum Wochenabschnitt Achare Mot - Das Problem der Assimilation, der Anpassung an die Sitten anderer Völker, hat den Juden von Anfang an zu schaffen gemacht...

3 Min.

Prof. Dr. Yizhak Ahren

gepostet auf 17.03.21

Zum Wochenabschnitt Achare Mot (Wajikra 16, 1 – 18, 30)

Das Problem der Assimilation, der Anpassung an die Sitten anderer Völker, hat den Juden von Anfang an zu schaffen gemacht, nicht erst – wie viele heute meinen – seit dem Zeitalter der Emanzipation. Vor der Auflistung der Ehe- und Keuschheitsgesetze steht die Mahnung: „Nach dem Verfahren des Landes Mitzrajim, in welchem ihr gewohnt habt, sollt ihr nicht handeln, und nach dem Verfahren des Landes Kenaan, wohin ich euch bringe, sollt ihr nicht handeln, und in ihren Satzungen sollt ihr nicht wandeln“ (Wajikra 18, 3). Den Israeliten wird gesagt, sie sollten die Sitten der Ägypter und der Kenaaniter nicht übernehmen. Hier drängt sich sofort die Frage auf: Von welchen Bräuchen und Satzungen spricht die Tora?
 
Was die Kenaaniter angeht, so findet man eine klare Antwort in den Versen nach der Liste der verbotenen geschlechtlichen Beziehungen: „Macht euch durch keines von diesem allen unrein! Denn durch alles dieses sind die Völker, die ich vor euch entsende, unrein geworden. Da ward das Land unrein, und ich suchte seine Sünden über es heim, und das Land spie seine Bewohner aus. So hütet denn ihr meine Gesetze und meine Rechtsordnungen, und übet, der Eingeborene und der als Fremder in eure Mitte Eingetretene, nichts von allen diesen Abscheulichkeiten. Denn all solche Abscheulichkeiten haben die Menschen des Landes, die euch vorangingen, geübt, und da ist das Land unrein geworden. Dass euch nicht das Land ausspeie, indem ihr es unrein machet, wie es das Volk ausgespien, das euch vorangegangen“ (Wajikra 18, 24-28). Im Midrasch „Torat Kohanim“, den Nachmanides in seinem Kommentar zu Wajikra 18, 3 anführt, heißt es, dass in Ägypten dieselben Abscheulichkeiten und Ausschweifungen praktiziert wurden wie in Kenaan.
 
Juden ist es verboten, nach Ägypten zurückzukehren, um dort zu leben (Maimonides, Sefer HaMitzwot, Verbot Nr. 46). Die Tora erwähnt keine Begründung für dieses Verbot; aber sowohl Maimonides als auch Nachmanides (in seinem Kommentar zu Dewarim 17, 16) äußern eine Vermutung: die Tora wolle durch diese Mitzwa verhindern, dass die Israeliten die nichtmonotheistische ägyptische Weltanschauung und die dort übliche Unsittlichkeit übernehmen.
 
Die oben zitierte Anweisung „in ihren Satzungen sollt ihr nicht wandeln“ ist eines der 613 Gebote (Maimonides, Sefer HaMitzwot, Verbot Nr. 30). Allerdings bringt der Autor von Sefer HaChinuch diese Mitzwa nicht im Abschnitt zum Wochenabschnitt Achare Mot, sondern im Abschnitt zum Wochenabschnitt Kedoschim, und zwar mit dem Hinweis auf den Vers: „Und wandelt nicht in den Satzungen der Völker, die ich vor euch vertreibe; denn dies Alles taten sie, darum hatte ich Widerwillen gegen sie“ (Wajikra 20, 23). Dieses Beispiel zeigt uns, dass die Zuordnung der Mitzwot zu den Wochenabschnitten nicht immer eindeutig ist. Für die religiöse Praxis ist die Verortung einer Mitzwa in diesem oder in jenem Wochenabschnitt nicht von Bedeutung; interessant ist einzig und allein, wie die Mitzwa ausgelegt wird.
 
Rabbiner S.R. Hirsch fasst in seinem Buch „Chorew“ (§505) zusammen, was erlaubt und was verboten ist: „Von den Völkern, in deren Mitte ihr lebt, dürft und mögt ihr alles nachahmen, was bei ihnen aus vernünftigen, nicht aus ihren Religionsweisen angehörenden und nicht aus unsittlichen Gründen ein­geführt ist; aber was grundlos, oder aus ihren Religionsweisen angehören­den Gründen, oder zu unerlaubten, unsittlichen Zwecken eingeführt ist, ahmt nicht nach. So dürft ihr nicht ihre Feste mitmachen, oder Gebräu­che beobachten, die in ihren religiösen Ansichten ihren Grund haben. Doch sollt ihr nichts tun, wodurch ihr ihre Feste stören, oder ihre Festlichkeit trüben würdet; und, wo man es euch feindlich missdeuten könnte, tragt nicht eure Nichtteilnahme an ihren religiösen Festen zur Schau. (Jore Dea 178. 148, 12. Anm.)“
 
In der Ermahnung, sich das Schicksal der Kenaaniter zu Herzen zu nehmen, war mehrfach von „ausspeien“ die Rede (siehe auch Wajikra 20, 22). Raschi bringt (in seinem Kommentar zu Wajikra 18, 28) folgendes Gleichnis: So wie ein Königssohn eine verdorbene Speise, die man ihm zum Essen gegeben hat, nicht bei sich behält, sondern wieder ausspeit, so kann das Land Israel bestimmte Sünder nicht ertragen und wird sie los. Aus dem Kontext verstehen wir, was gemeint ist: In Eretz Israel bleiben sexuelle Ausschweifungen nicht ungestraft, sie verursachen das Exil (hebr.: Galut).
 
Aus der Mischna wissen wir, dass vier Sünden Galut zur Folge haben: „Verbannung kommt in die Welt wegen Götzendienst, Unzucht, Blutvergießen und wegen dem Nicht-Einhalten der Gesetze des Brachjahres“ (Sprüche der Väter 5, 11; vgl. Avot DeRabbi Natan 38, 4). Nicht ein historischer Zufall hat die in Wajikra 26, 33 angekündigte Zerstreuung der Juden unter die Völker bewirkt! Im Mussafgebet für die Wallfahrtsfeste sagen wir: „Ob unserer Sünden wurden wir aus unserem Lande vertrieben.“
 

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