Wann sind Gelübde zu billigen? – Wajeze

Sein Gelübde zu halten – das ist ein Gebot der Tora (Maimonides, Sefer Hamitzwot, Ase Nr. 94; siehe auch Sefer Hachinuch, Mitzwa 546)...

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Prof. Dr. Yizhak Ahren

gepostet auf 05.04.21

Zum Wochenabschnitt Wajeze (Bereschit 28,10 – 32,3)
 
Sein Gelübde zu halten – das ist ein Gebot der Tora (Maimonides, Sefer Hamitzwot, Ase Nr. 94; siehe auch Sefer Hachinuch, Mitzwa 546). Mehrere Beispiele im Tanach zeigen uns, wie ein Gelübde aussieht; hier soll nur der allererste Fall angeführt werden: „Und Jakob tat ein Gelübde und sprach: Wenn Gott mit mir sein wird und mich behütet auf diesem Wege, den ich gehe, und gibt mir Brot zu essen und ein Gewand anzuziehen, und ich kehre zurück in Frieden in das Haus meines Vaters, so soll der Ewige mein Gott sein. Und dieser Stein, den ich aufgerichtet zur Säule, soll sein ein Gotteshaus, und alles, was du mir gibst, will ich dir verzehnten“ (Bereschit 28, 20 – 22). Die Wichtigkeit der Erfüllung eines Gelübdes kann man daraus ersehen, dass Gott Jakob Jahre später an sein Gelübde erinnert: „Ich bin aber der Gott von Bet-El, wo du einen Denkstein gesalbt und dort mir ein Gelübde getan hast; jetzt mache dich auf, gehe hinaus aus diesem Lande und kehre zum Lande deiner Geburt zurück“ (Bereschit 31, 13).
 
Interessant ist ein Vergleich, den Rabbiner Bachja zwischen dem Gelübde (Neder) und der Schewua (=Gelobungseid) zieht. Er stellt in seinem Kommentar zu Schemot 20, 7 fest, dass ein Neder schwerer wiegt als eine Schewua. Dieses Verhältnis kann man an der Tatsache ablesen, dass für den Fall eines übertretenen Eides ein Opfer zur Sühne vorgesehen ist; hingegen ist es so schwerwiegend, ein Gelübde zu übertreten, dass die Tora dem Sünder kein Opfer auferlegt – ihm bleibt die Sühne versagt.
 
Kehren wir zurück zum Gelübde unseres Stammvaters Jakob. Rabbiner Chiskija ben Manoach (=Chisekuni) wirft eine grundsätzliche Frage auf: Im Talmud (Chulin 2a) wird gelehrt, besser noch als zu geloben und das Gelübde zu erfüllen sei es, überhaupt kein Gelübde zu machen – warum verhielt sich Jakob nicht gemäß diesem Lehrsatz? Chisekuni beantwortet seine Frage wie folgt. Im zitierten ersten Vers heißt es: „Wajidor Jakov neder leemor“ – das Wort „leemor“ (zu sagen) lehrt uns, dass man in allen Generationen in der Stunde der Not ein Gelübde machen soll, so wie Jakob es in einer Zeit der Bedrängnis tat. Leicht verändert finden wir diese Lehre im Schulchan Aruch: „In der Not darf man Gelübde machen“ (Jore Dea 203,5).
 
Festzuhalten ist, dass in der Regel Gelübde zu vermeiden sind. Rabbiner S.R. Hirsch spricht vom Sündhaften des Gelübdes: „Wisse, dass ein Gelübde tun und eidlich angeloben Sünde ist, und nur in sehr bestimmten Fällen gebilligt wird; darum sei das Geloben und Schwören dir fremd! Nur in drei Fällen billigt unsere Lehre Gelübde, ja, empfiehlt sie dann zum Teil: 1) in der Not, 2) im Sündenkampf, 3) zum Ansporn der Pflicht. 1) In der Not, wie Jakob: denn, wenn jede Not Zara, Zurückdrängen auf sich selber ist, zur Prüfung und Läuterung des Wandels, so entspricht ihr feste Angelobung einer reineren Zukunft, oder durch irgendein Denkmalgelübde die Errettung zur steten lebengründenden Erinnerung zu weihen. 2) Im Sündenkampf: dass du, wenn es dir schwer wird, Herr deiner Neigung und Leidenschaft zu werden, und Gottes Verbote zu achten, dir selbst Erlaubtes im Gelübde verbietest, um so durch Gelübdeerfüllungen dich zu üben und in solchem Kampf zu stärken. 3) Zum Ansporn der Pflicht: wenn du sonst träge bist in der Erfüllung göttlicher Gebote, im ernsten Gelübde dir selber Aufgaben setzest, bei deren Lösung du die Überwindung der Trägheit erringst“ (Chorew, §471).
 
Für die Beurteilung eines Neders ist also das Motiv des Gelobendenvon entscheidender Bedeutung. Das gilt übrigens auch im Falle eine Nasirs, dessen Gelübde im Wochenabschnitt Naso dargelegt wird. Schon oft wurde die Frage diskutiert, ob das Nasirat positiv oder negativ zu beurteilen ist (siehe z.B. Rabbiner B.S. Jacobson, Gedanken zur Tora, Jerusalem 1987). Scheinbare Widersprüche lösen sich auf, wenn man in Rechnung stellt, dass es verschiedene Fälle gibt, die unterschiedlich zu bewerten sind. Nur von Fall zu Fall lässt sich entscheiden, ob ein Gelübde (Nasirat) zu rechtfertigen ist.
 

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