Wer darf Opfer darbringen?

Da es sich um ein Opfer handelt, das jemand aus freien Stücken zum Heiligtum bringt, könnte man vermuten, dass diese Möglichkeit jedem Menschen offen steht...

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Prof. Dr. Yizhak Ahren

gepostet auf 05.04.21

Zum Wochenabschnitt Wajikra     (Wajikra 1,1 – 5,26)

„Sprich es zu Israels Söhnen und erläutere es ihnen: ein Mensch, wenn er von euch ein Opfer Gott nahebringen will, aus dem Viehgeschlecht, aus der Rinder- und aus der Kleinviehgattung sollt ihr euer Opfer nahebringen“ (Wajikra 1,2). Wir wissen, dass es verschiedene Sorten von Opfern gibt. Von welcher Art spricht der oben angeführte Vers? Raschi erklärt, dass hier von der Darbringung freiwilliger Opfer (hebr.: Korbanot Nedava) die Rede ist.
 
Da es sich um ein Opfer handelt, das jemand aus freien Stücken zum Heiligtum bringt, könnte man vermuten, dass diese Möglichkeit jedem Menschen offen steht. Für diese Annahme spricht die Tatsache, dass der Vers den Opferdarbringenden als „Adam“ (ein Mensch) bezeichnet. Allerdings finden wir im Sifra eine Derascha (Auslegung), nach der ein Apostat (hebr.: Mumar) die Ausnahme bildet. Ausdrücklich wird nicht jeder Verbrecher gegen das jüdische Gesetz vom Opferbringen ausgeschlossen, sondern nur derjenige, der durch Abfall unjüdisch geworden ist. Der Tora-Kommentator Rabbiner Chiskia Ben Manoach erklärt, dass man sogar vom übelsten Nichtjuden Opfer annimmt, um ihn der Schechina näherzubringen. Warum behandelt man einen Mumar schlechter? Rabbiner Owadja Seforno zieht aus der Bestimmung, dass ein Apostat kein Korban darbringen darf, den Schluss, dieser sei schlimmer als ein Heide.
 
Im Kommentar von Rabbiner S.R. Hirsch finden wir eine interessante Deutung: „Die Ausschließung des zum Heidentum abgefallenen Juden und Zulassung des geborenen Heiden zu Opfer im jüdischen Tempel dürfte vielleicht in dem Motive wurzeln, dass der von jüdischen Händen Gott errichtete Altar durch ein Opfer heidnischer Juden die Reinheit seiner Bedeutung einbüßen würde; die jüdische Gesinnung, die dem Altar seine Bedeutung gibt, zöge ihn alterierend ins Heidentum hinüber. Durch den Heiden jedoch kann der jüdische Altar nichts an seiner reinen Beziehung zu Gott einbüßen. Vielmehr ist er von Juden errichtet, um einst alle Heiden zu Gott zu sammeln.“
 
Ausgeschlossen wird der Mumar nicht nur von Korbanot Nedava. Auch vom Pessach-Opfer darf er nicht genießen: „Gott sprach zu Mosche und Aaron: Dies ist die Bedingung des Pessach: kein Sohn des Fremdentums darf davon essen“ (Schmot 12, 43). Raschi erklärt, hier sei die Rede sowohl von einem Nichtjuden als auch von einem Juden, dessen Handlungsweisen fremdartig gegen den himmlischen Vater geworden sind. Eine weitere Bedingung lautet: „Kein Unbeschnittener darf davon essen“ (Schmot 12, 48). Rabbiner S.R. Hirsch erläutert den Sinn des Pessach-Opfers und der genannten Bedingungen wie folgt: „Es ist dies die ewig zu erneuernde Bundesschließung mit Gott für Israels welthistorischen Gang durch die Zeiten. Grundbedingung ist: dass nur der daran teilnehmen darf, der national, sei es durch Geburt, Hörigkeit oder Wahl, und an Gesinnung diesem jüdischen Gottesbund angehört und das Zeichen dieser Bundeshörigkeit, die Mila, an sich und den Seinen vollzogen hat. Ausgeschlossen ist somit: Mumar, der durch seine Lebensweise dem jüdischen Gottesbund entfremdete Jude.“
 
Es ist zwar richtig, dass ein Mumar Jude bleibt – denn ein Austritt aus dem Judentum ist nicht vorgesehen –, aber von bestimmten Dingen wird er, wie wir gesehen haben, doch ausgeschlossen. Halachisten haben folgende Frage diskutiert: Ist vom Ausschluss vom freiwilligen Opfer abzuleiten, dass man von einem Mumar keine Spende für die Synagoge annimmt? Zu diesem Problem sind verschiedene Ansichten geäußert worden (siehe die Entscheidung von Rabbiner M. Isserles, Jore Dea, Ende Kap. 254, und eine ausführliche Diskussion in Responsa „Jabia Omer“ 7:Orach Chajim 22).

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