Familie

Manchmal ist Eifersucht in der Ehe angebracht – und manchmal auch nicht.

3 Min.

Rabbiner Avichai Apel

gepostet auf 04.04.21

Eine Frage der Moral

 

Manchmal ist Eifersucht in der Ehe angebracht – und manchmal auch nicht.

 

Jeder kennt sich selbst und weiß, was für ein Mensch er ist, was er besitzt, was er kann, welche Begabungen er hat und wie seine Möglichkeiten sind.

 

Wir ziehen häufig Vergleiche zwischen uns und anderen Menschen. Vergleiche können hilfreich sein. Man kann sich sagen: Wenn der andere das geschafft hat, kann ich das vielleicht auch. Es spornt mich an, mich zu verbessern, es fordert mich heraus. Das ist die positive Seite des Vergleichs mit anderen Menschen.

 

Es kann aber auch ganz anders verlaufen: Der Vergleich kann mich neidisch oder eifersüchtig machen. Er kann Freundschaften zerstören. Er kann mich in eine Art Amoklauf treiben, nur um der Welt zu beweisen, dass ich etwas kann – obwohl ich mir nur wünsche, es zu können. Und all das, weil ich so sein möchte wie jemand anderes.

 

 

NEID

 

Sich zu vertrauen und an sich selbst zu glauben, kann uns hier sehr helfen. Wenn ich an meine Kräfte glaube, werde ich zufrieden sein können mit dem, was ich erreicht habe. Ich weiß, ich kann viel mehr erreichen, deshalb setze ich mir Ziele, um mich weiterzuentwickeln. Doch Neid auf andere kann mir dabei nicht helfen.

 

Leider kommen Neid und Eifersucht auch innerhalb der Familie vor, und das nicht nur unter Kindern. Auch Ehepartner befinden sich in ständiger Spannung in dem Bestreben, gut zu sein. Doch der Vergleich miteinander gefährdet das Vertrauen zueinander.

 

Hier geht es nicht um die Frage, ob jemand anderes besser ist als mein Mann oder meine Frau. Vielmehr wird in Zweifel gezogen, ob mein Partner oder meine Partnerin mir immer noch treu ist.

 

Manchmal ist Eifersucht in der Ehe angebracht, doch manchmal auch nicht. Es kann tatsächlich begründet sein, um die Zukunft der Ehe zu fürchten. Der Partner ist leider etwas unmoralisch geworden und hat sich erlaubt, etwas zu tun, das nicht erlaubt ist. Das Gefühl der Verbundenheit ist verschwunden, und man sieht keinen Grund mehr, dem Partner treu zu bleiben.

 

Für eine solche Entwicklung gibt es Anzeichen. Wenn der Partner seinen Kleidungsstil ändert und sich erlaubt, mit anderen so umzugehen wie mit der eigenen Partnerin, ist das Paar bereits in einer schwierigen Situation.

 

 

CHAT

 

Mitunter ist die Eifersucht aber auch überzogen. Mancher geht so weit, dass er das Leben seines Partners voll und ganz beherrschen will. Dieser darf keine anderen Leute mehr treffen, nicht mehr chatten oder telefonieren. Der Eifersüchtige möchte ihn fast mit einer versteckten Kamera verfolgen. So krank können Menschen sein.

 

Die Tora kennt das menschliche Phänomen der Eifersucht. Doch man darf seinen Partner nicht einfach beschuldigen, er sei fremdgegangen. Wenn es Zeugen dafür gibt oder derjenige selbst seine Schuld gesteht, ist es etwas anderes. Falls es aber lediglich einen Verdacht gibt, dass die moralische Situation der Familie gefährdet ist, bietet die Tora die Möglichkeit, die Hintergründe zu erforschen und zwischen wahrer Schuld und Eifersucht zu unterscheiden.

 

In unserem Wochenabschnitt lesen wir von einem Mann, der seine Frau des Ehebruchs verdächtigt. Durch das fluchbringende Wasser, worin der G’ttesname ausgelöscht wird, lässt sich prüfen, ob sie sich mit ihren Taten schuldig gemacht hat oder ob er grundlos eifersüchtig ist.

 

Hervorzuheben ist jedoch, dass ein solcher Test nur bei Familien und in Zeiten helfen konnte, in denen die Menschen sich hochmoralisch verhielten. In anderen Zeiten oder bei Ehepartnern, die beide der moralischen Erwartung nicht mehr entsprechen, kann diese Untersuchung nicht helfen.

 

 

Der Autor ist Rabbiner der Jüdischen Kultusgemeinde Groß-Dortmund und Mitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD). Dieser Artikel erschien in der Jüdischen Allgemeinen.

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