Ki Tisa: Die Kraft der Geduld

Wir müssen uns fragen, was den Leviten die Macht gab, so geduldig auf Moses zu warten während der Rest der Leute ...

4 Min.

Rabbiner Lazer (Elieser Rafael) Brody

gepostet auf 10.03.20

"Und Moses stand am Tor zum Lager und sagte: 'Wer auch immer für G-tt ist, schließ mir an!', Und alle Leviten versammelteten sich um ihn" (Exodus 32:26).

 

Laut Raschi weißt der Ausdruck "alle Leviten" darauf hin, daß der gesamte Stamm Levi "koscher" war. Kein einziger Levit nahm an dem tragischen Fiasko vom goldenen Kalb teil.

 

Der Midrasch, der auch in Rashis Kommentar zitiert wird, erzählt, daß der Satan die Gelegenheit nutzte, eine Atmosphäre der Dunkelheit, des Chaos und der Verwirrung zu schaffen, als sich die Menschen sich Sorgen über Moses offensichtliche Verspätung beim Abstieg vom Berg Sinai machten. Er inszenierte sogar ein Bild von Moses auf einer Totenbahre, in der er in den Himmel getragen wurde. Nachdem sie ihre Geduld verloren hatten, waren die Menschen schwach und leichtgläubig. Anschließend täuschten sie sich und fielen in einen spirituellen Tauchgang, der im Götzendienst landete.

 

Daher müssen wir uns fragen, was den Leviten die Macht gegeben hat, so geduldig auf Moses zu warten. Warum fehlte dem Rest des Volkes die Geduld und fiel Satans Falle zum Opfer? Was fehlte ihnen? Um diese Fragen zu beantworten, möchte ich Ihnen das folgende Gleichnis mitteilen:

 

Zwei der Wächtern des Königs sollten bald verheiraten und zum Kriegsdienst eingezogen werden. Bevor sie sich ihren Kollegen an der Front anschließen, durfte sie einen kurzen Abschiedsbesuch bei seinem jeweiligen Verlobten machen.

     

Der erste Wächter war ein junger Offizier edler Abstammung. Er schenkte seiner Verlobten, der raffinierten Tochter eines der vertrauenswürdigsten Minister des Königs ein seltenes Geschenk: "Mein Schatz", sagte er seelenvoll, "dieser Ring ist seit Generationen in meiner Familie. Ich gebe es dir jetzt als Zeichen, daß ich für immer an dich gebunden bin. Hoffentlich werden wir dieses Erbstück weiterhin an nachfolgende Generationen weitergeben. Also, egal was passiert, bete für mich, sei stark und sicher, daß ich früher oder später zu dir und nur zu dir nach Hause kommen werde! " Dann nahm er seinen tränenreichen Ausgang.

 

Der zweite Wächter war ein tapferer junger Offizier. Er war der Sohn von einfachen Menschen. Er überreichte seiner Verlobten – der Tochter eines Fischhändlers – einfach Blumen und Süßigkeiten. Innerhalb einer Woche waren die Blumen verwelkt und die Pralinen wurden gegessen. Es dauerte nicht lange, bis sie die Geschenke und auch ihren Verlobten vergaß.

 

Da sie vierzehn Tage später immer noch keine Neuigkeiten von der Front bekam, ließ sich die Tochter des Fischhändlers von einem schlagfertigen Kaufmann auf dem Markt verführen. Er ließ Gold und Silber vor ihr aufblitzen und versprach ihr das Blaue vom Himmel, wenn sie zustimmen würde, ihn zu heiraten. Ihre Augen waren so groß wie die des Seebarschs im Fischkarren ihres Vaters.

"Soll ich für immer in der Jungfräulichkeit verfallen?" beklagte die Tochter des Fischhändlers, als sie ihre Gelübde gegenüber dem Wächter vergaß und leicht von dem höflichen und raffinierten Stil des Händlers verführt wurde. Sie heiratete ihn und verwarf Ehre und Loyalität für ein Leben voller Essen, Trinken und Vergnügen.

* * *

Jeden Abend warf die Tochter des Ministers einen sehnsüchtigen Blick auf ihr Schlafzimmerfenster. Wenn ihr geliebter Verlobter nicht auftauchte, lief ihr eine einzige Träne über die Wange. Aber nachdem sie den Ring an ihrem Finger anschaute, erschien ein selbstbewusstes Lächeln auf ihrem Gesicht. "Ich werde immer auf meinen Verlobten warten!". Sie fühlte sich getröstet und ging ruhig wie ein neugeborenes Kind einschlafen.

Ein ganzes Jahr verging. Die Legionen des Königs besiegten schließlich ihre Feinde und beide Wächter kehrten nach Hause zurück. Der zweite Wächter entdeckte, daß seine unzuverlässige Verlobte ihn für einen anderen verlassen hatte und richtete die beiden rechtsuchend hin.

Das Herz des ersten Wächters freute sich, als er sah, wie seine geliebte Verlobte geduldig auf ihn gewartet hatte. Keine Worte können die Freude von ihrer Wiedervereinigung und das Glück ihrer Ehe beschreiben. Bis heute wird ihr Ring, das wertvollste Erbstück, über mehrere Generationen an ihre Nachkommen weitergegeben

* * *

Rebbe Nachman von Breslov erklärt (Likutei Moharan I: 155), daß man durch Emuna zunehmend geduldig wird. Mit Geduld kann nichts eine Person verwirren oder entmutigen. Die Kraft der Geduld ermöglicht es uns, alles zu ignorieren, was uns vom G-tt ablenkt. Geduldige Menschen können deswegen beten und die Tora lernen, ohne daß irgendwas oder irgendjemand sie in ihrem G-ttesdienst verwirrt.

 

Angesichts Rebbe Nachmans Prinzipien können wir das obige Gleichnis und die Parascha Ki Tisa verstehen: Die Wächter, die zur Front gingen, symbolisieren Moses, der vierzig Tage und Nächte lang auf dem Berg Sinai verbrachte.

Die erste Verlobte, die Tochter des Ministers, symbolisierte die Leviten. Da die Leviten in Goshen blieben und dort die Lehren ihrer Vorfahren studierten, litten sie  niemals unter Sklaverei in Ägypten. Dadurch entwickelte sich bein ihnen eine starke Emuna. Ihre Emuna gab ihnen die Geduld, auf Moses zu warten, egal wie lange er auf Berg Sinai blieb. Sie achteten nicht auf die bösen Tricks des Satans und ignorierten die verwirrenden, chaotischen Bilder, die am Himmel flackerten. 

 

Der Ring des edlen Wächters ist daher ein Symbol für die Emuna und Geduld der Leviten, die vom Vater an den Sohn weitergegeben wurde. Dieser Ring ermöglichte es der ersten Verlobten, der Tochter des Ministers, sich zu trösten und geduldig auf ihre Geliebte zu warten.

 

Die Tochter des Fischhändlers hatte keinen Ring, so wie der "Erev Rav", der weder Emuna noch Geduld hatte. Zusammen mit den leicht beeinflussbaren Elementen des jüdischen Volks wurden sie zum Götzendienst verleitet.

 

Weder Blumen noch Pralinen – ein Symbol für Oberflächlichkeit – geben dem jüdischen Volk die moralische Kraft, den Versuchungen des Bösen zu widerstehen. Und das gielt ganz besonders für diese Generation. Mit Emuna erreichen wir allerdings die enorme innere Kraft der Geduld, die uns in jeder Situation geistig und emotional stärker hält. Mit dieser Kraft werden wir sicherlich die endgültige Erlösung unseres Volkes und den Wiederaufbau unseres heiligen Tempels in Jerusalem schnell und in unseren Tagen verdienen. Amen.

 

[1] Emuna: wahrer und vollständiger Glaube an Haschem 

[2] Parascha: wöchentlicher Toraabschnitt

[3] Erev Rav: Menschen ungeklärter Abstammung, die sich den aus Ägypten ausziehenden Juden anschlossen (Exodus 12:38)

 

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