Korach – ein ganz Schlauer

Im Traktat Gittin (S.55b) hält der Talmud, zwei Männer (Kamza und Bar Kamza) als mitverantwortlich für die Zerstörung Jerusalems, wie dort erzählt wird…

4 Min.

Rabbiner Ja´akov Halevi Filber

gepostet auf 06.04.21

Im Traktat Gittin (S.55b) hält der Talmud, zwei Männer (Kamza und Bar Kamza) als mitverantwortlich für die Zerstörung Jerusalems, wie dort erzählt wird:

„Einst veranstaltete ein Mann, dessen Freund Kamza und dessen Feind Bar Kamza war, ein Festmahl und beauftragte seinen Diener, Kamza zu laden; dieser aber ging und lud den Bar Kamza ein. Als jener kam und diesen sitzen sah, sprach er zu ihm: Du bist ja mein Feind, was willst du hier?! Auf, geh hinaus. Dieser erwiderte: Da ich nun einmal gekommen bin, so lass mich; ich will dir ersetzen, was ich essen und trinken werde. Jener erwiderte: Nein. … Hierauf nahm er ihn bei der Hand und führte ihn hinaus.“
 
Es fragt sich, wieso der Talmud auch Kamza mit in die Verantwortung einbezieht, wie es heißt:
 
„Wegen Kamza und Bar Kamza ist Jerusalem zerstört worden“, war er doch an der ganzen Geschichte, die den Untergang herbeiführte, überhaupt nicht beteiligt. Diese Frage stellte der MaHaRaL ("hohe Rabbi Löw") aus Prag:
 
„Man muss einmal überlegen, was Kamza eigentlich getan hatte und worin sein Verbrechen und sein Vergehen bestand, wie man sagte: 'Wegen Kamza wurde Jerusalem zerstört'?“ (Nezach Israel 5.Kap.)
 
Manche lernten daraus – wenn dein Freund ein Fest veranstaltet und dich nicht einlud, geh auch ohne Einladung hin, und wenn sich Kamza so verhalten hätte, wäre der Tempel nicht zerstört worden. Der MaHaRaL erklärt die Mitschuld Kamzas folgendermaßen: Jerusalem wurde wegen Zwietracht und grundlosem Hass zerstört, die sich in der israelitischen Gesellschaft ausgebreitet hatten, ein einzelner Mensch aber kann keine Zwietracht veranstalten, außer wenn er sich auf Freunde und Bekannte stützen kann. Der besagte Gastgeber wagte seine Hassausbrüche gegen Bar Kamza nur deshalb, weil er sich auf seinen Freund Kamza zu stützen können glaubte, so dass auch Kamza zum Beteiligten an der Zerstörung Jerusalems wurde.
 
Dieses Prinzip, dass der Erfolg eines Streites von der Unterstützung der Anhänger abhängt, kannte auch Korach. Korach hatte ein persönliches Interesse am Streit, nämlich die politische Führung in seine Hand zu bekommen, obwohl er ihr nicht würdig war, wie es im Traktat Sota heißt:
„Korach richtete seine Augen auf das, was nicht ihm gebührte; das, was er begehrte, wurde ihm nicht gewährt, und auch das, was er hatte, wurde ihm genommen“ (9b).
 
Auf den ersten Blick bestand Korachs Sünde doch wohl darin, dass er Moses angegriffen hatte. Doch Moses war anderer Meinung: Er sah Korachs Sünde ausgerechnet in dessen Missachtung der Tora, die durch seine Tat zum Ausdruck kam, wie es im Midrasch heißt:
 
„Sagte Moses vor Gott: Herr der Welt, wie man über mich und meinen Bruder lästerte, schwieg ich, aber zur Verachtung der Tora schweige ich nicht“ (Bemidbar raba 16,28)
 
Wenn jemand, der für diesen Posten nicht geeignet ist, unseren Lehrer Moses ablösen und selbst der Repräsentant der Tora vor der Welt sein will, gibt es keine größere Verunglimpfung der Tora als diese. Zu recht fragte Raschi: „Korach aber, der klug war – was hatte ihn zu dieser Torheit veranlasst?“, und antwortete: „Sein Blick hatte ihn irregeführt“ (zu Num. 16,7)
 
 Der schlimmste Feind des Menschen sind seine eigenen "großen Augen", und diese trieben Korach von Anfang an ins Verderben. Wir finden ihn in Ägypten, während seine Brüder unter der Last der Knechtschaft stöhnen, wie er sich einen Job als Beamter in Pharaos Haushalt sucht und auch erhält, und in seiner Habgier trägt er Sorge, dass sich die Schlüssel zu Pharaos Schatzkammern in seiner Hand befinden (siehe Bemidbar raba 18,15). Sein Eifer bei der Ansammlung von Vermögen lässt auch beim Auszug aus Ägypten nicht nach. Während Moses mit der Suche nach Josefs Gebeinen beschäftigt ist, sucht Korach eher nach den Schätzen, die Josef in Ägypten vergraben hatte, und findet sie auch (Sanhedrin 110a), und mit diesem Geld finanziert er den Streit, die Israeliten auf seine Seite zu ziehen (siehe Targum Jonatan zu Num. 16,19).
 
Auch nach seiner Entscheidung, der geistige Führer des Volkes Israel und Gottes Repräsentant auf Erden zu sein, wusste Korach, dass er als Einzelgänger keine Chance hatte, vom Volk gewählt zu werden, weder von seiner Persönlichkeit her und erst recht nicht von seinem Bestreben, Moses abzulösen, und darum organisierte er sich eine Gefolgschaft, wie es heißt: "Korach nahm…" (Num. 16,1), und im Raschikommentar dazu: „Er überredete die Häupter der Sanhedrin unter ihnen mir seinen Worten.“ Und im Midrasch (Jelamdenu): „Er überredete alle Größen Israels, seine Gefolgsleute zu sein.“ Nach Sicherung der Unterstützung durch die Größen des jüdischen Volkes war ihm bewusst, dass er mit seinem "Deal" nicht durchkomme ohne die Unterstützung von streiterprobten Politikern. So nahm er noch Datan und Awiram in seine Partei auf, über die die talmudischen Weisen sagten: „Alles, was du jenen Bösewichten anhängen kannst, hänge ihnen an“ (Jalkut Schimoni Ex.167). Sie standen in Opposition zu Moses noch in den Tagen, als er [als ägyptischer Prinz] zu seinen Brüdern hinaus ging, und sie widersetzten sich ihm während der ganzen Wüstenwanderung, wie es im Midrasch heißt: „Sie waren es, die vom Man ("Manna") übrig ließen [weil sie nicht glaubten, es werde genug geben], sie waren es, die sagten: 'Lasst uns ein Oberhaupt wählen und nach Ägypten zurückkehren', sie waren es, die am Schilfmeer Verbitterung säten.“ (Schemot raba 1,19)
 
Nur dass diese bunte Koalition Korach nicht unterstützte, weil sie ihn für den geeigneten Mann hielten, sondern weil jeder seine eigenen Interessen im Auge hatte. Jeder der 250 Leute wollte Hohepriester werden, und Datan und Awiram unterstützten Korach nur deshalb, weil sie Moses schaden wollten. 
Darum nannten ihn die talmudischen Weisen den "Streit von Korach und seiner ganzen Rotte" (Mischna "Sprüche der Väter" 5,17) – uns zu lehren, dass der Streit innerhalb seiner Rotte ausgefochten wurde.
 
 

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