Libido Probleme im Judentum

Wenn deine Libido zu einem Problem wird

5 Min.

Rabbiner David Kraus

gepostet auf 05.04.21

Erlaubt oder Verboten? Masturbation im Judentum

Das Judentum betrachtet die Selbstbefriedigung normalerweise als Torasünde, also als klares Vergehen, und ist somit verboten. Gemäß der halachischen Auslegungen wichtiger Weisen, wie die des Maimonides, ist es aber eher aus moralischen Gründen verboten und nicht etwa wegen des fundamentalen Denkens, wie es z.B. aus der Sicht der Kabbala oder dem Kizzur Schulchan Aruch dargestellt wird.

Für das Judentum gelten die Gesetze und Regeln der Tora – der fünf Bücher Mose (Pentateuch), mitsamt ihrer Auslegung durch den Talmud.

Die jüdischen Schriften äußern sich nicht eindeutig zur Masturbation. Es gibt rituelle Unreinheit, die den Menschen von der Begegnung mit Gott (z.B. im Gottesdienst) ausschließt. Samenerguss (wie auch Eiterfluss, krankhafte Blutung oder die weibliche Menstruation) gilt im Judentum  als Verlust von Lebenskeimen bzw. Lebenskraft und verunreinigt somit den Körper. (3. Buch Mose 15,16)

Von der Sünde unterscheidet sich diese Unreinheit darin, dass Sünde nur durch Opfer beseitigt werden kann. Unreinheit erfordert demgegenüber rituelle Waschungen (Mikwe) und eine Wartezeit (meist bis zum nächsten Abend).

Der Kizzur Schulchan Aruch (ein populäres halachisches Kompendium von 1834, das sich u.a. durch die ausschließliche Behandlung von häufig auftretenden rechtlichen Fragen des täglichen Lebens auszeichnet) besagt:

„Es ist verboten, nutzlos Samen zu verschwenden. Dies ist ein Verbrechen, das schwerer ist als alle anderen Verstöße gegen die Tora. Diejenigen, die masturbieren und so nutzlos Samen verschwenden, übertreten nicht nur ein strenges Gebot, sondern müssen auch mit dem Bann belegt werden. Über solch einen Menschen steht geschrieben: „Deine Hände sind voll Blut.“ (Jesaja 1,15)
Er ist somit einem Mörder gleich. (Kizzur Schulchan Aruch 151,1)“

Im Unterschied zu dieser Auffassung sehen – wie bereits gesagt – Maimonides und auch Rabbi Moshe Feinstein in der Masturbation keine „Tora-Sünde“ (Deoreita). Maimonides betrachtet aber die zum Samenerguss führende männliche Masturbation kritisch, weil sie durch die Verschwendung des Samens einen Verlust an Energie, Atem oder Fluidum verursache und zu Schwächung und Krankheit des Körpers führe. Außerdem sehen beide die Masturbation als moralisch falsch. Weshalb, können wir aus der Tora entnehmen.

Die biblische Gestalt des Onan (1. Buch Mose 38) wird von Gott getötet, als dieser seinen Samen anstatt in die Frau seines toten Bruders auf die Erde tropfen lässt. Es gab die Sitte der Levirartsehe, bei welcher der Bruder eines kinderlos Verstorbenen in seinem Namen Nachkommen zu zeugen hat. Onan weigerte sich dieser Tradition zu folgen und wurde von Gott bestraft. Innerhalb der theologischen Geschichte des Judentums wurde daraus ein Masturbationsverbot für Männer hergeleitet.

Diese Geschichte hat man erst später verwendet, um das Selbstbefriedigungsverbot zu stützen. Liest man den Bibelbericht, erkennt man, dass Gott nicht die Selbstbefriedigung als schlecht empfand, sondern die Verweigerung der Fortpflanzung. Dieser Onan wollte kein Kind mit seiner Schwägerin, obwohl er laut Gesetz dazu verpflichtet war, um für ihre Altersvorsorge (die aus Kindern bestand) und den Erhalt einer Familie zu sichern. Onan hat ja auch nicht – wie sein Name vermuten lässt – Selbstbefriedigung betrieben, sondern die Befruchtung seiner Schwägerin dadurch verhindert, dass er den Geschlechtsverkehr abbrach. Insofern ist die Ableitung des Wortes Onanie von seinem Namen nicht korrekt. Onan praktizierte keine Selbstbefriedigung, sondern „Coitus interruptus“. Das Eine hat mit dem Anderen nichts zu tun. Es findet sich in der Bibel also kein konkretes Verbot der Selbstbefriedigung, sondern nur ein später hinein interpretiertes Verbot, so sagt Maimonides. 

Weshalb innerhalb der theologischen Geschichte des Judentums daraus ein Masturbationsverbot für Männer hergeleitet wurde ist klar, da ja eine Masturbation im Grunde genommen auch eine Art der Verweigerung der Fortpflanzung darstellt.  

Nach Auffassung vom Weisen, Pri Megadim, im Orach Haim, Bemischbezet Sahav 
(סימן ג סוף ס"ק א) handelt es sich ähnlich wie im Kizzur Schulchan Aruch, dass das Verbot eine Torasünde ist.

Aber Weise wie eben Maimonides oder auch Rabbi Feinstein sehen die Masturbation nicht als Tora-Sünde, sondern eher als etwas moralisch Falsches, welches nicht dem Licht der Tora entspricht.

Aus Sicht der Kabbala ist Masturbation ein sehr schweres Vergehen, ähnlich den obigen Worten des Schulchan Aruch.

Der Grund ist folgender: Der Schöpfer vereinte im Menschen eine Seele (geistlich) mit einem Körper (materiell). Die Seele, deren Ursprung göttlich ist, sehnt sich Gott nahe zu sein und möchte Seine Gebote erfüllen. Der Körper verleitet einen Menschen, stets den materiellen Vergnügen nachzukommen – Geistliches ist dem Körper fremd. Das Geistlich-Spirituelle über das Körperlich-Materielle zu stellen, ist die Lebensaufgabe eines jeden.

Das bedeutet aus kabbalistischer Sicht, dass jede körperliche Aktivität Geistlich-Spirituell orientiert sein sollte. Was z.B. bedeutet, wir essen, um Gott dienen zu können oder um Ihm zu danken, dass Er uns Essen gegeben hat. Wir schlafen, um unseren Körper zu pflegen, um danach Gott dienen zu können. Wir haben ein Sexualleben, um eine Fortpflanzung zu sichern und vieles mehr.

Masturbation passt deshalb nicht ins Konzept, weil es bedeutet, dass der Körper dem körperlichen und materiellen Trieb nachgegeben hat, das Körperlich-Materielle über das Geistlich-Spirituelle gestellt hat und dies ist eben das Gegenteil von dem, was der Schöpfer sich von uns wünscht, also gegen den Grundgedanken der Schöpfung.

Sobald ein Mann unnötiges Sperma vergießt, verliert er sofort die Heiligkeit, die sich hauptsächlich im Glauben an Gott zeigt. Folglich nimmt dadurch der Glaube eines Menschen und somit dessen gesamtes Leben Schaden, sobald dieser von der Heiligkeit abstürzt. Dieser Schaden hat dabei auch Auswirkungen auf dessen Gesundheit, Finanzen und Hausfrieden. Auf diese drei Dinge werden sich wohl die meisten seiner einzusteckenden Schläge konzentrieren.

Das Judentum hat eine positive Beziehung zu Körper und Sexualität. Körperliche Liebe ist nichts Schlechtes, verlangt aber eine zwischenmenschliche Beziehung. Die Tora verbietet daher Masturbation. Wer aber masturbiert, muss deshalb kein übergroßes schlechtes Gewissen haben. Masturbation ist kein Drama, hat aber Konsequenzen.

Rabbi Nachman aus Breslev lehrt, als „Wiedergutmachung“ den Tikkun Haklali zu lesen und sich mit dem Schöpfer „zusammenzusetzen“, also sich Ihm anvertraut, mit Ihm spricht. Wer das macht, dann ist es so, als ob nichts weiter geschehen wäre. Aber man sollte eben versuchen, nicht mehr wieder zu masturbieren und danach zu suchen, was der Schöpfer von einem möchte. Denn

1. Alles kommt vom Schöpfer durch eine göttliche Vorsehung – auch das kleinste und scheinbar unbedeutendste Ereignis.
2. Alles, was der Schöpfer tut, dient immer zum Guten. Folglich wissen wir, dass alles, was uns widerfuhr, gerade widerfährt oder noch widerfahren wird, alles nur zum Besten ist.
3. Alles, jedes Ereignis und jede Tat, hat Sinn und Zweck, nichts geschieht einfach „zufällig“. Was bedeutet zu glauben, dass alles, was der Schöpfer tut, Er nur tut, damit wir uns Ihm näher kommen und uns Ihm nahe fühlen. Er möchte, dass wir eine Beziehung zu Ihm aufbauen, um Ihm nahe zu sein, was gleichzeitig das Beste auf der Welt ist. Deshalb suchen wir stets bei allem, was uns widerfährt, nach Möglichkeiten, uns Ihm zu nähern und mit Ihm eine Beziehung zu führen.

Wie in jeder zwischenmenschlichen Beziehung gibt es auch in der Beziehung mit Gott Höhen und Tiefen. Manchmal stürzt eine Person, nicht weil sie etwas falsch gemacht hat oder sie es verdient hat hinzufallen. Nein, sie stürzt, weil am Boden etwas liegt, das sie finden sollte. Außerdem müssen sich zwei Menschen manchmal voneinander entfernen, um zu spüren, wie sehr sie sich eigentlich brauchen.

Liebe ist nicht vom ersten Tag an da. Sie wächst mit jedem Treffen, jedem Kuss, jeder Berührung, jedem Streit und jeder Versöhnung! 

Und für all jene die jetzt vielleicht denken, dass dieses Verbot aus wissenschaftlicher Sicht, völlig überholt sei, kann ich nur antworten, dass eben sicher nichts überholt ist, da die Tora wirklichen wert auf das geistliche Wohlbefinden vom Menschen legt! Die Tora möchte dass ein Mensch sich tatsächlich befriedigt fühlt und wer ehrlich mit sich selbst ist, der wird sich eingestehen, dass das Masturbieren keine wahre Selbstbefriedigung ist. Im Gegenteil, der gesunde Menschenverstand sehnt sich nach dem masturbieren, nur noch mehr nach wahrer Wertschätzung und spürbarer echten Liebe ..
 

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1. Breslev Israel Deutsch

10/06/2019

das stimmt, aber solange wir keinen Tempel haben, sind wir alle in jedem Fall unrein mit der Unreinheit des Todes, die nur durch ein bestimmtes Ritual im Tempel gereinigt werden kann.

2. Ray Martini

10/03/2019

Menschen die Mastubieren werden dies doch eher im verborgenen tun. Tragen sie keine Verantwortung dazu gehen sie "unrein" in die Masse in die Torah Schule in die Synagoge usw. Andere kommen in Kontakt mit der Unreinheit ohne das sie es wussten und sind ganz nach Auslegungen ebenso Unrein.

3. Breslev Israel Deutsch

9/16/2019

Auch Frauen ist Selbstbefriedigung verboten. Es gibt es für sie jedoch keine Erwähnungen direkt in der Torah, sodass das Verbot von vielen Auslegern weniger hoch angesetzt wird, nur als Verbot der mündlichen Torah. Die Gründe, Selbstbefriedigung auch für Frauen zu verbieten, entsprechen den im Artikel aufgeführten für Männer.

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