Eine Welt der Verantwortung

Die Welt ist gut, aber nicht gut genug. Daher muss die Welt verbessert werden mit Tikkun Olam ...

4 Min.

Andrea Jockisch

gepostet auf 17.03.21

Heute war ich über etwas total schockiert. Hinter dem Supermarkt gingen drei ungefähr 9-jährige Schulkinder den Weg entlang durch das Gebüsch. Aus der Ferne sah ich zu, was sie da veranstalteten. Sie holten leere Glasflaschen aus dem dürren Gestrüpp, die verantwortungslose Erwachsene dort hinterließen, und warfen sie auf den Fußgängerweg.

 

Eigentlich hatte ich vor, zu den Kindern zu gehen und ihnen die Leviten zu lesen. Aber bei dem Sturmgebraus konnte ich ja schließlich nicht meine Mutter alleine am steilen Berg mit ihrer Gehhilfe stehen lassen. Ehrlich gesagt war ich sehr empört über das rüpelhafte Verhalten dieser ungezogenen Kinder. Wenn es mir möglich gewesen wäre, so wäre ich zu den Kindern gegangen und hätte ihnen gesagt: "Hat jemand von euch ein Haustier? Eine Katze oder ein Hund? Wenn ja, würdet ihr darüber schadenfroh sein, wenn ihr mit eurem Tier spazieren geht und es reißt sich an einer Glasscherbe die Pfote auf? Oder hat jemand von euch ein Fahrrad? Was wäre, wenn ihr euch an herumliegende Glasscherben die Reifen zerschneiden würdet? Hättet ihr Freude daran?"  Vielleicht hätten sie ja dann mal darüber nachgedacht.

 

Letztendlich liegt es nicht an den Kindern, sondern an den Eltern, die falsche Werte an ihre Kinder vermitteln. Kinder werden in die Welt gesetzt, aber an verantwortungsvolle Erziehung mangelt es dann halt bei einigen und somit überlassen sie ihre Kinder einfach sich selbst. Hauptsache die Eltern haben ihre Ruhe. Eltern, die solch ein Verhalten aufweisen, sollen uns als Lehre dienen. Wenn wir unseren Kindern von Grund auf keine guten Werte und gesunden Maßstäbe, die uns Gott lehrt, vermitteln, dann werden sie zu respektlosen und undankbaren Kindern.

 

Im jüdischen Unterricht werden den Kinder wichtige Werte und Mitzwot gelehrt. Das sind beispielsweise die Werte in der Familie: Keine Beleidigungen, keine Schimpfwörter, und es soll sich darum bemüht werden, kein Essen wegzuwerfen.

 

Zu den Werten in der Schule zählt, dass kein Mitschüler schikaniert und kein Kind auf dem Pausenplatz ausgegrenzt werden darf; dass der Abfall ordnungsgemäß aufgeräumt wird.

 

Werte in der jüdischen Gemeinde können beispielsweise sein: Für jeden da zu sein und Menschen unaufgefordert Hilfe anzubieten, die sie nötig haben; das respektieren der Meinung anderer.

 

Werte in einer Wohngemeinschaft sind z.B., dass jeder seine eigenen Bräuche ausüben darf, solange es niemandem schadet.

 

Werte in einem Staat können sein: Dass man gut für die eigenen Bürger sorgt und für die Fremden. Ebenfalls wird den Kindern vermittelt, dass freie Gedankenäußerung ein wichtiges Gut ist, das geschützt werden muss.

 

Im Judentum werden zwei Arten von Werten gegeben, die jeweils drei Werte umfassen.

 

Die drei Werte der ersten Art sind universelle Werte. Sie gelten für alle Menschen, Gruppen, Kulturen, Religionen, Länder und Staaten: Die Welt beruht auf dem Recht, auf der Wahrheit und auf dem Frieden.

 

Die drei Werte der zweiten Art sind jüdische Werte. Sie gelten für jüdische Menschen, Gruppen, Schulen und jüdische Gemeinden in der ganzen Welt: Die Welt steht auf der Tora, auf dem Dienst an Gott und auf der Nächstenliebe.

 

Eltern sind also verantwortlich dafür, dass sie die von Gott vorgegebenen Werte in das Leben ihrer Kinder bringen und somit ihre Kinder früh genug schon mit den Mitzwot vertraut machen. Mitzwot sind besonders wichtig in unserem Alltag, weil sie uns helfen, gemäß den für uns notwendigen Werten zu leben.

Es gibt zwei Gruppen von Mitzwot: Awoda (der Dienst an Gott) und Tikkun Olam (die Welt verbessern).

 

Auf das Tikkun Olam möchte ich nun speziell eingehen: Die Mitzwot des Tikkun Olam beschäftigen sich mit unserer Beziehung zu Menschen, Tieren und der Umwelt. Die Welt ist gut, aber nicht gut genug. Daher muss die Welt verbessert werden mit Tikkun Olam, das die Mitzwot über Tierschutz, Naturschutz und Nächstenliebe umfasst.

Zu den Mitzwot über den Tierschutz muss Kindern gelehrt werden, dass sie keine Würmer und Schnecken zertreten und Spinnen keine Beine ausreißen dürfen. Tiere dürfen nicht mit Peitschen gezüchtigt werden. Ebenso dürfen Tiere nicht in Käfigen oder zu kleinen Ställen gehalten werden. Keine Tierkämpfe dürfen durchgeführt werden, mit beispielsweise Hühnern, Hunden oder Stieren. Tiere dürfen nicht getötet werden wegen ihres Leders, Pelzes oder dem Elfenbein. Daher ist es wichtig, den Lebensraum wilder Tiere zu schützen und zu erhalten.

Ebenso dürfen Tiere nicht missbraucht werden, also keine Tierexperimente im Labor durchgeführt werden, um z.B. Medikamente und Kosmetika an ihnen zu erproben. Es dürfen keine Tierzuchtfabriken betrieben werden, um beispielsweise Pelzmäntel und Pelzmützen herzustellen.

 

Des Weiteren gibt es die Mitzwot über den Naturschutz, die wichtig zur Erhaltung der Natur sind. Kein Abfall darf herumliegen gelassen werden. Das Licht soll man nicht unnötig brennen lassen bzw. das Wasser nicht unnötig laufen lassen. Gewässer nicht verschmutzen. Meere vor dem Überfischen schützen. Keine giftigen Stoffe in der Natur ablagern.

 

Der dritte Teil der Mitzwot des Tikkun Olam ist die Nächstenliebe, die auf Hebräisch Gemilut Chassadim heißt. Die Weisungen der Gemilut Chassadim richten sich auf Menschen, die Aufmerksamkeit, Liebe und Hilfe nötig haben. Dazu gehört die Zedaka (dt. "Abgabe"), beispielsweise eine Spende des zehnten Teils des Nettoeinkommens. Viele der jüdischen Wohltätigkeitsorganisationen, wie z.B. das angesehene Lehrinstitut "Chut Schel Chessed", welches der weltbekannte Meister Rabbiner Shalom Arush gründete, unterstützen Projekte in Israel.

Du hast Interesse an einer finanziellen Unterstützung? Weitere Infos darüber und wie du helfen kannst, gibt's  >> hier.

 

Zur Mitzwa der Nächstenliebe gehört ebenfalls die Armensorge, die sich auf Menschen in unserer Umgebung richtet, wenn wir ihnen beispielsweise Kleidung geben.

Des Weiteren ist es eine große Mitzwa und jüdische Tradition, kranke und ältere Leute zu besuchen, die nicht mehr gut laufen können. Kranke und ältere Leute sollen nicht vereinsamen.

 

Auch wird es in der Tora als eine wichtige Mitzwa gesehen, gut zu Fremden zu sein, wobei sich das jüdische Volk daran erinnern soll, wie schlecht dieses es in der ägyptischen Gefangenschaft hatte.

 

Fazit: Wir leben in einer Welt der Verantwortung. Rabbi Nachman aus Breslev lehrt uns im Gespräch mit dem Schöpfer folgende Worte in seinem Werk Likutey Moharan Band 1, Lektion 5: "Erbauer der Welt, Verfasser ihrer Geschichte, schenke mir den Mut, mich an der Gestaltung der Welt zu beteiligen, mitzuwirken an der Entwicklung ihrer Geschichte. Wie sehr möchte ich teilhaben an der Verantwortung für diese Welt – für ihr Wohlergehen beten, für ihre Bedürfnisse Sorge tragen, ihre Schätze hüten, an ihrer Vollendung mitarbeiten."

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