Brücke zwischen den Welten

Ba'alei Tshuva sind in einer besonderen Position. Wir kennen beide Welten. Das gibt uns eine einzigartige Aufgabe.

3 Min.

Sharon Roter

gepostet auf 17.11.19

Als ich noch nicht zwanzig war, wurde meine beste Freundin religiös ("wurde Ba'lat Tshuva). Das war wie ein böser Traum. Ich saß auf ihrer charedischen (ulthra-orthodoxen) Hochzeit und war geschockt. Ich hatte das Gefühl, man hatte sie mir gestohlen. Ich erkannte sie nicht mehr wieder, sie war wie ausgetauscht. Ich war wütend auf sie. Und ich habe auf sie herab geblickt und sie verachtet. Kurz, ich habe mich schrecklich verhalten.

 

 

Vor kurzem habe ich einen Film gesehen, über einen coolen Tel Aviver, Mitglied einer Rockband, der religiös wird. In der Hochzeits-Szene saßen seine Band-Kollegen und schauten ihn an, wie ich damals meine Freundin angeschaut habe. Ich habe mich für mein damaliges Selbst geschämt. Aber ich habe mich auch verstanden.

 

Es geht so schnell, wenn man religiös wird, vergisst man, wie seltsam und fremd die Mitzvot von außen aussehen. Und man gewöhnt sich so schnell an die neue Welt und vergisst, dass man in der alten war.

 

Wenn ich heute eine Frau auf der Straße sehe, mehr aus- als angezogen, dann finde ich das geschmacklos. Aber vor ein paar Jahren bin ich auch so rumgelaufen und fand es normal. Wenn eines meiner Kinder mit wir spielt und mir am Kopftuch zieht, bekomme ich eine Panick-Attacke, als ob ich ohne Kopftuch plötzlich nackt auf dem Spielplatz stünde. Dabei bedecke ich meine Haare erst seit ein paar Jahren.

 

Wenn meine alten Bekannten die Besiedler von Eretz Israel verurteilen oder verlachen, protestiert mein Herz, dass sie Helden sind, die sich aufopfern, damit wir alle in Sicherheit leben können. Eben diese Bekannten weigern sich, die heiligen Stätten zu besuchen, aus Angst, oder aus Schuldgefühlen, "die Besatzung" zu stärken. Und ich bekäme Schuldgefühle, wenn ich mich weigern würde, unsere Väter und Mütter in Hebron zu besuchen. Ich erinnere mich kaum noch, dass ich auch einmal eine Linke und Armee-Dienst-Verweigerin war.

 

 

Ein Ba'al Tshuva (ein Jude, der religiös wird), trägt diese Widersprüche in sich. Und ich glaube, es ist wichtig, dass wir sie bewahren, und nicht zu vergessen versuchen, auch wenn wir uns für unser voriges Selbst schämen. Diese Widersprüche machen uns zu etwas besonderem. Wir kennen und verstehen beide Welten. Aus diesem Verständnis kann Akzeptanz wachsen, Vergebung und Versöhnung, und daraus Einheit, die die Erlösung bringen wird.

 

Vor den Wahlen hat mir jemand wütend an den Kopf geworfen, ob ich glaube, die Erlösung zu bringen. Die Antwort ist, ja. Ich glaube, dass ich die Erlösung bringe. Dass wir alle die Erlösung bringen.

 

Die Feiertage von Tishrei sind noch nicht so lange her. An jenen Tagen sollen wir uns miteinander versöhnen, damit HaShem uns vergibt. Und das ganze Jahr über muss uns klar sein, dass wir niemanden verurteilen dürfen. Wir könnten in der gleichen Situation sein und uns genauso verhalten. Wir waren einmal genau so. Wir sind nicht wirklich anders. Wenn wir uns das bewusst machen, können wir respektvoll miteinander reden und zu Einheit finden.

 

 

Und Ba'alei Tshuva haben dabei eine besondere Aufgabe. Wir wissen, dass nicht alles, was unsere religiösen Freunde über Atheisten denken, stimmt. Und wir wissen, dass unsere Eltern und alten Freunde ein falsches Bild von "den Religiösen" haben. Wir müssen eine Brücke sein, eine Verbindung, Dolmetscher, Erklärer. Auch wenn es vielleicht weh tut, uns daran zu erinnern, wer wir früher waren, und wie wir gedacht haben.

 

 

 

Anmerkung der Redaktion von Breslev Israel Deutsch:

 

All diese Dinge stimmen noch mehr für Juden im Ausland, die jeden Tag mit Nicht-Juden zu tun haben und Botschafter für die Torah und Israel sind. Und sie stimmen für Bnei Noach, die Werte und Wahrheit des Judentums in ihr nicht-jüdisches Leben integrieren, wie es in der Zeit der Erlösung alle Menschen tun werden. Sie stimmen für Gerim (Konvertiten), die noch mehr als Ba'alei Tshuva zwei Welten kennen.

 

Manchmal, wenn wir eine Wahrheit erkennen, wollen wir sie mit Händen und Füßen verteidigen und stemmen uns mit alles Macht gegen das Falsche, das wir vorher geglaubt haben. Und manchmal muss man das auch, um die neue Wahrheit zu stabilisieren. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass unsere eigentliche Aufgabe eine andere ist: unsere eigentliche Aufgabe ist, Versöhner und Erklärer zu sein.

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