Dieb im Olymp

Nach einiger Zeit konnte er den äußerst verlockenden Verführungen nicht mehr widerstehen und machte sich zu später Stunde auf den Weg in die Villa der reichen Sara ...

7 Min.

Rabbiner Shalom Arush

gepostet auf 06.04.21

Ein Dieb stiehlt das Seinige

 

Diesbezüglich gibt es eine furchtbare und großartige Geschichte zugleich: Ein gerechter Mann hatte einen Schüler, dessen Kosename Josale war. Der böse Trieb Josales versuchte ihm das Stehlen einzureden.
 
Nach einiger Zeit konnte Josale den äußerst verlockenden Verführungen des bösen Triebes nicht mehr widerstehen und machte sich zu später Stunde, wenn alle Stadtbürger schlafend im Bett liegen, auf den Weg in die am Stadtrand liegende Prachtvilla der reichen Sara.
 
Sara war das Einzelkind eines überaus reichen Mannes, der schon vor einiger Zeit verstarb, und erbete demzufolge den ganzen Reichtum und das gesamte Vermögen. 

 

Zurück zu Josale: An der Villa angekommen sah er, dass das Haupteingangstor weit offen stand. Des Weiteren nahm er zur Kenntnis, dass der Sicherheitsmann wie eine Kettensäge schnarchend schlief. Die Wachhunde interessierten sich ebenso wenig für ihn, da sie miteinander umher tollten …
 
Josale zögerte keine Sekunde und schlich sich an den Wachen und den Hunden vorbei. Er spazierte völlig ungestört über den atemberaubenden Garten der Villa bis hin zur Eingangstür. Und auch hier schien es ihm so, als ob man ihn regelrecht zum Diebstahl eingeladen hätte: Die Haustür war nicht abgeschlossen und das Hauspersonal war wie vom Erdboden verschluckt. 

Josale betrat mit äußerster Vorsicht das Haus. Allerdings kam er dort nicht so schnell voran, da er überall, wohin er blickte, vor Verblüffung erstarrte. Ihn entzückte der Anblick der teuren Teppiche, der wunderschönen Goldvasen, der unbeschreiblich schönen Bilder und so weiter.

Nach einiger Zeit nahm sein Erstaunen ein Ende und er machte sich weiter auf seinen Weg durch die Villa. Er durchschritt das luxuriöse Wohnzimmer, wobei seine Augen auch in das gegenüberliegende Arbeitszimmer blickten. Nach einigen Schritten schoss ihm die Erinnerung in den Kopf, dass er anlässlich eines seiner früheren Besuche bei Saras Vater beobachtete, dass sich der Tresor in diesem Zimmer befindet. Ohne zweimal nachzudenken ging er in das Arbeitszimmer.

Zu seiner überaus großen Freude fand er auf Anhieb den Tresor, den er nicht mal knacken musste, da dieser zu seiner wiederum großen Überraschung weit offen stand. Er sah, dass in dem Tresor harmonische Ordnung herrschte, auf der linken Seite sortierte Geldscheine und auf der rechten Seite Goldbarren, hochwertiger Schmuck, Juwelen und sonstige Edelsteine. 

Josale konnte es nicht fassen, wie die Dinge für ihn liefen:

  • Das Haupttor stand weit offen.
  • Der Sicherheitsmann sowie alle anderen Wachen schliefen.
  • Die Hunde waren so sehr mit sich selbst beschäftigt, sodass keiner von ihnen zu bellen anfing.
  • Die Haustür war nicht abgeschlossen.
  • Das gesamte Hauspersonal war wie vom Erdboden verschluckt.
  • Der Tresor stand weit offen.

Es hört sich vielleicht merkwürdig an, aber Josale verspürte, dass ihm Gott beisteht und hilft.
 
Josale begann nachzudenken und sagte zu sich selbst: „Weshalb lässt mich Gott diese Situation durchlaufen? Weshalb läuft alles wie am Schnürchen? Es scheint mir so, als ob dieser ganze Reichtum mir gehört, und deshalb hindert mich auch niemand daran, es an mich zu nehmen. All dies ist äußerst merkwürdig …“
 
Josale holte tief Luft und blickte auf den ganzen Reichtum, der vor seiner Nase lag. Langsam aber sicher erinnerte ihn sein Gewissen daran, dass er kurz davor steht, eine Sünde zu begehen, und deshalb sagte er zu sich selbst: „Moment mal, Gott bestimmt doch am Jahresanfang die gesamten Finanzen eines Menschen, d.h., dass jeder Mensch die von Gott bestimmte Summe bis auf den letzten Cent erhalten wird! Also was zum Kuckuck mach ich hier? Weshalb soll ich mich an dem Gut anderer bereichern?“ 
 
Allerdings war die Versuchung, der Josale ausgesetzt war, äußerst schwer, da ihm die sortierten Geldscheine, die Goldbarren, der hochwertiger Schmuck, die Juwelen und die sonstigen Edelsteinen regelrecht zuriefen: „Josale! Wir gehören dir! Nimm uns …!“ 
 
Josale stand nun wie versteinert, zögernd und zaudernd vor all dem Schatz, doch in ihm breitete sich der Glaube aus: „Wenn all dies tatsächlich mir gehört bzw. mir zusteht, dann wird mich all dies auch auf völlig legale Art und Weise erreichen. Weshalb soll ich nun dies alles auf illegale Art und gegen den Willen Gottes an mich nehmen? Dies wäre völlig dumm, da mich eh alles mit etwas Geduld erreichen wird!“ 
 
Plötzlich durchströmte das Herz Josales eine Genugtuung, die ihn mit großer Gottesfürchtigkeit erfüllte. Ihm wurde letztendlich bewusst, in welcher Gefahr er sich befand, und deshalb schrie er in seinem Herzen: „Schöpfer der Welt, rette mich!“ Er nahm daraufhin „seine Beine unter die Arme“ und ergriff – ohne etwas mit sich zu nehmen – die Flucht. 
 
Der anschließende Tag war für Josale äußerst bitter, da ihm die Tatsache seines versuchten Diebstahls sehr leid tat, darüber hinaus schämte er sich vor seinem Vater, unseren Gott im Himmel. Den ganzen Tag über weinte er sehr viel und zeigte sich Gott gegenüber unbeschreiblich sündenreuig.
 
Gegen Abend klopfte es plötzlich an Josales Tür. Zu seinem Erstaunen stand dort ein Bote seines gerechten Mentors. Er teilte Josale mit, dass sein Mentor und Lehrer ihn umgehend sehen möchte. 
 
Sofort rannte Josale mit großen Schritten zu seinem Mentor. Er war überaus aufgeregt, da er davon überzeugt war, dass sein gerechter Mentor über seinen schändlichen Diebstahlversuch Bescheid wusste. Deshalb betrat er bei seiner Ankunft voller Angst und Schmach dessen Zimmer. 
 
Sein gerechter Lehrer sah ihn an und sprach: „Josale! Bitte nimm doch Platz. Wie geht es dir?“
 
„Gott sei Dank“ antwortete Josale seinem Mentor mit der Befürchtung, dass er jeden Augenblick die Bombe zum Platzen bringen wird.
 
„Heute kam ein junges und reiches Fräulein zu mir, deren Name Sara ist“, sagte sein Mentor und fragte: „Kennst du diese Frau?“

Josale antwortete stotternd und schockiert: „Was, äh, äh – ja, ja, mmh, natürlich kenne ich diese Frau.“ Josale dachte sich nun: „Das war’s!“ Er war sich jetzt 100 % sicher, dass die Frau ihn mitten in der Nacht bemerkte, und deshalb kam sie gleich am Morgen zum gerechten Mann, um ihm mitzuteilen, dass sie ihn beim Versuch, zu stehlen beobachtete. Josale wusste sich nicht mehr zu helfen: „Wie kann ich mich jetzt verdrücken … wo kann ich mich jetzt verstecken … ich werde meinem Mentor nie wieder aufrichtig in die Augen blicken können … ach, ich flehe um Gnade wegen dieser Schande und Gnade vor dieser Schmach …“
 
„Aha“, antwortete sein Mentor und fuhr fort: „Sicherlich ist dir bekannt, dass das reiche Fräulein das einzige Kind ihres Vaters war. Und deshalb erbte sie selbstverständlich sein gesamtes Vermögen. Ihr Vater bat mich allerdings kurz vor seinem Tod, dass ich auf seine Tochter und ihr gesamtes Vermögen Acht geben, und mich um sie kümmern soll …“

Der gerechte Mann nahm tief Luft und ließ sich in seinen Stuhl fallen. Dabei sah er Josale mit einem röntgenähnlichen Blick an, der daraufhin am ganzen Körper zu zittern begann.
 
Nach einigen Momenten sprach er zu Josale: „Sara kam heute Morgen mit der Bitte zu mir, ihr einen Bräutigam zu suchen. Dabei offenbarte sie mir, dass ihr Ehemann nach ihren Vorstellungen ein weiser Schriftgelehrter sein muss, der seine ganze Kraft nur in das Studium der 5 Bücher Moses und in Gebete investiert. Des Weiteren möchte sie nicht, dass er sich mit den geschäftlichen Angelegenheiten oder mit den Immobilien usw. auseinander setzt. Ihr einziger Wunsch und Wille ist es, dass sich ihr Ehemann ohne jegliche Störungen mit dem Studium befasst, ohne mit den weltlichen Angelegenheiten in Kontakt zu treten … Sie selbst ist eine äußerst qualifizierte und tüchtige Frau, deshalb kann sie spielend alle Geschäfte, die ihr Vater hinterließ, leiten und führen.“
 
Er lächelte Josale herzlich an und sagte: „Nachdem sie ging, fiel mir auf Anhieb kein geeigneter Mann ein, der ihren Anforderungen entspricht. Doch nach einiger Zeit legte Gott mir ins Herz, dass du heiraten musst, und dabei gab er mir den weisen Blick, zu erkennen, dass es sich bei dir und Sara um ein vom Himmel bestimmtes Traumpaar handelt. Lange Rede – kurzer Sinn, bereite alles für deine Hochzeit vor. Ich möchte, dass ihr so schnell wie möglich heiratet, daher wird eure Hochzeit noch vor den anstehenden Feiertagen stattfinden …“ 
 
Josale verließ wie betäubt das Zimmer seines Mentors und machte sich auf den Weg nach Hause. Nach einigen Schritten überfiel ihn ein unangenehmes Schwindelgefühl, aufgrund der glühend heißen Sonne, die ihm auf seinen Kopf schien. Josale fiel es äußerst schwer, sein Gleichgewicht zu halten und deshalb nahm er auf einer Straßenbank Platz. Als er an seinen Kopf fasste, schossen ihm dabei die Ereignisse, die er in den letzten 24 Stunden durchlebte, durch den Kopf. Er konnte es nicht fassen, welch große Barmherzigkeit und Gnade Gott ihm erwies. Der Gedanke, dass er um ein Haar seine ihm von Gott auferlegte Glaubensprüfung aufs Spiel gesetzt hätte, führte bei ihm fast zu einem Nervenzusammenbruch …

Wenn man davon ausgeht, dass er tatsächlich den Diebstahl begangen hätte, dann hätte er im Grunde genommen sich selbst bestohlen und sich dadurch seine gesamte gute und schöne Zukunft verbaut! Anstatt ein Leben im Wohlstand zu leben, in dem es ihm möglich gewesen wäre, ohne jegliche Sorgen die 5 Bücher Moses zu studieren und sich ausgiebig mit Gebeten zu beschäftigen, hätte er seinen illegal erworbenen Reichtum verstecken müssen. Über Kurz oder Lang wäre er gezwungen gewesen, seinen Heimatort zu verlassen, da man solch großen Reichtum nicht lange unbemerkt verstecken kann, und dies wiederum wäre der Totalabsturz für ihn und für sein Studium … 
 
Josale bedankte sich mit einem tränenübergossenen Gesicht bei Gott für das ihm entgegengebrachte Mitleid und für die ihm entgegengebrachte Hilfe, die dazu führte, dass er die Glaubensprüfung erfolgreich bestand. Gott ließ Josale unmissverständlich verstehen, dass der gesamte Reichtum eines Menschen nur so darauf wartet, „an den Mann“ zu kommen. Die einzige Glaubensprüfung, die jeder Einzelne dabei zu durchlaufen hat, ist die Geduld, d.h., ein Mensch hat die Wahl, entweder geduldig zu sein und darauf zu warten, bis das Geld ihm auf legale Art und Weise erreicht, sodass er dadurch wahre Freude am Geld haben wird. Oder er erweist sich als ungeduldig und beginnt deshalb, das Geld auf illegale Art heranzuschaffen, allerdings ist es dabei zu 100% sicher, dass er sich an keinem Cent erfreuen wird. Einen besseren Vortrag über den Glauben an Gott, sowie Seine grenzenlose Barmherzigkeit hätte Josale an keinen anderen Ort mehr bekommen …
  
Es versteht sich von selbst, dass nicht jeder auf so eine klare Art und Weise zu sehen bekommt, dass sein Geld für ihn bereit liegt. Des Weiteren ist es ebenso selbstverständlich, dass nicht bei jedem die Glaubensprüfung darin besteht, ob man das Geld stiehlt oder nicht. Doch in Wahrheit läuft die Glaubensprüfung im Bereich der Finanzen und des Geldes immer nach dem gleichen Schema ab. Jedem liegt die von Gott am Jahresanfang für ihn bestimmte Geldsumme bereit, allerdings kommt man nur an dieses Geld, wenn man seine ihm auferlegte Glaubensprüfung erfolgreich absolviert, d.h., geduldig abzuwarten, bis das Geld ihn auf einem guten Weg erreicht. Wenn man anfängt Geldbeträge zu leihen, nervös wird, mit anderen Menschen herum diskutiert oder streitet, stiehlt, betrügt oder raubt, dann kann man noch lange auf sein Geld warten.
 
Ein weiterer erwähnungswerter Punkt ist, dass Josale sein Geld auf jeden Fall bekommen hätte, völlig unabhängig von der Hochzeit mit Sara. Auch wenn er Sara nicht geheiratet hätte, hätte er sein Geld erhalten. Sara hätte sich z.B. dazu entschlossen, einen weisen Schriftgelehrten finanziell zu unterstützen, oder sie hätte ihm ein Geschäft angeboten oder dergleichen. Gott hat unendliche Wege, um seine Geschöpfe zu ernähren, zu versorgen und so weiter.

Sagen Sie uns Ihre Meinung!

Danke fuer Ihre Antwort!

Ihr Kommentar wird nach der Genehmigung veroeffentlicht.

Fuegen Sie einen Kommentar hinzu.