Eines Freitags in Tokio

Eine unglaubliche Geschichte über einen alten Japaner und einen überraschten Israeli

3 Min.

Oded Misrachi

gepostet auf 12.11.19

Sohar saß neben seinem Stand in Tokio und bot den vorbei ziehenden Schmuck und Uhren feil. Manchmal nahm er seine Gitarre und spielte ein bisschen. Damit verdiente er mehr als mit dem Verkauf. Letztendlich interessierten ihn auch Kunst und Spiritualität mehr als das Geschäft.

 

Sohar sah einen andern Israeli, den er kannte, wie er sich mit einem alten Japaner unterhielt, der einen Blumenstrauß in der Hand hielt. Sohar spitzte neugierig die Ohren und war überrascht: Die beiden unterhielten sich auf Hebräisch! Seit wann sprechen alte Japaner Hebräisch? Nachdem der andere Israeli sich verabschiedet hatte, sprach Sohar den Japaner an. Er heiße Jonathan, sagte er. Sohar war noch mehr verwundert. Woher er denn so gut Hebräisch könne?

 

 

"Das ist eine längere Geschichte… Ich wuchs als ganz normaler Japaner auf, auf der südlichen Insel. Aber dann geschah eines Tages eine Tragödie. Mein geliebter älterer Bruder beging Selbstmord. Unter Japanern ist Selbstmord ein verbreiteter und legitimer Schritt. In der japanischen Kultur hat jeder Mensch das Recht, zu entscheiden, sein Leben zu beenden. Aber als mein Bruder sich tötete, brach mir das das Herz. Ich sah keinen Sinn mehr in meinen eigenen Leben und entschied, mich auch zu töten. Ich ging mit einem Strick in den Park, um mich an einem Baum aufzuhängen. Aber einen Moment, bevor ich springen wollte, sah mich ein Polizist und schrie mich an, was ich hier tue, ich solle verschwinden. So scheiterte der erste Versuch."

 

 

"Ich lebte also einige Monate länger. Aber die Depression ließ nicht nach. Ich entschied wieder, mich zu töten. Diesmal wollte ich an einen Ort gehen, wo mich niemand stören würde. Ich stieg auf einen Berg außerhalb der Stadt, um mich die Felswand hinab zu stürzen. Nichts konnte mich diesmal aufhalten. Aber einen Moment, bevor ich springen wollte, hörte ich eine Stimme rufen: 'Lies Tanach!' "

 

"Ich verstand nicht, woher die Stimme kam. Ich sah mich um, da war nichts und niemand. Ich hatte mir wohl etwas eingebildet. Ich machte mich wieder bereit, zu springen. Aber wieder rief jemand im letzten Moment: 'Lies Tanach!' Ich hielt an, sah mich nochmal um, da war nichts. Ich entschied, trotztdem zu springen. Aber ein drittes Mal kam die Stimme: 'Lies Tanach!' "

 

"Da verstand ich, dass hier etwas über-natürliches geschah. Ich stieg von dem Berg hinunter, um einen Tanach zu suchen. Es gab keine Juden in meiner Stadt, also war alles, was ich fand, eine Kirche. Ich bekam einen Tanach, ein altes Testament, und das neue Testament. Ich näherte mich dem Christentum. Das erfüllte mein Leben einige Monate."

 

 

"Aber nach einiger Zeit verlor ich wieder jede Lust am Leben. Ich wollte mich umbringen, diesmal wirklich. Ich überlegte lange, wie ich das am Besten tun könnte und entschied schließlich, mich auf die Zuggleise zu legen. Die Überland-Züge, die aus Tokio kommen, erreichen eine Geschwindigkeit von über 300 Kilometer/Stunde. Die Zugführer schaffen es nie, rechtzeitig zu bremsen."

 

"Ich ging also eines Tages auf die Gleise. Ich hörte den Zug aus der Ferne. Ich legte mich hin und wartete auf das Ende. Aber dann geschah, was nie geschieht. Der Zugführer sah mich und schaffte es, kurz vor mir zum Stehen zu kommen. So ein Wunder war noch nie geschehen. Ich war in allen Zeitungen."

 

 

"Ich sah also endlich ein, dass nichts helfen würde. Der Heilige, gepriesen sei er, wollte, dass ich lebte. Ich beschloss also, weiter nach einem 'Tanach' zu suchen. Ich fand die japanische Sekte Makuja, die mit dem Judentum sympathisieren und Israel unterstützen. Ich besuchte Israel."

 

"Als ich zur Westmauer kam, hatte ich eine unglaubliche spirituelle Erfahrung. Ich sah plötzlich im Geist alle möglichen Szenen aus meiner Kindheit in schneller Abfolge. Ich erinnerte mich an die Familientradition, in der Succa zu sitzen. Daran, dass an einem unserer Familientempel steht 'Zum Haus Ja'akovs werden wir gehen'. Und noch einige Dinge, von denen ich plötzlich verstand, dass sie jüdisch waren."

 

 

"Ich verstand, dass ich wohl ein Nachfahre der zehn Stämme des Königreichs Israel war, die nie aus dem babylonischen Exil zurück kamen. Ich konvertierte und wurde Jude. Danach kam auch mein Sohn nach Israel und konvertierte und heiratete eine Jüdin. Ich lebte in Israel bis ich nicht mehr arbeiten konnte. Dann zog ich es vor, nach Japan zurück zu kehren. Hier habe ich einen Rentenanspruch und ich komme besser zurecht als in Israel. Aber mein Sohn lebt mit seiner Familie in Israel. Eine wunderschöne jüdische Familie hat er gegründet."

 

 

Der alte Japaner sah auf seine Uhr und erschrack: "Entschuldige, jetzt ist es schon spät geworden! Ich muss nach Hause, Kerzen zünden!"

 

 

Sohar sah dem alten Japaner, dem alten Juden nach, der mit einem Blumenstrauß in der Hand davon eilte, um rechtzeitig zum Eingang des Shabat zuhause zu sein. Zu seiner Überraschung spürte Sohar einen Stich in seinem Herzen. Ihm war, als höre auch er eine Stimme: "Und du, Sohar? Dieser alte Japaner rennt nach Hause, um den Shabat zu ehren. Und du stehst hier neben deinem Stand und verkaufst Uhren als wäre nichts?"

 

Diese Begebenheit war der erste Schritt auf auf Sohars Weg zurück zur Torah.

 

 

 

Oded Misrachi sammelt und veröffentlicht außergewöhnliche Geschichten über die persönliche Führung HaShems. Wenn du so eine Geschichte erlebt oder gehört hast, erzähl uns davon!

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