Der jüdische Soldat

Sieben Jahre alt war Eli Lejb Itzkowitsch, als er von seinem Elternhaus entführt und in ein Internat der russischen Armee verschleppt wurde.

6 Min.

Rabbiner Benjamin Sufiev

gepostet auf 05.04.21

Sieben Jahre alt war Eli Lejb Itzkowitsch, als er von seinem Elternhaus entführt und in ein Internat der russischen Armee verschleppt wurde. Ständig musste er unter den Verspottungen seiner Erzieher leiden. Er solle doch sein armseliges Judentum aufgeben. Schließlich brach der Widerstand des jungen Eli Lejbs, und er christianisierte. Doch in seinem Herzen blieb er jüdisch, und bemühte sich sogar im Geheimen weiterhin einige Mitzwot einzuhalten.

Doch die dahinschwindende Zeit und sein antijüdisches Umfeld taten ihres. Allmählich trennte er sich von seinem Judentum. Die Erinnerung an seine Eltern verschwamm, und er wurde so wie alle anderen im Internat.
 
Der Besuch zu Hause
 
Seitdem vergingen viele Jahre. Eines Tages, Eli Leijb war bereits ein Mann geworden und ein Soldat ersten Ranges, erhielt er einen kurzfristigen Urlaub. Dies war das erste Mal, dass man ihm keine Beschränkungen bezüglich des Urlaubsorts machte.
 
Eli Leijb erinnerte sich noch an den Namen seines Geburtsortes und seiner Eltern. Er wollte sie wieder sehen.
 
Sein Herz pochte voller Aufregung, als er an die Tür seines Elternhauses klopfte. Eine alte Frau öffnete ihm. Das Angesicht seiner Mutter schmerzte ihn – ihre traurigen Augen und die zahlreichen Falten in ihrem Gesicht. Die vielen Jahre des Trauerns über ihren verlorenen Sohn hatten ihre Zeichen. Seine Mutter erkannte ihn nicht. Es war schwer eine Ähnlichkeit zwischen dem liebevollen Kind mit den Schläfenlocken und der Kippa und dem steifen, russischen Soldaten zu finden.
 
Er bat um Eintritt und wollte über sie und ihren Mann erfahren. „Er starb vor einigen Jahren“, sagte sie traurig.
 
Diese Botschaft schmerzte ihn sehr. Oft gedachte er seinem Vater, dessen Angesicht er noch kaum in Erinnerung hatte. Niemals würde er ihn nun wieder sehen können. Eli Lejb deuteteseiner Mutter immer mehr seine Identität an, dass sie nicht zu sehr erschrecke.
 
Schließlich offenbarte er sich ihr. Sie fielen sich weinend um den Hals. Seine Mutter konnte es nicht realisieren: Ihr verlorener Sohn, der Todgeglaubte, ist zu ihr zurückgekehrt!
 
Eine Woche lang verbrachte Eli Lejb bei seiner Mutter, jeden Moment in ihrer Gegenwart genießend. Er erfuhr so Vielesüber seine Kindheit, seine Mutter und seinem verstorbenen Vater und erzählte seinen Lebenslauf in all den Jahren.
 
Der Segen
 
Als die Zeit kam voneinander Abschied zu nehmen, richtete seine Mutter eine besondere Bitte an ihn: „Nicht weit von hier, in der Stadt Ladi, lebt ein großer Zadik. Ich bitte dich ihn aufzusuchen und seinen Segen zu erbitten.“
 
Eli Lejb weigerte sich. „Schon seit vielen Jahren habe ich mein Judentum aufgegeben. In jeder Hinsicht bin ich ein Nichtjude. Wie kann ich so vor einen Zadik treten?!“
 
Doch seine Mutter bestand darauf. „Lasse mich dich nicht anflehen. Gehe zum Zadik und erhalte seinen Segen, dass du den Militärdienst heil beendest und nach Hause zurückkehrst. Jetzt, wo ich dich wieder gefunden habe, lasse ich nicht zu, dass du mir ein zweites Mal verloren gehst!“
 
Gezwungenermaßen fuhr Eli Lejb nach Ladi. Beim Haus des Zadiks wartete eine lange Menschenschlange, doch der Rabbi ordnete seinem Diener an, jüdischen Soldaten Vortritt zu geben. Eli Lejb wurde zum Beginn der Reihe gebracht. Bevor er eintrat, half ihm der Diener seinen Namen und den Namen seiner Mutter auf einen Zettel zu schreiben.
 
Der Soldat verspürte eine nie gekannte Ehrfurcht, als er den Raum betrat.
 
In seinem Leben empfand er öfters Furcht und Angst, Furcht vor dem General, Angst auf dem Schlachtfeld; doch dieses Mal war es anders. Das Antlitz des Zadik ließ ihn Furcht aus größtem Respekt empfinden. Er übergab dem Rabbi den Zettel, welcher ihn daraufhin einige Fragen stellte. „Der Ewige soll dich auf all deinen Wegen hüten“, segnete er ihn schließlich.
 
Eli Lejb bat um eine Münze des Rabbi, wie ihm seine Mutter aufgetragen hatte. „Der Ewige wird dich auch ohne die Münze hüten und dir die Einsicht geben den richtigen Weg zu wählen“, sagte ihm der Zadik und blickte ihn mit tiefen, liebevollen Augen an.
 
Beim Verlassen des Rabbi empfand Eli Lejb ein unerklärliches Gefühl der Glückseligkeit, als ob er es geschafft hätte seine jahrelange Trennung vom Judentum zu überbrücken und sich wieder an seine Wurzeln zu binden.
 
Das jüdische Herz
 
An jenem Tag, als er wieder in sein Lager zurückkehrte, ging von dem Zaren der Befehl aus, allen Soldaten die Rückkehr zu ihrem Glauben zu gestatten. Eli Lejb war der erste, der dieses Recht in Anspruch nehmen wollte.
 
Doch da er ein gebildeter Mann und ein guter Soldat war, versuchten seine Befehlshaber ihn davon abzubringen.
 
Jeder Versuch scheiterte – schließlich holten sie einen Priester, der auf ihn einredete: „Dein Los wird so wie das aller verfolgten Juden sein. »Aussätziger Jude«wird man dich nennen. Doch wenn du einer von uns bleibst, wirst du in den Armeerängen aufsteigen und all deine Wünsche werden in Erfüllung gehen!“
 
Eli Lejb schloss seine Augen. Er sah das Antlitz des Zadik und gedachte seinen Worten: „Der Ewige wird dich hüten und dir die Einsicht geben den richten Weg zu wählen!“ Er war überzeugt, welches der richtige Weg sei.
 
„Nicht aus freiem Willen schwor ich meinem Glauben ab, sondern aus Zwang und Schmerz. Ein kleines Kind war ich, als man mich aus meinem Elternhaus entführte und mir euren Glauben aufzwang. Nun will ich zurückkehren und meine Sünden in all diesen Jahren sühnen. Und ich bevorzuge ein aussätziger Jude genannt zu werden, als ein Jude, der Gott den Rücken kehrte!“
 
Eli Lejb blieb bei seiner Entscheidung und tat aufrichtige Tschuwa. Nachdem er seinen Militärdienst beendete, kehrte er zu seiner Mutter zurück. Er gründete eine Familie und verdiente sein Brot in Ehre. Seinen Kindern erzählte er seine Lebensgeschichte und war voller Stolz über seine richtige Entscheidung. „Sehet die Kraft des Antlitzes eines Zadiks, auch nur sein Erblicken an einem Mal“, sagte er ihnen. „Das veränderte mein ganzes Leben und rettete mich!“
 
Der prunkvolle Porsche
 
Der prunkvolle Porsche raste in den Innenhof. Soeben beendete  Dave Solomon das erschütternde Tele­fonat mit seiner Frau. Er sollte unver­züglich in das Krankenhaus kommen. Ihre Tochter Sara hatte einen schweren Autounfall. Ihr Zustand sei kritisch!
 
Dave eilte die breiten Marmorstufen seiner Villa hinauf, holte das Notwen­digste und machte sich auf den Weg ins Krankenhaus. Schreckliche Gedanken durchliefen seinen Kopf.
 
Mister Solomon war Besitzer einer Kettevon internationalen Fabriken. Seine   Luxusvilla war nur für ihn, seiner Frau und Tochter, welche gerade erst acht­zehn wurde. Schon öfters fragte sich Dave, wozu er denn ein so großes Haus für nur drei Personen bräuchte. Das   Argument war dann immer die aussichtsvolle Zukunft. Er sah seine TochterSara mit ihrem Mann und den Kindern, seine Enkelkinder, welche dann alle die Großeltern in ihrem Haus besuchen kämen. Auf der großen Wiese würde er freudig mit seinen Enkeln spielen.
 
Seine Tochter Sara war für Dave alles. An sie denkt er, wenn er ein wichtiges Geschäft abschließt, über ihren Erfolg träumt er in den Nächten.
 
Doch jetzt wo er sie im Krankenhaus aufsuchen musste, überfiel in der beängstigende Gedanke: Wozu aller  Besitz, wenn . . .
 
Sara lag auf dem Krankenbett regungs­los. Sie hatte das Bewusstsein verloren und war an Atmungsgeräte ange­schlossen. Die Ärzte taten ihr Möglichs­tes. Mitfühlend erklärten sie Mister und Misses Salomon, dass sie nur noch zu Gott beten könnten.
 
In den kommenden Tagen kapselte sich Dave gänzlich von seinen Geschäften ab. Auf einmal wurde er sich einer nie       gekannten Lage bewusst: All sein Geld nützte ihm nichts! Stundenlang saß er  neben dem Bett seiner Tochter mit der Hoffnung, dass sie endlich die Augen öffne.
 
Angestellte und Freunde riefen an um sich über den Zustand Saras zu erkundigen.Sie waren ehrlich besorgt und konnten Dave und seine Gattin nur durch ihren festen Glauben an ein Wunder aufmuntern.Bei einem Gespräch mit seinem Geschäftspartner aus New York, erzählte ihm jener von einem einen großen Rabbi, der als Lubawitscher Rebbe bekannt sei. Dessen Segen könnten wahrhaftige Wundervollbringen, selbst in Fällen, in denen die Ärzte aufgeben.
 
Dave hatte noch nie etwas von ihm gehört. Das kam wohl durch seine Abnei­gung zum Judentum.
 
Daves Vater war ein religiöser Jude, doch der Sohn hatte diesem Weg den  Rücken gekehrt. Vor Saras Unfall hätte Dave nie daran gedacht sich mit einer rabbinischen Persönlichkeit für irgendeinenZweck zu treffen. Doch in solchem Zustand, wo das Leben seiner Tochter auf dem Spiel steht, war er selbst dazu bereit.
 
Der Geschäftspartner in New York organi­sierte ein Treffen mit dem Rebben, und Dave nahm die erste Maschine nach New York. Ehrlich gesagt aber erwartete er sich nicht besonders viel von dem Treffen,doch man kann ja nie wissen. . .
 
Als Dave vor dem Rebben stand, verwechselte er dieses Treffen anscheinend mit einem Geschäft. Er zögerte nicht seine Bedingungen zu stellen. Mit Händen in der Tasche und dem Stil eines Businessmanns sagte er zum Rebben: „Rebay! Der Zustand meiner Tochter ist sehr kritisch. Ich lege zwanzig Tausend Dollar auf den Tisch und du heilst sie!“
 
Als ob den letzten Satz überhörend fragte ihn der Rebbe: „Was ist mit dem Einhaltendes Schabbat? Wenn du ihn einhältst, wird deine Tochter gesund!“
 
„Rebay“, versuchte Dave zu erklären. „Meine Geschäfte sind viel zu zahlreich, dass ich sie jeden Schabbat lahm legen könnte. Ich bin bereit den Betrag zu erhören – fünfzig Tausend Dollar. Abgemacht?
 
Doch den Rebben beeindruckte das nicht. „Schau! Nicht ich habe zu dem Unfall deiner Tochter geführt. Alles liegt in den Händen Gottes. Wenn du Seinen Willen erfüllst und den Schabbat einhältst, wird Er auch deinen Willen erfüllen und deine Tochter heilen!“
 
Doch Dave ließ nicht locker. „Man hat mir erzählt, dass du ein großer Rebbe seist, dessen Segen Wunder vollbringen können. Ich gebe dir bar auf die Hand ein hundert Tausend Dollar! Ist das ein Deal!“
 
Der Lubwatischer Rebbe blickte auf Dave mit sanften, väterlichen Augen. „Du musst dich an den Ewigen wenden. Zu Ihm musst du beten, damit Er deiner Tochter zur Seite stehe. Ich kann helfen, indem ich auch für deine Tochter bete. Aber an dir liegt es deinen Teil zu tun. Halte den Schabbat!“
 
Erbittert brach Dave in verzweifeltes Weinen aus.
 
„Rabbi! Ich gebe dir soviel Geld du willst, nur lass mir den Schabbat!“
 
„Halte den Schabbat und deine Tochter wird gesund! Du wirst noch viel jüdi­schen Wohl von ihr und ihren Kindern sehen“, segnete der Rebbe ihn schließlich.
 
Als Dave das Zimmer des Rebben verließ, schien ihm die Einhaltung des Schabbat weiterhin so fern wie die Sterne.Doch die überwältigende Persönlichkeit des Rebben ließ ihm keine Ruhe. Immerhin war das der erste Mensch, den er in seinem Leben traf, welcher seine Meinungselbst für alles Geld der Welt nicht änderte.
 
Doch inzwischen verschlechterte sich der Zustand Saras, und Dave, machtlos in seiner aussichtlosen Lage, entschied sich das Rezept des Lubawitscher Rebben auszuprobieren – er begann den Schabbat einzuhalten.
 
Schon nach jenem ersten Schabbat gab es Anzeichen der Besserung bei Sara! Es funktionierte tatsächlich. . .
 
Nach einigen Monaten konnte Sara aus ihrem Bett steigen, und nach einem halbenJahr schon war sie wieder in ihrem    Zuhause als ob nie etwas geschehen wäre.
 
Heute, wenn Dave sich hin und wieder von seinen Geschäften erholt, wie zum Beispiel an jedem Schabbat, amüsiert er sich mit seinen sieben süßen Enkelkindern …

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