Grundbegriffe des Judentums

Die Auserwähltheit des jüdischen Volkes, die jüdischen Speisegesetze und das Erlassjahr (Schmitta).

3 Min.

Rabbiner Schlomo Aviner

gepostet auf 05.04.21

1. Die Auserwähltheit des jüdischen Volkes

 

Jeden Morgen vor dem Morgengebet, und auch, wenn man zur Tora aufgerufen wird, sagt man den folgenden Segensspruch:

 

"Gelobt seist du, Ewiger, unser G~tt, König der Welt, der uns erwählt hat aus allen Völkern und uns seine Tora gegeben. Gelobt seist du, Ewiger, der die Tora gibt".

 

Wir sind international unter dem Namen "das auserwählte Volk" bekannt, zweifellos. Doch was bedeutet dieser Ausdruck? Wer hat uns auserwählt, und wie, und wozu?

 

Die erste Frage wurde bereits im oben angeführten Segensspruch beantwortet. Wie jedoch wählt sich G~tt sein Volk? Mit dem Stimmzettel? Wohl kaum. Vielleicht so wie jemand in den Supermarkt geht und sich aus dem Angebot eine Dose Sardinen "auswählt"? Doch wer hat das "Regal" gefüllt und wer hat den "Supermarkt" gebaut? Doch er selbst! Er erschafft doch nicht erst einmal die Völker und überlegt sich dann hinterher, wen er wohl heute auserwählt! (So wie manche Leute glauben machen wollen, dass die Juden zwar auserwählt waren, dann aber G~tt – mangels Weitsicht – wegen ihrer Sünden ein anderes Volk auserwählte, nämlich sie selbst – die "neuen Juden").

 

Göttliches "Auswählen" heißt Schaffen. G~tt, der die Welt von ihrem Anbeginn bis an ihr Ende kennt, schuf sich ein besonderes Volk, wie es beim Propheten Jeschajahu heißt (Kap.43, Vers 21): "Das Volk, das ich mir gebildet, meinen Ruhm sollen sie erzählen."

 

Und dementsprechend sagen wir dreimal täglich, nach dem Morgengebet, dem Mincha- und dem Abendgebet "Alenu leschabeach…": "An uns ist es, zu preisen den Herrn des Alls, Huldigung darzubringen dem Schöpfer des Anbeginns, dass er uns nicht erschaffen gleich den Völkern der Länder und uns nicht gleichgemacht den Familien der Erde, dass er unseren Anteil nicht gleichgemacht hat dem ihren und unser Los gleich dem ihrer Menge" (aus dem Sidur).

 

Damit kommen wir zum dritten Teil der Frage, des "wozu". Auch dies ist oben bereits angeklungen – was heißt aber nun "seinen Ruhm zu erzählen" und "zu preisen den Herrn des Alls usw."? Anscheinend ist G~tt daran interessiert, seinen Willen und seine Taten auf eine ganz bestimmte Weise in der Welt bekannt zu machen – auf dem Wege über das jüdische Volk, das sich durch göttliche Lebensweise, nach den göttlichen Lebensregeln (Mitzwot, Gebote) auszeichnet.

 

Dazu sind wir seine besondere Schöpfung; und genau dies macht uns geeignet, die Tora zu erhalten und die Mitzwot zu erfüllen – d.h. heißt, mit G~tt in Verbindung zu stehen und der Welt seinen Segen zukommen zu lassen.

 

2. Die jüdischen Speisegesetze

 

In der ersten Folge erklärten wir den Begriff "auserwähltes Volk", unser Wesen und unsere Aufgabe in dieser Welt als speziell für die Überbringung des göttlichen Segens geschaffene Vermittler zwischen G~tt und der übrigen Menschheit durch "göttliche Lebensweise" anhand der Gebote (Mitzwot). Als Quellen wurden der vor der Toralesung zu sagende Segensspruch, das Gebet "Aleinu leschabeach" sowie der Vers aus dem Prophetenbuch Jeschajahu (Kap.43, Vers 21): "Das Volk, das ich mir gebildet, meinen Ruhm sollen sie erzählen" aufgeführt und erläutert.

 

Zu der erwähnten "göttlichen Lebensweise" gehört z.B. die Verpflichtung, bestimmte Speisegesetze zu befolgen. Genauso, wie der Unterschied zwischen Jude und Nichtjude auf der spirituellen Ebene liegt, ist auch der Unterschied zwischen koscheren und nicht-koscheren Speisen ein spiritueller. Die Tora spricht in diesem Zusammenhang von "tahor" und "tameh", rein und unrein. Dies hat nichts mit Gesundheitsvorsorge zu tun. Wenn koscheres Fleisch wirklich ungesünder wäre – warum hat G~tt es dann nicht auch in den noachidischen Gesetzen, die für die ganze Menschheit gelten, verboten? Vielmehr unterdrücken die verbotenen Nahrungsmittel die spezielle Identität des Juden, der somit nicht nur durch sein äußerliches Verhalten immer mehr dem Nichtjuden ähnlich wird. Im Gegensatz zu diesem hat er jedoch die Möglichkeit, durch Umkehr,Tschuwa, seine Identität zu reaktivieren. Ein Nichtjude kann auch durch alles koschere Essen der Welt nicht diese Identität erlangen, sondern nur durch Konvertierung. Demgegenüber nimmt er durch den Genuss der für Juden verbotenen Nahrungsmittel keinen besonderen Schaden, da ihm die dagegen empfindliche Identität fehlt.

 

3. Das Erlassjahr (Schmitta)

 

"Nach Verlauf von sieben Jahren sollst du einen Erlass halten. Folgende Bewandtnis hat es mit dem Erlass: Jeder Schuldherr soll das Darlehen, das er seinem Nächsten geliehen, erlassen; er soll seinen Nächsten und Bruder nicht drängen, denn ein Erlass dem Ewigen ist verkündet. Den Ausländer magst du drängen, was du aber von deinem Bruder zu fordern hast, sollst du erlassen" (Dt. 15,1-3).

 

Die gesetzlichen Regelungen des Schmittajahres (Erlassjahr, jedes siebte Jahr) bezüglich der Landwirtschaft und deren Erzeugnisse gelten fast ausschließlich im Lande Israel.

 

Demgegenüber gilt das Gesetz vom Schuldenverfall überall, wobei der 29. Elul des Schmittajahres (=Jahresende) eine maßgebliche Rolle spielt. Dann nämlich verfallen alle Schulden, die ein Jude bei einem anderen hat, vorausgesetzt, dass sie bis zu diesem Datum zahlbar waren. Kredite gegen Pfand sind jedoch davon ausgenommen, da durch das Pfand die Schuld, jedenfalls theoretisch, in dessen Gegenwert als abgegolten gilt.

 

Wer den Verfall der ihm von jüdischen Geschäftspartnern zustehenden Forderungen verhindern will, kann diese ohne große Formalitäten einem Bet-Din, dem rabbinischen Gericht, übertragen, worauf er ein "Prusbul" genanntes Dokument erhält, das ihn dann auch im neuen Jahr zum Einzug seiner Außenstände berechtigt.

 

Dieses Gebot gilt für Männer wie für Frauen gleichermaßen.

 

Oberrabbiner von Bet El und Leiter der Jeschiwa "Ateret Kohanim/Jeruschalajim" in der Altstadt von Jerusalem  übersetzt von R. Plaut Chefredakteur von KimiZion.

 

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