Theater aus rabbinischer Sicht

Der unaufhaltsame Wandel der gesellschaftlichen Wirklichkeit bringt es mit sich, dass ständig neue religionsgesetzliche (halachische) Fragen auftauchen.

2 Min.

Prof. Dr. Yizhak Ahren

gepostet auf 05.04.21

Der unaufhaltsame Wandel der gesellschaftlichen Wirklichkeit bringt es mit sich, dass ständig neue religionsgesetzliche (halachische) Fragen auftauchen. Kompetente Rabbiner diskutieren die aufgeworfenen Probleme und fällen Entscheidungen. Zahlreiche Responsa kommen in Sammelbänden auf den Büchermarkt, und so wird die talmudische Literatur immer umfangreicher. Aus jedem dieser Werke kann man viel Tora lernen, und man erfährt quasi nebenbei sehr viel über bestimmte Bereiche des menschlichen Lebens.

Dass ein gelehrter Rabbiner ein ganzes Buch über Fragen des Theaters verfasst hat, dürfte sicher viele Juden überraschen. Denn seit wann interessieren sich Tora-Lehrer für die Welt des Theaters ? In der Tat finden wir im Talmud (Avoda Sara 18 b) äußerst kritische Bemerkungen über das Theater. Die Weisen wiesen auf negative Aspekte dieser bereits im Altertum bekannten Institution hin: dort werde Götzendienst praktiziert und wertvolle Zeit nutzlos verschwendet. Erst in unserer Zeit ist eine Neubewertung der Kunstform des Theaters in Gang gekommen.

In Emunah College for Arts and Technology, einer Fachhochschule für religiöse Frauen in Jerusalem, gibt es u.a. eine Theater-Abteilung. Halachische Fragen, die in diesem Studienzweig aufkamen, hat Rabbiner David Abraham Sektor, der schon vor einigen Jahren eine Studie über Kunst und Halacha vorgelegt hat, zu beantworten gesucht. Sein neues Buch "Responsa Drama" ist im Verlag der religiösen Kunstakademie erschienen. Wie in halachischen Werken üblich, zieren mehrere Empfehlungsschreiben (Haskamot) von bekannten Tora-Gelehrten die hier vorzustellende Neuerscheinung. Im Anhang sind zwei Texte von Rabbiner Dov Lior und von Rabbiner Schlomo Aviner über halachische Probleme des Theaters abgedruckt.

Rabbiner Spektor weiß, dass er Neuland betritt und ist deshalb besonders vorsichtig. Mehrfach weist er darauf hin, dass in bestimmten Fragen unbedingt der Rabbiner des Ortes zu befragen sei, da man im konkreten Fall die besonderen Umstände berücksichtigen müsse. Wichtig ist seine grundsätzliche Feststellung, dass es durchaus ein "koscheres Theater" geben kann. Dabei sind natürlich einige Bedingungen strikt einzuhalten. Aber dann kann man Theaterspielen sogar als eine gute Tat (Mitzwa) betrachten. Es ist gewiss lobenswert, Zuschauer auf einem hohen Niveau zu unterhalten, und die Inszenierung eines guten Stückes kann im Sinne der Tora lehrreich sein und zu positiven Gedanken und Handlungen anregen.

Aus der Fülle der behandelten halachischen Fragen seien an dieser Stelle nur drei Beispiele angeführt. Darf ein Stück bekannte Zeitgenossen offen kritisieren? Der Autor betont, dass auch im Theater die Regeln von übler Rede (Laschon Hara) einzuhalten sind; aber im Interesse der Beseitigung von Übel dürfe man die Übeltäter beim Namen nennen – Protest-Theater ist also halachisch zulässig. Die auf der Bühne vorgebrachte Kritik sollte aber nicht überzogen sein; der Verfasser hält es für dringend geboten, kritische Texte vor der Aufführung einem Tora-Gelehrten vorzulegen. Eine andere Frage: Darf ein Schauspieler ohne Kopfbedeckung auf der Bühne agieren? Rabbiner Spektor erläutert zuerst die große Bedeutung des Käppchens; in Beantwortung der gestellten Frage meint er, dass ein Akteur im Notfall auch ohne Bedeckung des Kopfes spielen darf – nur sollte er in einem solchen Fall keine Gebete oder Tora-Worte rezitieren. Das letzte Beispiel: Darf eine Truppe am Schabbat Theater spielen? Die gegebene Antwort lautet: Nichts spricht gegen das Spiel, wenn man darauf achtet, dass es bei der Aufführung nicht zu einer Entweihung des heiligen Tages kommt.

Anfänge sind gemacht worden, in gesetzestreuen Kreisen wird Theaterspielen akzeptabel. Rabbiner Spektor erinnert an eine Talmud-Stelle (Megilla 6 a), nach der eines Tages Jehudas Fürsten in Theatern Tora öffentlich lehren werden. Nähern wir uns dieser glorreichen Zeit?

Rabbiner David Abraham Spektor, Responsa Drama (hebr.) ISBN 978-965-7584-00-2. Verlag Michlalat Emunah, Jerusalem 2012, 169 Seiten, 20 NIS.

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