Türöffner für den Messias

Das innige Verhältnis zwischen chassidischen Juden (Chassidim) und ihrem jeweiligen Meister (Rebbe) können sich Außenstehende kaum vorstellen.

3 Min.

Prof. Dr. Yizhak Ahren

gepostet auf 05.04.21

Rabbiner Steinsaltz beschreibt seinen Rebben

Das innige Verhältnis zwischen chassidischen Juden (Chassidim) und ihrem jeweiligen Meister (Rebbe) können sich Außenstehende kaum vorstellen.  Während ein Rabbiner es als seine wichtigsten Aufgaben ansieht, Tora zu lehren und religionsgesetzliche Fragen zu entscheiden, sieht sich ein Rebbe  vornehmlich als Seelsorger und Lebensberater. Einblicke in die Eigenart der Rebbe – Chassid – Beziehung gewährt uns Rabbiner Adin Steinsaltz in seiner zwar parteiischen, aber doch vorzüglichen Biographie des 7. Lubawitscher Rebben, R. Menachem Mendel Schneerson (1902-1994), der er den bezeichnenden Titel "Mein Rebbe" gegeben hat.

Steinsaltz berichtet, dass er den Rebben um Segen und Anweisungen bat, als sein damals 15-jähriger Sohn an Leukämie erkrankte. Der Rebbe sprach einen Segen für ein langes Leben aus und fügte hinzu, man sollte einer Knochenmarktransplantation nicht zustimmen. Die Ärzte waren wütend, als Steinsaltz dem Rat seines Rebben folgte und nicht ihrem – aber entgegen der ärztlichen Prognose genas der Junge. Erzählt uns Steinsaltz eine Wundergeschichte? Jedenfalls drängt sich die Frage auf, wie Laien es wagen, der Ansicht von Fachleuten zu widersprechen. Tatsache ist, dass Chassidim ihrem Rebben eine besondere Verbindung zum Allmächtigen zuschreiben.

Seinen Helden schildert Steinsaltz als einen hochbegabten Einzelgänger, der ursprünglich überhaupt nicht Rebbe werden wollte. Zwar heiratete M.M. Schneerson eine Tochter des 6. Lubawitscher Rebben, aber er übersiedelte mit seiner Frau von Russland nach Deutschland und später nach Frankreich, um sich zum Ingenieur ausbilden zu lassen. Seine rabbinische Autorisation erhielt er 1928 vom Rektor des Berliner Rabbinerseminars, seltsamerweise gar nicht um eine Rabbinerstelle annehmen zu können, sondern lediglich um Zugang zu einer bestimmten Bibliothek zu erhalten. Es ist eine spannende Geschichte, wie er in Amerika nach dem Tod des Schwiegervaters dessen Nachfolger wurde.

Unermüdlich hat der 7. Rebbe 4 Jahrzehnte lang gearbeitet, um seine chassidische Bewegung zu festigen und zu vergrößern. Von der Überzeugung durchdrungen, dass der Messias, der von den Propheten angekündigte Erlöser der Welt, bald erscheinen wird, hat er unentwegt alles Mögliche getan, diesem gewissermaßen die Tür zu öffnen. Er schickte Missionare (Schluchim) sogar in die entlegendsten Regionen der Welt, um assimilierte Juden zur Umkehr zu bewegen. Unglaublich viele Korrespondenzen hat Schneerson geführt; 30 Bände dieser Briefe wurden bereits veröffentlicht. Zu den Beratungsstunden des Rebben strömten Anfang der 80-iger Jahre so viele Menschen, dass er diese Praxis aufgeben musste. Am eigenen Beispiel zeigt Steinsaltz, wie sein Rebbe Anhänger angespornt hat. Als Steinsaltz wissen wollte, auf welche von drei arbeitsintensiven Aufgaben, die er sich aufgehalst hatte, er sich konzentrieren sollte, forderte ihn der Meister auf, alle drei Projekte fortzusetzen und darüber hinaus noch weitere in Angriff zu nehmen.

Sowohl die Aktivitäten als auch die Ansichten des Lubawitscher Rebben sind, wie nicht anders zu erwarten, auf heftige Kritik gestossen. Steinsaltz erwähnt  Kritikpunkte und erweist sich als ein tüchtiger Anwalt seines Rebben. So versucht er zu erklären, warum Schneerson nicht ein einziges mal das Heilige Land besucht hat. Seit 1986 pflegte der Lubawitscher Rebbe sonntags stundenlang Dollars an Besucher zu verteilen, die an ihm vorbei defilierten; den Sinn der neuen "Dollar-Zeremonie" erläutert der Autor. Er beantwortet auch die Frage, warum sein Rebbe keinen Nachfolger benannt habe. Schon zu Lebzeiten von M.M. Schneerson wurde darüber spekuliert, wer der 8. Rebbe werden könnte; Steinsaltz übergeht die Tatsache, dass er seinerzeit auf der Kandidatenliste stand.

Die Ereignisse nach dem Tod des Rebben behandelt der Biograph ebenfalls. Die wachsende Bewegung spaltete sich in zwei Gruppen. Die eine beharrt bis zum heutigen Tag darauf, der 7. Rebbe sei der erwartete Messias gewesen; hingegen ist die andere Partei bereit anzuerkennen, dass es M.M. Schneerson nicht vergönnt war, die Aufgabe zu erfüllen, die der Messias zu vollbringen hat. Steinsaltz vermutet und hofft, dass beide Gruppen wieder zueinander finden werden. Wichtig ist, dass die traditionelle Messias-Lehre, die Maimonides kodifiziert hat, nicht verbogen wird – auf diese Gefahr hat D. Berger aufmerksam gemacht.
Adin Even-Israel Steinsaltz, My Rebbe. Maggid Books, Jerusalem 2014, 262 Seiten. Preis $ 24,95.
 

Sagen Sie uns Ihre Meinung!

Danke fuer Ihre Antwort!

Ihr Kommentar wird nach der Genehmigung veroeffentlicht.

Fuegen Sie einen Kommentar hinzu.