Gold, Geld, Pest, Pogrom

Bei Ausgrabungen in der Erfurter Altstadt fand ein Bauarbeiter im Jahre 1998 einen wunderschönen goldenen Ring, der aus zahlreichen Einzelteilen zusammengesetzt ist.

2 Min.

Prof. Dr. Yizhak Ahren

gepostet auf 05.04.21

Bei Ausgrabungen in der Erfurter Altstadt fand ein Bauarbeiter im Jahre 1998 einen wunderschönen goldenen Ring, der aus zahlreichen Einzelteilen zusammengesetzt ist. Der Rundung für den Finger ist ein Haus aufgesetzt, das einem Tempel ähnelt; in die Dachflächen des Gebäudes ist in hebräischen Buchstaben „Masel tov“ („viel Glück“) eingraviert. Es handelt sich offensichtlich um einen jüdischen Hochzeitsring, und zwar um ein so beeindruckendes Kunstwerk, dass die Deutsche Bundespost im Februar 2010 eine Sondermarke herausgab, die dieses Schmuckstück aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts weltweit bekannt gemacht hat.

Der in Erfurt lebende Journalist Henry Köhlert (Jahrgang 1963) hat seinem ersten Roman den vieldeutigen Titel „Der Hochzeitsring“ gegeben; der den gemeinten Sachverhalt erläuternde Untertitel lautet: „Historischer Roman um den Erfurter Schatz“. In diesem ambitionierten Erzählwerk geht es um den folgenden Fragenkomplex: Wer hat den Hausring für wen angefertigt und warum ging dieser dann verloren? Die Leser erfahren einiges über die Lebensverhältnisse im mittelalterlichen Erfurt und über die Beziehungen zwischen Christen und Juden in jener Zeit.

Der informative, aber streckenweise etwas langatmige Roman erzählt nicht nur die Geschichte des Hochzeitsrings, sondern schildert auf wesentlich mehr Seiten die Planung und Durchführung der Erfurter Judenhatz im März 1349. Die jüdische Gemeinde musste damals als Sündenbock für die schreckliche Pest herhalten und außerdem konnten ehrbare christliche Bürger durch die brutale Ermordung jüdischer Geldverleiher ihre Schulden mit einem Schlag tilgen. Viele Details hat der Romancier frei erfunden, aber den Hintergrund des Mordgeschehens hat er treffend und historisch korrekt dargestellt. Wie Köhlert die Ring- und die Pogrom-Geschichte elegant miteinander verknüpft, wird hier nicht verraten.

Eine Frage bleibt im Roman unbeantwortet: „Welche Bewandtnis es allerdings mit der kleinen Kugel aus Gold hatte, die sich innerhalb des kleinen Tempels frei bewegen konnte, das wusste Konrad nicht.“ Es scheint, dass auch der Autor die Lösung dieses kleinen Problems nicht kennt. Der Rezensent möchte eine mögliche Antwort zur Diskussion stellen: Wenn die im Roman mitgeteilte Ansicht stimmt, dass der Hochzeitsring an den Tempel in Jerusalem erinnern soll, den die Römer vor langer Zeit zerstört haben, dann verweist möglicherweise der helle Klang der goldenen Kugel an die Töne der goldenen Schellen, die Aharon der Priester durch seine Bewegungen beim Dienst im Heiligtum hervorbrachte (siehe Exodus 28, 33-35). Hausringe gibt es übrigens in vielen Formen; die Klang erzeugende Kugel im symbolischen Tempel ist eine Besonderheit des Erfurter Hochzeitsrings. 

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