Ein Paradies für alle

Wie steht das Judentum allgemein im Bezug zu anderen Weltreligionen? Kommt aus jüdischer Sicht jeder Mensch ins Paradies kommt oder vielleicht nur Juden?

3 Min.

Rabbiner David Kraus

gepostet auf 05.04.21

Wie steht das Judentum allgemein im Bezug zu anderen Weltreligionen? Kommt aus jüdischer Sicht jeder Mensch ins Paradies, oder vielleicht nur Juden?

 

Im Judentum heißt es: „Jeder, der die sieben Gebote für sich gelten lässt und sich bemüht, sie zu tun, gehört zu den Gerechten aus den Völkern und hat Anteil an der kommenden Welt“ … Die Rede ist von den sieben noachitischen Geboten, benannt nach Noah. Diese Menschen gelten als „Bnei Noach“ (die Kinder Noahs), da Noah insofern der Vater der ganzen Menschheit ist, weil alle Menschen von ihm abstammen, nachdem die Flut die Urmenschheit vernichtet hatte.

 

Bereits an dem Tag, an dem der Mensch erschaffen wurde – am sechsten Tag der Schöpfung -, befahl der Schöpfer dem ersten Menschen einige Regeln, so wie es im 1. Buch Moses heißt: „Und Gott, der Ewige, befahl dem Menschen…“. Der Schöpfer hat ihm sechs Gebote aufgetragen, damit er weiß, wie er sein Leben auf dem rechten Weg führen kann: Das Verbot des Götzendienstes, das Verbot der Gotteslästerung, das Verbot der Tötung von Menschenleben, das Verbot der Unzucht, das Verbot des Diebstahls und das Gebot der Rechtspflege.

 

Als dann die späten Nachkommen des ersten Menschen vom Weg des Glaubens abfielen und sich stattdessen für einen Weg ohne Gott entschieden, vernichtete der Schöpfer mit der Sintflut die Urmenschheit. Die Flut überlebten lediglich Noah, seine Frau, seine Söhne und deren Frauen. Nachdem Noah aus der Arche trat, gestattete ihm der Schöpfer als Erstem den Verzehr von Lebewesen. In diesem Zusammenhang wurde ihm ein siebtes Gebot aufgetragen: Das Verbot, ein Glied eines lebenden Tieres zu essen. Neben diesen sieben Grundgeboten ist es auch eines jeden Pflicht, sich auf einem geraden Weg zu bewegen, also mit einem gesunden Menschenverstand zu agieren, was sowohl für den Gottesdienst als auch für den zwischenmenschlichen Bereich gilt.

 

Diese Weisungen sind Weisungen für die gesamte Menschheit. Jeder Mensch hat also die Pflicht, diese Grundgebote zu studieren und zu kennen und sich daran zu halten. Der Schöpfer bewertet jeden menschlichen Schritt und urteilt entsprechend. Wer also ,Allahu akbar' ruft, sollte damit wirklich ,Gott ist groß' im Sinne haben und nicht etwa Hass säen und Gewalt ausüben. Der Schöpfer belohnt oder bestraft entsprechend dem Tun der Menschen.

 

„Die Frommen unter den Völkern der Welt (also auch die Heiden) haben Anteil an der künftigen Welt“, die Pflicht des Glaubens ist eine universelle Pflicht der Menschen. Es gibt also überhaupt keinerlei Unterschied zwischen den Menschen. Die Menschheit muss ausnahmslos an den Schöpfer der Welt glauben und sich in jedem Augenblick an Ihn wenden.

 

Alle Menschen auf der Welt müssen als aller erstes das Gebot erfüllen, weswegen der Schöpfer überhaupt erst das Universum erschuf, nämlich damit alle Geschöpfe Ihn kennenlernen, an Ihn glauben, Ihn anbeten und sich immer an Ihn wenden und sich Ihm gegenüber dankbar erweisen werden. Wer so handelt kommt ins Paradies, jeder Mensch, unabhängig von Nationalität oder Religion. Das ist übrigens auch der Grund, weshalb das Judentum nicht missioniert. Ein Jude weiß, dass jeder Mensch ins Paradies kommen kann, dazu muss nicht erst jüdisch werden. Der Schöpfer belohnt oder bestraft entsprechend dem Tun der Menschen.

 

Die jüdische Lehre sagt eindeutig das, was wir bereits besprochen haben. Das ist für alle "Ströme" gleich verbindlich. Ein gerechter Nichtjude, kommt ebenso in das Paradies wie ein gerechter Jude. Ein Nachkomme Noahs, der die Gebote des Schöpfers erfüllt, kann sogar das Level eines göttlichen Geistes, Ruach HaKodesch, erreichen. Dies bedeutet, ein von der Spiritualität geprägtes Leben zu leben, in Verbundenheit und Nähe mit dem Schöpfer.

 

Der Weg, ein spirituelles Leben zu führen und dem Schöpfer nahe zu sein, dieses Recht hat jeder Mensch auf der Erde. Dabei gibt es keine Ausnahmen. Maimonides schrieb: „Denn jeder Mensch auf Erden, dem es danach dürstet, den Schöpfer zu kennen, und der deshalb einen geraden Weg geht, gerade so wie der Schöpfer ihn schuf, der ist geheiligt, ein Heiligtum aller Heiligtümer, und der Schöpfer wird sein Anteil und Erbe sein für immer und auf alle Ewigkeit.“

 

Im Midrasch und auch im Talmud heißt es, dass ein Nachkomme Noahs, der die Gesetze des Schöpfers einhält, ein sehr hohes Level erreicht: „Woher wissen wir, dass jeder Mensch, der sich mit der Tora befasst und ihre Gesetze erfüllt, wie ein Hohepriester ist (dem höchsten spirituellen Level)? So heißt es: „Darum sollt ihr meine Satzungen und meine Rechtsbestimmungen halten, denn der Mensch, der sie tut, wird durch sie leben.“ Dort heißt es nicht Cohaniten, Leviten oder Israeliten, sondern „der Mensch“. Folglich ergeht hieraus, dass jeder Mensch – egal, wer auch immer -, der sich an die Satzungen und Rechtsbestimmungen des Schöpfers hält und danach lebt, wie ein Hohepriester anzusehen ist. Die Weisen im Talmud sagten auch, dass es unter den Völkern Gerechte gibt, und ihretwegen diese Völker bestehen. Weiter heißt es sogar, dass man die Fähigkeit eines Propheten erreichen kann, den Ruach HaKodesch. So sagte der Prophet Elija: „Ich bezeuge vor Himmel und Erde, dass die Fähigkeit einer Prophetie auf jedem liegen kann, auf Israel und allen Völkern, auf allen Männern und Frauen, Sklaven und Mägden, alles hängt von seinem Tun ab.“

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