Eine jüdische Hochzeit

Bedeutung der Hochzeit- Wann soll man Hochzeit feiern? - Ablauf der Trauung - Scheidung und Ehelosigkeit

3 Min.

Anni Müller

gepostet auf 05.04.21

Bedeutung der Hochzeit

 

Die Institution der Ehe gilt im jüdischen Glauben als heilig, wenn sie auch nicht als Sakrament betrachtet wird.

Seit dem 13. Jahrhundert galt die eheliche Liebe bei den Kabbalisten, als Abbild der "Einigung" oder "Vermählung" der Gotteskräfte. Der ehelose Mensch wird als unvollkommen betrachtet. Ein sich bewusst für Ehelosigkeit entscheidender Mensch verstößt gegen das göttliche Gebot, durch Nachkommen für den Fortbestand des Glaubens zu sorgen. "Seid fruchtbar und mehret euch, und füllet die Erde" (1.Buch Mose), steht in der Tora – es ist also eine göttliche Absicht, die menschliche Gattung zu vermehren. Der Hochzeit kommt somit besondere Bedeutung zu, weshalb sogar das Tora-Studium unterbrochen werden darf, um mit den Brautleuten zu feiern. Im Judentum wird die Ehe als wesentliche Grundlage für eine gesunde Existenz, als Mittel gegen Einsamkeit betrachtet. Im Talmud kann man lesen, dass jeder, der keine Frau hat, ohne Freude, ohne Glück, ohne Seligkeit lebt. Sich der Fortpflanzung zu verweigern, gilt als Sünde.

 

Wann soll man Hochzeit feiern?

 

Der Hochzeitstag wird in orthodoxen Kreisen besonders gern auf einen Dienstag gelegt, da in der Bibel über den 3. Schöpfungstag die Worte "ki tow", "und Gott sah, dass es gut war" wiederholt werden. Allerdings ist das Heiraten zwischen Pessach und Schawuot verboten, da diese Zeit teilweise als Trauerzeit gilt, in der Eheschließungen verboten sind. Wissenschaftler vermuten einerseits, dass die Niederlage gegen die römische Besatzungsmacht (134), bei der viele tausend Soldaten ihr Leben verloren, in diese sieben Wochen fiel und sie deshalb für die Juden heute eine Zeit des Gedenkens bedeutet. Andererseits sollen einem römischen Aberglauben nach in der sefira (Zählung der 49 Tage zwischen den beiden Festen) die Seelen der Verstorbenen auf die Erde zurückkehren und den Lebenden Schaden zufügen. Nur selten wird zwischen Rosch ha-Schana und Jom Kippur geheiratet. Von vielen Juden werden diese 10 Tage als Moment der ernsten Besinnung angesehen, was keinesfalls zum Geist der Ausgelassenheit, wie er zu Hochzeiten oftmals herrscht, passt.

 

Ablauf der Trauung

 

Die Eheschließung bedeutet für Braut (kala) und Bräutigam (chatan) einen Neubeginn, den Anfang einer Reise. So hat sich die Tradition herausgebildet, am Hochzeitstag zu fasten, um wie zu Jom Kippur die Vergebung der begangenen Sünden zu erbitten.
Die Hochzeitszeremonie, von einem Rabbiner geleitet, wird meist im Freien durchgeführt, um Gottes Segen zu erhalten. Sie findet unter der Chuppa statt, ein von vier Stangen gehaltener Hochzeitsbaldachin aus verzierter Seide, Satin oder Samt. Obwohl das Wort Chuppa ursprünglich "mit Girlanden schmücken" bedeutet, wollen die Juden hiermit auch an die alten Israeliten erinnern, die noch in Zelten lebten, sowie an die Beduinen, welche für das Brautpaar ein besonderes Zelt errichteten. Als Schutzsymbol für die Frau wird manchmal auch der Tallit als Chuppa benutzt, der im modernen Israel auf vier Gewehren hochgehalten wird.

Unter dem Baldachin trägt der Bräutigam ein einfaches weißes Kleid (Kaften oder auch Kittel genannt), ein Ausdruck von Reinheit, was den Mann ebenso an Ehrlichkeit im neuen Lebensabschnitt erinnern soll. Die Braut auch ganz in weiß, verhüllt ihr Gesicht mit einem Schleier, der ihr vollstes Vertrauen in ihn zeigt. Im ersten Teil der Zeremonie, der Erussin (Angelobung) spricht der Rabbiner den Segen über einen Becher Wein, aus dem beide Brautleute trinken. Dann folgt im Beisein der zwei männlichen nicht mit dem Paar verwandten Zeugen der eigentliche Rechtsakt. Der Mann streift der Frau einen Ring auf den Zeigefinger der rechten Hand und sagt dabei: "Durch diesen Ring bist du mir angelobt nach dem Gesetz Moses und Israels."

 

Danach verliest der Rabbiner den Ehevertrag, die Ketubba, der danach vom Bräutigam an die Braut ausgehändigt wird. Mit der Ketubba verpflichtet sich der Mann seine Frau zu ehren, zu kleiden, zu ernähren und ihre sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Außerdem verspricht er, der Braut 200 Sus zu geben. Dadurch ist die Frau finanziell abgesichert. Beim Tod des Mannes oder im Falle einer Scheidung wird ihr die gesamte Ketubbasumme ausgezahlt. Wenn aber die Frau eine Scheidung verursacht, erlischt ihr Anspruch auf die Ketubbasumme.

 

Am Ende der Zeremonie zerbricht der Mann ein Glas, was an die Zerstörung des Tempels in Jerusalem erinnern soll. Zugleich mahnt es aber auch die Menschen, heitere Moment durch nüchterne Gedanken dämpfen zu müssen. 

 

Im Mittelalter versuchten die Leute mit dem Lärm die angeblich aus Norden kommenden bösen Geister zu vertreiben. Mit masel tow ("viel Glück") bei den Aschkenasen oder siman tow ("gute Aussichten") bei den Sephardim werden Braut und Bräutigam dann in den Bund der Ehe verabschiedet. In manchen Kulturen wird das Paar zudem mit Reis und Wallnüssen beworfen, die allgemein als Fruchtbarkeitssymbole gelten.

 

Scheidung und Ehelosigkeit

 

Das Judentum sieht eine Scheidung nicht gern. Nach dem Talmud gilt die Ehe als heiliger Vertrag, dessen Auflösung ein unfrommer Akt wäre. Heutzutage gibt es auch im Judentum eine große Anzahl von Menschen, die aus Überzeugung unverheiratet bleiben.

 

Sie beklagen sich oft, dass sie im Gemeindeleben nicht gleichberechtigt sind.

 

In den USA ist es üblich, dass nur Ehepaare Wahlrecht in den Synagogengemeinden besitzen. Immer häufiger wird der Status von Ledigen in neuerer Zeit diskutiert. 

 

Die Autorin verfasste diesen Artikel für das Jüdische Geschichte und Kultur Projekt vom Lessing-Gymnasium Döbeln.

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