“HaGomel” nach einer Flugreise?

Im "Siddur Sefat Emet" steht nach dem "Gebet bei einer Landreise" ein "Gebet bei einer Seereise". Es wäre falsch, aus diesen Angaben den Schluss zu ziehen ...

2 Min.

Prof. Dr. Yizhak Ahren

gepostet auf 05.04.21

Im "Siddur  Sefat Emet" steht nach dem "Gebet bei einer Landreise" ein "Gebet bei einer Seereise". Es wäre falsch, aus diesen Angaben den Schluss zu ziehen, dass man bei einer Flugreise kein Gebet spricht. Ohne Zweifel reist ein Flugpassagier und hat  "Tefilat HaDerech" zu sagen. In manchen Siddurim findet man sogar einen besonderen Gebetstext für Flugreisende, den Tora-Gelehrte in Jerusalem verfasst haben.
 

Nicht so leicht zu beantworten ist die Frage: Soll man nach der Flugreise den Segensspruch "HaGomel" sprechen? Dieser Frage hat Rabbiner Aharon Daum, der früher in Frankfurt am Main amtierte, eine lesenswerte Abhandlung gewidmet ("Halacha aktuell", Frankfurt 1992, S. 373 ff). Wir haben eine für die Praxis wichtige Frage vor uns: Die meisten Menschen buchen von Zeit zu Zeit einen Flug –  wie sollen sie sich nachher verhalten? Rabbiner Daum referiert die Ansichten mehrerer Halachisten und macht deutlich, dass die schlichte Frage nicht so einfach zu beantworten ist.

Nach Ansicht von Rabbiner Joseph B. Soloveitchik braucht man nach einem normal verlaufenen Flug "HaGomel" nicht zu sagen. Hingegen entschied Rabbiner Moshe Feinstein, Flugreisende seien doch verpflichtet, "HaGomel" zu sagen. An dieser Stelle sei die Tatsache erwähnt, dass Rabbiner Feinsteins Entscheidung von Rabbiner Jontew HaLevi Schwarz scharf angegriffen worden ist (Sefer Maane LeIgrot, New York 1973, Nr. 67). In einem späteren Werk (Responsa "Aden Nechoschet", New York 1990, Nr. 37) bekräftigt Rabbiner Schwarz seine frühere Auffassung: Das Sprechen von "HaGomel" nach einer komplikationsfreien Flugreise sei ein unnötiger Segensspruch (Bracha Lewatala) und daher streng verboten. Um welchen Punkt dreht sich die halachische Kontroverse? Verschieden ist die Einschätzung der Gefahr bei einem Flug.

Rabbiner Daum stellt in seiner Abhandlung fest, dass eine dritte Position existiert, die wir als eine zwischen den Extremen vermittelnde Auffassung betrachten können. Rabbiner Dov B. Weidenfeld und Rabbiner Ahron Rokeach (der frühere Belzer Rebbe) haben beide entschieden, dass man nach einer Flugreise "HaGomel" in einer abgekürzten Form sprechen sollte. Das meint: Im Segensspruch wird weder der Gottesname noch Seine Königschaft erwähnt. Man sagt also keine formgerechte Bracha (mit Erwähnung des Gottesnamens und Seiner Königschaft) und umgeht auf diese Weise das Problem einer Bracha Lewatala.

Diese Notiz erörtert eine praktische religionsgesetzliche Frage. Jede jüdische Person, die eine Flugreise vorhat, wird nach der Landung gezwungen sein, auf diese Frage eine Antwort zu geben ("HaGomel" sagen oder nicht sagen?). Man sollte sich mit einem kompetenten Halacha-Lehrer beraten, der die Eigenart der "HaGomel" -Bracha erläutern kann.

 

 

Der Autor ist Psychologe und hat an der Universität Köln gelehrt. Um dem Rabbiner diese oder auch andere Fragen zu stellen, klicken Sie bitte  >> hier.

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