Judentum verstehen

Das jüdische »Gesetz« (hebr. Tora; gr. nomos) umfasst die 5 Bücher Moses und alle übrigen Schriften der jüdischen Traditionsliteratur.

6 Min.

Rabbiner David Kraus

gepostet auf 17.03.21

Das jüdische »Gesetz« (hebr. Tora; gr. nomos) umfasst die 5 Bücher Moses und alle übrigen Schriften der jüdischen Traditionsliteratur.

 

Maimonides (Rabbi Moses ben Maimon, 1135 – 1204), der ja bekanntlich als bedeutender Gelehrter des Mittelalters und als einer der bedeutendsten jüdischen Gelehrten aller Zeiten gilt, gelang es mit seinen 13 Grundlehren das Judentum in seiner Intention für alle verständlich zu machen.

 

Aus den 13. Grundlehren ergeht der Kern des jüdischen Glaubens hervor:

  

1.

 

„Ich glaube mit voller Überzeugung, dass der Schöpfer, gelobt sei Sein Name, alle Geschöpfe erschaffen hat und sie leitet, nur Er allein alles vollbrachte, vollbringt und vollbringen wird.“
 

  • Hier sprechen wir über die Existenz des Schöpfers; das heißt, dass etwas in höchster Vollendung existiert, das die Ursache von allem ist, was existiert; in Ihm gründet alle Existenz, und von Ihm geht alles aus. Der Schöpfer schafft und erhält alle Geschöpfe, und nur Er allein hat alles gemacht und Er allein wird alles machen.
  • Alles, was existiert, kommt von Ihm. Gott hat alles aus dem Nichts geschaffen; auch nachdem die Kreaturen erschaffen sind, haben sie keinen Bestand aus sich heraus, sondern der Gepriesene erhält und belebt sie in jedem Augenblick, wie der Psalm sagt: „Dem, der große Lichter macht, sei Dank, denn seine Güte währet ewig“ (Ps. 136, 7); es heißt nicht: „der gemacht hat“, sondern: „der macht“. Darum haben die Weisen der Großen Versammlung im Morgengebet beim Lobspruch über den Schöpfer die Wendung eingefügt: „der in seiner Güte das Werk seiner Schöpfung ständig erneuert“.

 

2.

 

„Ich glaube mit voller Überzeugung, dass der Schöpfer, gelobt sei Sein Name, einzig ist und dass es keine Ihm vergleichbare Einzigartigkeit gibt, und dass er allein unser Gott war, ist und sein wird.“
 

  • Hier sprechen wir über die Einzigkeit Gottes; das bedeutet, dass Er, die Ursache von allem, EINER ist. Dass der Schöpfer „einzig“ ist, heißt also nicht nur, dass es außer Ihm keinen anderen Gott mehr gibt, sondern dass Er einzig ist in einer Einzigkeit, die es sonst nicht gibt. Denn diese Einzigkeit ist weder aufzuteilen noch zu vermehren, weder lässt sie sich in Eigenschaften einteilen, noch unterliegt sie irgendeiner anderen Teilung.

 

3.

 

„Ich glaube mit voller Überzeugung, dass der Schöpfer, gelobt sei Sein Name, kein Körper ist, keinen körperlichen Begriffen unterliegt und nichts mit Ihm Ähnlichkeit hat.“
 

  • Hier sprechen wir über die Körperlosigkeit Gottes; das bedeutet, dass der EINE Herr weder ein Körper, noch eine Kraft in einem Körper ist und dass Ihm Eigenschaften der Körper, wie die Bewegung und das Ruhen, nicht zukommen.
  • Niemand vermag in keiner Weise seinen Schöpfer zu beschreiben; so etwas wäre noch undenkbarer als der Versuch eines Blinden, die Schönheit der Farben zu empfinden oder eines Tauben, Klänge zu vernehmen. Dennoch gibt es ja in der Bibel Ausdrücke wie: „Hand Gottes“, „Stimme Gottes“, „Augen Gottes“ und vieles ähnliche mehr. Dies sind lediglich Beispiele und Gleichnisse aus unserer Welt, um die Welt Gottes für unsere Sinne fasslich zu machen. Darum fügen die Weisen Israels, wenn sie gleichnishaft von Gott sprechen, das Wort „sozusagen“ hinzu und betonen damit, dass es einzig und allein um ein Gleichnis zur Konkretisierung der Sprache geht. Auch wenn wir Beschreibungen Gottes gebrauchen wie „barmherzig und gnädig“ oder andere, so geschieht dies nicht in der Absicht, göttliche Eigenschaften irgendwie mit den menschlichen zu identifizieren. Wir können Gott keine Eigenschaft beilegen, auch nicht eine solche, die wir für gut halten, denn Gott ist erhaben über allem, auch über unseren Vorstellungen. Gott hat keinen Mangel weder an Güte, noch an Weisheit, noch an irgendeiner Sache. Dies ist letztlich eine Beschreibung Gottes via negationis d.h. eine Beschreibung dessen, was Gott eben nicht zukommt; Maimonides nimmt dazu ausführlich Stellung im Eingangsteil seines großen Werkes „Führer der Unschlüssigen“.

 

4.

 

„Ich glaube mit voller Überzeugung, dass der Schöpfer, gelobt sei Sein Name, der Erste war und zuletzt noch sein wird.“
 

  • Hier sprechen wir über die Ewigkeit Gottes; das bedeutet, dass dieser genannte EINE der absolut Ewige ist und dass jedes außer Ihm Existierende nicht ewig ist im Verhältnis zu IHM.
  • Der Begriff „überzeitlich“ entzieht sich unseren Verstehensmöglichkeiten, da wir von der Schöpfung her in die Zeit eingebunden leben. Es ist uns weder das „Zuvor“ – was vor der Schöpfung war, zugänglich, noch das „Danach“ – was nach ihr kommt. Das Überzeitliche liegt außerhalb des menschlichen Zugriffes und ist ihm daher auch verboten (Bab.Tal. Chagiga 11 b). Gleichwohl ist uns eine begrenzte Einsicht darüber gegeben, dass die Zeit zusammen mit der Schöpfung entstanden ist. Rabbi Eliahu ben Schlomo, der Gaon von Wilna, erklärte: „Am Anfang schuf Gott“ (1. Moses 1, 1), das bedeutet: auch den Anfang selbst schuf Gott mit der Erschaffung der Welt. In unseren Tagen bestätigt sich immer deutlicher die Erkenntnis, dass von Zeit nur dann gesprochen werden kann, wenn die Möglichkeit besteht, sie zu messen, und dass es ohne ein bewegtes Objekt auch keinen Begriff von Zeit geben kann. Ebenso ist seit Professor Einsteins Theorie bekannt, dass bei einem Körper, dessen Geschwindigkeit sich der Lichtgeschwindigkeit annähert, die Zeitbegriffe außer Kraft gesetzt werden.

 

5.

 

„Ich glaube mit voller Überzeugung, dass nur der Schöpfer, gelobt sei Sein Name, allein würdig ist, dass man zu Ihm bete, und sonst nichts anderes angebetet werden darf.“
 

  • Hier sprechen wir über die Pflicht: Gott allein zu dienen und nur Ihn zu verehren; das bedeutet, Ihn groß zu nennen und Seine Größe kundzutun sowie Seine Gebote zu erfüllen. Es ist dem Menschen also verboten, sozusagen Mittler anzurufen zwischen ihm und Gott. Der Mensch soll sich direkt und nur an Gott wenden. Mittler und „Medien“ stehen als eine Art Götzendienst unter strengstem Verbot.

 

6.

 

„Ich glaube mit voller Überzeugung, dass alle Worte der Propheten wahr sind.“
 

  • Hier sprechen wir über die Existenz der Prophetie – Wort und Wahrheit; überragende Anlagen der Propheten und Wahrheit der Prophetie.

 

7.

„Ich glaube mit voller Überzeugung, dass die Prophetie unseres Lehrers Moses, über ihm sei Friede, wahr ist, dass er (im Rang) der Vater aller Propheten vor ihm war und auch von denen, die nach ihm kamen.“

 

  • Hier sprechen wir über die Überlegenheit der Prophetie von Moses über alle anderen Propheten. Moses als Vater aller Propheten, die vor ihm gewesen waren und die nach ihm aufgetreten sind; das bedeutet, dass Gott mit jedem Propheten, der einmal war, nur durch ein Medium gesprochen hat, mit Moses aber ohne Medium; und dass über alle anderen Propheten die Prophetie nicht nach ihrem Willen kam, sondern nach dem Willen Gottes.

 

8.

 

„Ich glaube mit voller Überzeugung, dass die ganze Tora, die sich jetzt in unseren Händen befindet, die ist, die unserem Lehrer Moses, über ihm sei der Friede, gegeben wurde.“

 

  • Hier sprechen wir über die Echtheit der Tora – Die Tora des Moses; das bedeutet, dass die Tora vom Himmel ist; dass die Gesamtheit dieser Tora, die sich in unseren Händen befindet, von Gott zu Moses gelangt ist auf die Weise, die im übertragenen Sprachgebrauch 'Rede' genannt wird.; und dass niemand weiß, wie diese zu Moses gelangt ist, außer Moses.

 

9.

 

„Ich glaube mit voller Überzeugung, dass die Tora niemals ausgewechselt  wird und dass keine andere Tora vom Schöpfer, gelobt sei Sein Name, ausgehen wird.“
 

  • Hier sprechen wir über die Unveränderlichkeit der Tora – Einzigartigkeit der Tora; diese Weisung wird nicht aufgehoben, und keine andere Tora außer ihr wird von Gott her kommen, und man darf ihr nichts hinzufügen und von ihr nichts weglassen, weder im Text, i.e. Schriftliche Tora, noch in der Ausführung, i.e. Mündliche Tora.

 

10.

 

„Ich glaube mit voller Überzeugung, dass der Schöpfer, gelobt sei Sein Name, die Handlungen und Gedanken eines jeden Menschen kennt, wie es heißt: 'Er, der ihre Herzen allesamt gebildet hat, Er versteht auch all ihr Tun'. (Ps 33, 15)."

 

  • Hier sprechen wir über die Allwissenheit Gottes – Der erkannte Mensch; das bedeutet, dass Er die Taten und die Gedanken eines jeden Menschen bemerkt und sie kennt, bevor die Menschen sie kennen. Diese Grundlehre tangiert aber nicht den freien Willen des Menschen.

 

11.

 

„Ich glaube mit voller Überzeugung, dass der Schöpfer, gelobt sei Sein Name, Gutes erweist den Hütern seiner Gebote und die Übertreter seiner Gebote bestraft.“

 

  • Hier sprechen wir über Lohn und Strafe; das bedeutet, dass Er Lohn gibt dem, der die Worte der Tora befolgt, und den bestraft, der ihre Verbote übertritt; dass der größte Lohn die Teilhabe an der Welt des Maschiach ist und die härteste Strafe der Existenzverlust.

 

12.

 

„Ich glaube mit voller Überzeugung an das Kommen des Maschiach (Messias); obwohl er säumt, warte ich trotzdem jeden Tag, dass er komme.“

 

  • Hier sprechen wir über das Kommen des Messias – Zeit des Maschiach; es ist wahr und für wahr zu halten, dass er zur rechten Zeit kommen wird: Wenn er sich verzögert, harre seiner, denn er bleibt nicht aus. Hab. 2.3.

 

13.

 

„Ich glaube mit voller Überzeugung an die Auferstehung der Toten zu der Zeit, wo es der Wille des Schöpfers ist, gelobt sei Sein Name, Seine Allgegenwart sei erhoben für immer und in alle Ewigkeit.“
 

  • Hier sprechen wir über die Auferstehung der Toten; also die Auferstehung und Unsterblichkeit des Menschen – diese Grundlehre stellt die Hoffnung Israels dar, über das Grab hinaus und über die Vergänglichkeit hinaus.

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