Die Kunst der Entscheidung

Noch nie konnten wir so viel entscheiden wie heute. Die vielen Möglichkeiten machen uns das Leben schwer. Wie können wir trotzdem die richtige Wahl treffen? Hier ein paar Tricks...

3 Min.

Rabbiner David Kraus

gepostet auf 17.03.21

Noch nie konnten wir so viel entscheiden wie heute. Die vielen Möglichkeiten machen uns das Leben schwer. Wie können wir trotzdem die richtige Wahl treffen? Es gibt ein paar Tricks, wie man die subtilen Einflüsse von außen erkennen und ignorieren kann. 

 

Ein außergewöhnlicher Patient saß mal bei mir im Wartezimmer. Er hieß Edi. Einige Monate zuvor war ihm ein Tumor aus dem Gehirn operiert worden, gleich hinter der Stirn. Der Tumor war klein, doch die Folgen waren tragisch: Aus dem tüchtigen Mann war ein chronischer Zögerer geworden. Er hing stundenlang am Autoradio, weil er sich nicht für einen Sender entscheiden konnte. Er konnte kein Wort schreiben, wenn ein schwarzer und ein blauer Stift zur Wahl standen. Edi war alltagsuntauglich geworden. Denken konnte er noch bestens, sein Intelligenzquotient war unverändert. Nur sich entscheiden, das konnte er nicht mehr.

 

Entscheidungen – wie viele davon treffen wir jeden Tag? Manchmal scheint das Leben ein endloses Herumirren in einem Wald von Möglichkeiten zu sein. Die Menschen können heute so viel entscheiden wie nie zuvor. Es wirkt wie die große Freiheit. Aber es hat die Menschen nicht glücklicher gemacht. Im Gegenteil. Psychologen sprechen von einer »Tyrannei der Wahl«. Warum zu viel Auswahl unglücklich macht, ist nicht eindeutig geklärt. Die Forscher haben erst angefangen zu verstehen, was bei Entscheidungen in uns vorgeht. Und sie entdecken dabei, wie sehr wir beeinflusst werden: von den Hormonen, den Tricks von Verkäufern, der eigenen Herkunft und der Familie und natürlich von unseren spontanen Gefühlen. Sie zeigen aber auch, warum es so schwierig ist, sich bewusst gegen gesellschaftliche Konventionen zu entscheiden und wie wir mit Fehlentscheidungen umgehen.

 

Ich ahnte damals, dass mich der Fall Edi einer Erklärung näherbringen könnte. So befragte ich Freunde und Verwandte meines Patienten, unterzog ihnen diverse Tests und kam auf die Erklärung: Edi war emotional erkaltet. Ich kann mich sehr gut daran erinnern, dass ich in den vielen Stunden des Gesprächs mit ihm nie den Hauch einer Emotion sah – keine Traurigkeit, keine Ungeduld, keine Frustration. Edi konnte sich nicht mehr entscheiden, weil alles sich gleich anfühlte. Ich suchte nach ähnlichen Fällen und fand Menschen, die all ihr Fühlen verloren hatten – und damit ihre Fähigkeit, zu entscheiden.

 

Es war eine völlig unerwartete Entdeckung. Von der Antike bis ins 20. Jahrhundert war die herrschende Meinung gewesen: Menschen entscheiden rational. Gefühle stören dabei nur. Meine Patienten brachten eine andere Wahrheit ans Licht: Ohne Gefühl ist der Verstand hilflos.

 

Das Gehirn ausschalten und dem Bauch folgen: Ist das also die Lösung? Nein, auf den Bauch allein ist ebenfalls kein Verlass. Erstaunlich leicht lassen wir uns von unseren unbewussten Vorurteilen, Ängsten und Assoziationen beeinflussen.

 

Aus guten Gründen also haben Menschen beides, Gefühl und Verstand. Das Geheimnis guten Entscheidens besteht darin, beide mitreden zu lassen. Einfach ist es, wenn eine Option klar besser erscheint als der Rest. Aber so leicht ist es nicht immer. Fast jeder hat mal Lust auf Schokolade, obwohl sie dick machen kann. Fast jeder weiß, dass er arbeiten muss, obwohl er ein bisschen faul ist. Dann gilt es, Frieden zu stiften zwischen Gefühl und Verstand. Und das geht eben am Besten, wenn wir unser Gehirn, also unseren Verstand mit Glaubenssätzen füttern, die unserer Gefühlswelt gut tun.

 

Rabbi Nachman aus Breslev sagte: „Du bist überall dort, wo deine Gedanken sind. Sieh’ zu, dass deine Gedanken da sind, wo du sein möchtest.“

 

Hier offenbart uns der große Rabbi Nachman die Kunst der Entscheidung mit einem ganz simplen Glaubenssatz. Rabbi Nachman sagt uns hier, dass wir da sind, wo unser Verstand sich gedanklich gerade aufhält. Da der Verstand ohne dem Gefühl aber hilflos ist, bedarf es ein emotionales mitreden. Und genau das geschieht, wenn wir darauf achten, dass unsere Gedanken dort sind, wo wir gerne sein wollen, also an Dinge, Sachen, Menschen oder Orte denken, die uns gut tun. Danach gilt es den Verstand davon zu überzeugen, dass das, was wir denken, auch wirklich gut ist, also im rationalen Denken, und das geht am besten mit Glaubenssätzen! Sätze wie diese hier.  

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