Mehr als Existenz

Ich erinnere mich an das erste Mal, als ich Hashem (Gott) an der Kotel (die Klagemauer) traf. Es war der schönste Augenblick meines Lebens - und ist es immer noch.

3 Min.

Rabbiner Lazer (Elieser Rafael) Brody

gepostet auf 05.04.21

Ich erinnere mich an das erste Mal, als ich Hashem (Gott) an der Kotel (die Klagemauer) traf. Es war der schönste Augenblick meines Lebens – und ist es immer noch. Ich war ein Baal Teschuwa (ein Rückkehrer zum Glauben), alles war neu und aufregend für mich. Ich vertiefte mich so sehr in meine Gebete, dass ich fühlte, nicht mehr von dieser Welt zu sein. Es war ein Gefühl der Freiheit und Freude, eine ganz wunderbare Verbindung.

Dann sah ich einen Mann neben mir. Er betete mit der gleichen Inbrunst wie ich. Der Ausdruck seines Gesichtes sagte mir, er würde genauso fühlen wie ich. Der Mann war seinem Aussehen zu Folge ein „Haredi“ (ultra-orthodoxer Jude), er hatte einen langen Bart, Pajot (Schläfenlocken) und war mit einem schwarzen Anzug gekleidet. Ich betrachtete ihn und ging erschrocken drei Schritte zur Seite. Zuerst vermutete ich, es wäre wegen der Kleidung, und es dauerte eine ganze Weile bis ich erkannte, damit hat es ja überhaupt nichts zu tun. Es handelte sich um etwas viel tiefer liegendes, es ging bis in alle Bereiche meines  in den Dienste Gottes gestellten Wesens.  Ich hoffte, endlich präzise Antworten auf meine Frage aller Fragen zu erhalten: Gibt es Gott?

Die Moderne ist auf diese Frage fixiert, und ich bekam meine Antwort an dem Tag, an dem ich an der Kotel, zusammen mit diesem Mann stand. Es war eine sehr einfache Antwort: Gott existiert! Dies zu wissen macht den Unterschied zum gelegentlich daran denken und vielleicht auch einmal daran zu zweifeln.

Die Thora sagt uns, dass Gott mehr als pure Existenz ist – Er ist lebendig. Deshalb lehrt uns der erste Satz der 13 Glaubensprinzipien des Rambam (Maimonides): „Ich glaube voller Überzeugung, dass der Schöpfer, gelobt sei Sein Name, alle Geschöpfe erschaffen hat und sie leitet, nur Er allein alle Werke vollbrachte, vollbringt und vollbringen wird.“

Wenn es Gott nicht gäbe, hätten unsere Taten keine Konsequenzen. Wir könnten uns verhalten wie auf einem Spielplatz …

Für Gott da zu sein bedeutet – wie es in der Thora steht – ein Teil der Schöpfung zu sein, denn Er hat uns erschaffen und leitet alle Geschöpfe. Seine „Unterschrift“ ist überall lesbar. Das von Ihm geschaffene Universum ist nur geschaffen worden, damit wir seine Mitzwot (Ge- und Verbote)  ausführen können. Dies ist unsere primäre Aufgabe. Überall, an jeder Ecke müssen wir Ihn erkennen, uns von Ihm inspirieren lassen und uns an diese unsere Aufgabe erinnern.

Die Welt, die Er schuf, ließ Er nicht mit einem „habt Spaß, Kinder!“ zurück. Es ist einfach zu sagen, Hashem sei nicht zu sehen. Wir könnten  am Schabbat einen sechsstündigen James Bond Film-Marathon genießen, oder es sei in Ordnung, am Montag mit Jane und am Dienstag mit Julia auszugehen, weil Er ja nicht präsent ist.

Um mit Hashem in Verbindung zu bleiben, brauchen wir mehr: Wir müssen verinnerlichen, dass Er in jedem Augenblick bei uns ist. Er überwacht und lenkt alles was in Seiner Welt geschieht, und wir müssen uns dessen klar werden. Alles was wir tun hat Folgen, und deshalb müssen wir uns ständig bemühen, das Richtige zu tun und die richtige Wahl zu treffen.

Die Hellenisten versuchten uns davon zu überzeugen, dass es zwar eine geistige Welt gibt, diese aber uns nicht zu interessieren hat. Sie versuchten, die Verbindung zwischen der geistigen und der materiellen Welt zu durchtrennen. Es gelang ihnen, einige tausend Juden davon zu überzeugen und bei ihnen Gott auf Seine bloße Existenz zu reduzieren. Die Makkabäer kämpften darum, diese zerstörte Verbindung wieder herzustellen. Sie erhoben sich für eine Welt voll von Möglichkeiten, so wie wir sie heute haben, wie Hashem sie uns gegeben hat, damit wir hier unser Leben meistern. Dies ist der Kampf in unserer Zeit. Wenn wir anerkennen, dass es Gott gibt, Er alles sieht und lenkt, dann werden auch wir wahrhaft existieren können. Wenn wir diese Bedingungen akzeptieren – mit all ihren Konsequenzen -, dann haben wir bei jeder unserer Handlungen, die freie Wahl zwischen Gut und Böse. Wir zählen dann auf Hashem in jeder Facette unseres Lebens und füllen diese mit göttlicher Energie. So entwickeln wir ein Bewusstsein dafür, wie jede unserer Taten heilig werden kann. Wir werden auf Schritt und Tritt zu besseren Menschen in Seinem Licht und werden Sein Licht reflektieren.
 

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