Horror-Schneestürme in Israel

Chaos im Nahen Osten! Die heftigsten Schneefällen seit Jahrzehnten haben die Menschen eiskalt erwischt.

2 Min.

Stephanie Bilges

gepostet auf 05.04.21

Jerusalem (Israel) – Tagelang war es nur ein Gerücht: Ein Schneesturm sollte Jerusalem und weitere Teile des Nahen Ostens lahmlegen. Ich habe noch gespottet über meine sonnenverwöhnten israelischen Freunde – so viel Hysterie wegen ein bisschen Schnee?! Schließlich komme ich aus einem Land, in dem das Wetter eigentlich immer schlecht ist…

Dann kam der Schnee. Und ich gebe zu: Die Hysterie war berechtigt. Ich habe noch nie so erbärmlich gefroren und noch nie so erbärmlich geflucht wegen des Wetters.

Freitagvormittag, ich will ein paar Einkäufe fürs Wochenende erledigen. Eine Freundin ruft an: „Beeil dich, Milchprodukte werden knapp.“ Kaum vor der Tür, bläst mir ein eisiger Wind Schneeflocken ins Gesicht. Ich laufe durch Pfützen voller Eiswasser, nach kurzer Zeit sind meine Klamotten und meine Füße nass. Auf den Straßen liegen dicke Äste, die der Wind heruntergerissen hat.

 

  

  Für viele Bäume in Jerusalem waren die Schneemassen zu viel: Äste knickten ab und versperrten Gehwege und Straßen (14. Dezember)Foto: Getty Images

In der trendigen Einkaufsstraße Emek Refaim: Fast alle Shops sind geschlossen, keine Busse, nur vereinzelte Autos, Menschen schlittern und straucheln über den vereisten Boden. Im einzigen offenen Supermarkt herrscht Ausnahmezustand: Männer, Frauen und Kinder schubsen und drängeln, stopfen ihre Einkaufswagen mit Lebensmitteln voll. Manche Regale sind bereits leer, tatsächlich gibt es keine Milch mehr.

Wieder zu Hause, die böse Überraschung: Der Strom ist ausgefallen. Wie die meisten israelischen Haushalte habe auch ich nur eine kleine Elektro-Heizung. Das Wasser, das aus dem Hahn kommt, ist eiskalt, der Wind pfeift durch meine undichten, unrenovierten Fenster. Ich ziehe mir drei Pullover übereinander an, binde einen Schal um und wickle mich in eine Wolldecke.

Eigentlich bin ich am Abend bei Freunden zum Shabbat-Essen eingeladen. Am Nachmittag kommt die SMS: Wir haben auch keinen Strom, übernachten bei den Eltern.

Meine Finger sind steif vor Kälte, ich zünde Teelichter an und halte meine Hände darüber. Mit meinem Handy rufe ich Facebook auf – und lese Hilferufe von Bekannten: Ich sitze mit meinen Kindern ohne Strom da, wer nimmt uns auf?!

Freunde melden sich, bieten mir an, bei ihnen zu schlafen. Sie wohnen direkt bei mir gegenüber, ich sage zu. Kurz nach dem Essen fällt auch dort der Strom aus. Im Stockfinsteren klettere ich ins Bett, schlafe zum Glück schnell ein.

Am nächsten Tag stürmt und schneit es erneut, aber zumindest gibt es wieder Strom. Am Abend höre ich, dass Zehntausende Menschen teilweise zwei Tage lang ohne Strom da saßen, dass Autobahnen und Zufahrtsstraßen blockiert waren, dass Hunderte in Notunterkünften versorgt werden mussten, dass es das schlimmste Wetter-Chaos in der heiligen Stadt seit vielen Jahrzehnten war.
 

  Über Jerusalem liegt am 14. Dezember eine dicke Schneedecke
Foto: Getty Images
 

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach von einem „Jahrhundert-Sturm“.

Auch jetzt herrscht in Jerusalem noch Chaos: In sämtlichen Schulen fällt der Unterricht aus, viele Menschen können nicht zur Arbeit, es fahren keine Busse, Rettungskräfte sind im Dauereinsatz. Präsident Shimon Peres besuchte gestern Nachmittag eine Notunterkunft, spendete Trost.

Das berühmteste Schneesturm-Opfer war übrigens US-Außenminister John Kerry (70): Er war am vergangenen Donnerstag nach Jerusalem gereist. Allerdings hatte Kerry es im Hotel „King David“ im Gegensatz zu mir gemütlich warm…
 
Die Autorin arbeitet als Journalistin in Israel für die Bild-Zeitung.

Sagen Sie uns Ihre Meinung!

Danke fuer Ihre Antwort!

Ihr Kommentar wird nach der Genehmigung veroeffentlicht.

Fuegen Sie einen Kommentar hinzu.