Machwerk

Dieses YouTube-Machwerk anzuschauen war wirklich eine unangenehme Sache, eigentlich sollte man sich so etwas nicht antun.

4 Min.

Rabbiner David Kraus

gepostet auf 05.04.21

Vor kurzem habe ich einen Leserbrief erhalten, in dem man mich bat ein YouTube Video anzusehen und dazu dann auch Stellung zu nehmen.

Dieses YouTube-Machwerk anzuschauen war wirklich eine unangenehme Sache, eigentlich sollte man sich so etwas nicht antun. Als erstes habe ich es zur Sperrung gemeldet und hoffe, das es nicht mehr aufgerufen werden kann.

Für Leute die sich in der Welt einwenig auskennen, ist der Film keine Gefahr, dafür sind die Klischees zu dick aufgetragen. Aber für eine bestimmte Gruppe – nicht nur von Jugendlichen – in rechts- und linksradikalen Kreisen sowie in der muslimischen Community könnte der Film nicht nur eine Bestätigung ihrer sowieso schon vorhandenen Vorurteile gegenüber Juden (= Zionisten) und Israel (dem Juden unter Staaten) sein, sondern sogar eine Aufforderung, aktiv dagegen vorzugehen, um ja die Welt zu retten! Dieses Video-Machwerk ist im höchsten Maße Schmutz, der beseitigt gehört und deshalb erspare ich euch eine Verlinkung zu diesem „Film“, denn wenn ich hier nun z.B. einen Artikel gegen Pornografie schreiben würde, dann würde ich doch auch nicht ein besonders schmutziges Machwerk dieser Art ins Netz stellen oder dessen Verbreitung durch Verlinkung fördern!!!!
 
Wie bereits gesagt habe ich mir das „Machwerk“ angesehn und muss sagen, es beeindruckt mich doch immer wieder aufs Neue zu sehen, mit welch kläglichen Mitteln Antisemiten versuchen, ihren Selbsthass auf andere – in dem Fall: „Juden“ – zu projizieren.
 
Kennst du den Unterschied zwischen einem Hund und einem Löwen? Wenn man dem Hund einen Stock zuwirft, dann rennt er diesen nach. Ein Löwe demonstriert dagegen Selbstbewusstsein und bewegt sich keinen Millimeter! Er versteht, dass ein Stock in eine Richtung fällt, aber was ihn dabei vielmehr interessiert ist, wer hat den Stock geworfen und was sind seine Intentionen?!!
 
Wir sollten uns also fragen: Wer hat den Film gemacht? Was für Absichten stecken dahinter?

Die Botschaft des Films war klar: Israel = Juden = Zionisten = Satan!
 
Es gibt eine Vielzahl von Wurzeln für Fanatismus und Hass. Das eine hat damit zu tun, dass wir hier von Menschen reden, die seit Jahrhunderten in Diktaturen und unter Diktatoren leben. Dies führt dazu, dass deren Wissen über die Welt außerhalb der Diktatur sehr begrenzt ist, dass sie also Opfer einer intensiven Propaganda sind, die es versteht, wie man Feindbilder aufbaut.
 
Diktaturen müssen Feindbilder aufbauen, um von ihrer eigenen Tyrannei abzulenken, wie zum Beispiel die PLO bzw. die Hamas mit der im Film gebrachten Message: „Palästina“ hat keine Chance … Wer also auf so eine Art von Propaganda reinfällt, ist selber Schuld.

Es hat aber auch damit zu tun, dass die Aufklärung in islamischen Staaten noch nicht stattgefunden hat (auch in den sogenannten „gemäßigten“ islamischen Staaten hat es keine Aufklärung gegeben!). Doch wir sollten auch ein Stück zurückhaltend und demütig sein, denn in diesem christlichen Europa gab es Kreuzzüge, Inquisition, Hexenverbrennungen und grausamste Pogrome, gab es unendlich viel Blutvergießen vor der christlichen Aufklärung. Erst mit der Aufklärung und mit der Akzeptanz, dass es nicht eine Wahrheit, eine Weisheit, eine Religion gibt, sondern dass der Mensch in seiner Vielfältigkeit das Wunder bedeutet, hat sich das blühende, freie Leben der Menschen in unserem Europa entwickelt.
 
Am Ende des Films tritt ein selbstbewusster Redner mit einer ganz klaren und deutlichen Aussage: Der Jude (hier als „Zionist“ getarnt) ist unser Unglück. Also Antisemitismus in Reinkultur!!!
 
Der Antisemitismus ist in den letzten zwei Jahrtausenden vor allen Dingen durch die organisierte christliche Kirche – nicht durch den Glauben, aber durch die organisierte Kirche – in unsere Kultur eingeflossen. Der religiöse Anti-Judaismus ist eines der klassischen Elemente der christlichen Identität gewesen. Dass die Juden Jesus ermordet haben, ist eine Lüge, die bis zum zweiten Vatikanischen Konzil 1962 aufrecht erhalten wurde. Und dass solche Vorurteile, die durch gesellschaftspolitische Legitimierung und Legalisierung von Antisemitismus über Jahrhunderte aufrecht erhalten wurden, sich nur sehr langsam – wenn überhaupt – wieder abbauen, ist eine Banalität.
 
Ich hegte einmal das Interesse Philosophie zu studieren, und ohne das Studium begonnen zu haben lernte ich dabei dennoch eine Sache sehr schnell. Es gibt nicht die eine Wahrheit, sondern Wahrnehmungen von verschiedenen Wahrheiten. Dies gilt vor allem, wenn es um rechtsphilosophische Fragen geht – und dies gilt erst recht, wenn verschiedene Grundrechte aufeinanderprallen.
 
In Frankreich gab es im Februar den Mordfall Ilan Halimi. Ein jüdischer Verkäufer wurde erst entführt und nach fehlgeschlagener Gelderpressung ermordet. Die Kidnapper gaben später als ihr Motiv an „weil Juden Geld haben“. Wie wertest du dieses Motiv? War das einfach nur kriminell? Oder war es antisemitisch? 

Aus meiner Sicht, spielten beide Motive eine Rolle. Die Handlung an sich ist erst einmal objektiv ein Verbrechen, die Begründung dieses Verbrechens war antisemitisch. So auch dieser Film! Denn der Film ist von Beginn bis zum Ende die aneinanderfolgende Darstellung der ältesten antisemitischen Klischees: „Juden sind reich und Juden haben Macht“. Wenn man sich z.B. die Mitglieder der jüdischen Gemeinden in der Bundesrepublik Deutschland anschaut, stellt man schnell fest, dass dort die Sozialstrukturen – inklusive der Juden, die sozialhilfebedürftig sind – sehr ähnlich denen der Gesamtbevölkerung sind.
 
Als Jude begegnet mir im Alltag durchaus Antisemitismus. Wenn ich also unterwegs bin, begegnet mir zwar nicht viel, aber dennoch immer zu viel davon. Meist sind das antisemitische Gedanken, die in einer subtileren Version formuliert werden, als das, was wir von den Skinheads, NPD-Homepages oder aus der Radikal-Islamistischen-Ecke kennen. Ein anderes Beispiel ist, dass Leute sagen, „Ich habe nichts gegen Juden, aber …“ – und dann kommen die ganzen bekannten Klischees.
 
Oder dass viele Deutsche, wenn sie gefragt werden, wie viele Juden in Deutschland leben, nicht auf die reale Zahl von 100.000 bis 120.000 kommen, sondern in die Millionen gehen. Das gleiche gilt für jedes andere Land der Welt. Die weltweitjüdische Bevölkerung beläuft sich auf eine Zahl von: 0,3% ! Das bedeutet also, dass die Fantasie und der Wahn vor dem „jüdischen Einfluss“ auf die westliche Welt und Gesellschaft
leider immer noch existiert …

 
Abschließend bleibt nun mehr der Optimismus, dass Menschen lernfähig sind!

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